Die Donau-Region in der Supply Chain – Ungenutzte Möglichkeiten

Der CSCMP Roundtable German Speaking Countries feiert in diesem Jahr sein zehnjähriges Bestehen und tagte kürzlich zum zweiten Mal in Österreich. Rund 60 Fachleute aus Industrie, Handel und Logistik sowie 15 Referenten diskutierten am 10. März 2011 in der Wirtschaftskammer Salzburg über das Logistikpotenzial der Donau-Region, die Optimierung der Infrastruktur und verbesserte Logistiklösungen.

Die Makroregion Donau besteht aus 14 EU- und Nicht-EU-Ländern – von der Quelle in Deutschland bis zur Mündung ins Schwarze Meer in Rumänien. Die Investitionen von Industrie und Handel, insbesondere der Automobilindustrie, in den letzten Jahren in dieser Region verlangen dringend nach einer Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur, des Transportangebots und effizienteren länderübergreifenden Supply-Chain-Lösungen. Der CSCMP Roundtable German Speaking Countries nahm sich dieser Problemstellung unter dem Motto “The Danube region as the 3rd macro region in (new/old) Europe: global integration and connectivity in a multipolar world”, anlässlich seiner Tagung am 10. März in Salzburg, an. Es wurde intensiv über Herausforderungen und Lösungsansätze diskutiert.

Im Logistic Performance Index der Weltbank, aber auch bei der Umsetzung des von der Europäischen Kommission geförderten Trans European Transport Networks schneidet die Region relativ schlecht ab, erläuterte Dominik Schmied, CVI Group.

Die Automobilindustrie konzentriert sich derzeit vor allem auf Straße-/Schiene-Lösungen, da ihre Werke über keine eigenen Binnenschiffterminals verfügen und jede intermodale Lösung unter Berücksichtigung der Wasserstrasse ein Mehr an Handling bedeuten