Der Hamburger Hafen boomt wieder

Der Hamburger Hafen ist nach dem schweren Rückschlag des Krisenjahres 2009 wieder zurück auf Kurs gekommen. Im vergangenen Jahr erhöhte sich der Gesamtumschlag des größten deutschen Hafens um fast zehn Prozent auf 121 Millionen Tonnen. Im Gespräch mit der Logistik express Redaktion äußerte sich Hamburgs Hafenchef Jens Meier zu den Nachwirkungen der Krise und dem explosionsartig angestiegenen Geschäft mit österreichischen Exporteuren.

Herr Meier, wie schätzen Sie die aktuelle Lage ein: Ist die Katerstimmung am Hamburger Hafen bereits heute schon wieder überwunden?

Sagen wir einmal so: Ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis, das wir 2010 erreicht haben. Man darf nicht vergessen, dass das Jahr für uns krisenbedingt noch sehr durchwachsen begonnen hatte und es uns erst mit dem eintretenden Wirtschaftsaufschwung im zweiten Quartal gelungen ist, die Kehrtwende einzuleiten. Im dritten Quartal haben wir endgültig den Durchbruch geschafft und verlorene Marktanteile wieder zurückerobert. Wenn man allein die Hinterlandverkehre mit LKW und Bahn betrachtet, können wir feststellen, dass die Marktanteile des Hamburger Hafens mittlerweile sogar schon wieder über dem Vorkrisenniveau liegen.

Betrachtet man die Marktanteile im Feederschiffsverkehr, ist der Hamburger Hafen während der Krise allerdings weiter gegenüber seinen Mitbewerbern in Antwerpen und Rotterdam zurückgefallen.

Das ist richtig. Wir konnten im vergangenen Jahr eindeutig den Trend erkennen, dass einige Reedereien ihre Transshipment-Verkehre in den Ostseeraum verstärkt von Hamburg abgezogen haben, um ihre eigenen Hafenterminals während der Krise besser auszulasten. Aktuell kommt uns der Markt entgegen, da die Charterraten wieder im Begriff sind, sich zu normalisieren. Und wir rechnen fest damit, dass es uns in der ersten Jahreshälfte 2012 wieder gelingen wird, an die Rekordwerte von vor der Krise anzuknüpfen.

Welche Anstrengungen sind mit diesem Ziel konkret verbunden?

Wir haben in den vergangenen drei Jahren rund 125 Millionen Euro in die Schieneninfrastruktur investiert und ein modernes Schienen-Leitsystem auf den Weg gebracht, mit dem wir eine noch optimalere Abwicklung der Bahnverkehre ermöglichen können. Zur Zeit sind wir gemeinsam mit unseren Partnern dabei, ein standardisiertes EDV-System einzuführen, das die Kommunikation zwischen Reedereien, Transporteuren und den Terminals erleichtert. Und in unserem aktuellsten Projekt, mit dem wir im März an den Start gehen wollen, beschäftigen wir uns mit der Einführung eines Transportmanagement-Systems, um den LKW-Verkehr durch den Hamburger Hafen noch optimaler steuern zu können. Zusammenfassend könnte man sagen: Im ersten Schritt haben wir in die Straßen- und Schieneninfrastruktur investiert. Und im zweiten Schritt konzentrieren wir uns darauf, die bestehende Infrastruktur zu schonen und noch effektiver nutzbar zu machen.

Haben Sie denn einen Richtwert definiert, um wie viele Prozentpunkte der Umschlag am Hamburger Hafen in den kommenden Jahren gesteigert werden soll?

Also hier muss man unterscheiden: Die Hamburg Port Authority versteht ihre Aufgabe darin, günstige Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Unternehmen im Hamburger Hafen erfolgreich agieren können. Wir haben insofern nur indirekten Einfluss auf die Mengen, die in unserem Hafen umgeschlagen werden. Wir haben uns aber als ganz konkretes Ziel auf die Fahnen geschrieben, dafür zu sorgen, dass die Unternehmen in unserem Hafen lieferfähig bleiben. Und das können wir zum Beispiel tun, indem wir die Vergabe von Grundstücken und Terminalflächen langfristig steuern, oder intelligente Systeme zur Verkehrssteuerung auf den Weg bringen. Wir versuchen aber nicht nur, unsere Hausaufgaben hier am Hamburger Hafen möglichst gut zu machen, sondern wir haben gleichzeitig auch ein großes Interesse daran, dass die Infrastruktur bis hin zu den Enddestinationen möglichst gut ausgebaut ist.

Insbesondere der Güterverkehr zwischen den österreichischen Häfen und dem Hamburger Hafen baut auf eine jahrhundertelange Tradition. Für den österreichischen Export ist der Hafen Hamburg sogar der wichtigste Umschlagplatz. Wie haben sich die Verkehrsströme während der Krise verhalten?

Wenn wir die Güterverkehrsströme zwischen Österreich und dem Hamburger Hafen betrachten, können wir eine erstaunliche Entwicklung beobachten: im Zeitraum von 2009 bis 2010 wurden über 175.000 Container von Österreich nach Hamburg befördert – das entspricht einer Wachstumsquote von über 33 Prozent. Wir können zusammenfassend sagen, dass im vergangenen Jahr etwa die Hälfte aller österreichischen Exportcontainer über den Hamburger Hafen abgewickelt wurden.

Wie können Sie sich diesen deutlichen Zuwachs erklären?

Wir waren vor rund zwei Jahren mit einer Hamburger Delegation zu Besuch in Wien, um uns am Runden Tisch mit unseren österreichischen  Partnern aus Politik und Wirtschaft auszutauschen. In diesen Gesprächen kam sehr schnell zutage, dass es vor allem bei der Abwicklung der Informationsprozesse noch an der einen oder anderen Stelle hakt. Wir haben immer wieder gehört, man wisse gar nicht, wann die Güterzüge fahren, und dass es sehr schwierig sei, die Lieferungen in Richtung Hamburg zu disponieren. Glücklicherweise konnten wir unseren österreichischen Partnern sofort eine Lösung anbieten. Das heißt, wir konnten ihnen ein Dateninformationssystem zur Verfügung stellen, mit dem sich sehr schnell sehen lässt, wann ein Zug den Hamburger Hafen verlässt und voraussichtlich am Ennshafen eintreffen wird. Aus meiner Sicht war diese Begegnung der Beginn einer äußerst konstruktiven Zusammenarbeit.

Halten Sie die derzeit vorhandenen Kapazitäten auf der Schiene in Richtung Österreich für ausreichend?

Hier sollte man bedenken, dass die Anzahl der Verbindungen nicht von der Hamburger Hafenbahn bestimmt wird, sondern vom Markt und den Kunden. Die Hamburger Hafenbahn bietet derzeit 83 Eisenbahnverkehrsunternehmen die nötige „Hardware“ für den Eisenbahntransport. DB Schenker Rail, die Rurtalbahn, TX Logistik sowie die Bahnoperateure MS Intermove Systems, Intercontainer Austria, SBB Cargo und Transfracht International bedienen die Strecke von Hamburg nach Österreich im Schnitt alle sechs bis acht Stunden – das ist aus meiner Sicht eine sehr hohe und attraktive Frequenz. Wie ich immer wieder höre, hat insbesondere die Auslastung der Güterzüge nach Österreich eine erfreuliche Entwicklung genommen. Das schafft den positiven Effekt, dass wir die vorhandene Infrastruktur auch in Zukunft weiter schonen können. 

Sie haben in den vergangenen Monaten immer wieder betont, einen starken Fokus auf die Ansiedlung ganzer Industriezweige am Hamburger Hafen legen zu wollen. Was ist der Vater des Gedankens?

Wir waren in den vergangenen Monaten stark bemüht, darauf hinzuweisen, dass der Hamburger Hafen nicht nur ein wichtiger Umschlagplatz, sondern zugleich auch ein sehr wichtiger Industriestandort ist, der ein erhebliches Potenzial hat, Schiffsladungen anzuziehen. Nehmen Sie zum Beispiel den Kupferhersteller Aurubis, oder den Ölproduzenten Shell. Das sind Unternehmen, die für sich genommen schon ein recht hohes Ladungsaufkommen erzeugen. Und genau solche Unternehmen brauchen wir, um die hafennahen Arbeitsplätze hier am Standort zu sichern und unserem Hafen beispielsweise auch in Krisenzeiten eine entsprechende Auslastung zu ermöglichen.

Und welche Branchen haben Sie denn konkret im Auge?

Die Elektromobilitäts-, oder auch die Flüssiggasbranche erscheinen uns auf den ersten Blick zwei Industriezweige zu sein, die gut zu unserem Hafen passen. Im Moment sind wir aber noch dabei, weiter auszuloten, mit welchen Branchen wir als Industrie- und Hafenstandort die größten Synergieeffekte erzielen können.  Und bei all unseren Gedanken wollen wir unser Hauptziel nicht aus dem Auge verlieren: wir wollen den Hamburger Hafen als industrieverbundenen Universalhafen mit Schwerpunkt auf den Containerumschlag weiterentwickeln.

Wir Danken herzlich für das Gespräch.


Daten & Fakten

Seit dem Jahr 2002 hat sich Jens Meier in der Logistikbranche einen Namen gemacht: Er war Geschäftsführer beim Hamburger Markenartikel-Logistiker tts Holding GmbH & Co. KG, und stieg mit dessen Verkauf an die Fiege Gruppe in den Vorstand der Fiege Holding Stiftung & Co. KG, Greven, auf. Seit dem 1. April 2008 ist der 44-Jährige kaufmännischer Geschäftsführer der Hamburg Port Authority.

Die Hamburg Port Authority (HPA) ist mit ihren 1.800 Mitarbeitern für das Management am Hamburger Hafen verantwortlich. Sie ist Ansprechpartnerin für alle Fragen der wasser- und landseitigen Infrastruktur, der Sicherheit des Schiffsverkehrs, der Hafenbahnanlagen, des Immobilienmanagements und der wirtschaftlichen Bedingungen im Hafen. Im Gebiet des Hamburger Hafens fallen rund 300 km Schiene, 147 Brücken, 140 km Straße, 55 km Kaimauern sowie Tunnel, Schleusen und Leuchttürme in den Zuständigkeitsbereich der HPA.

Logistik express Redaktion: Karin Walter

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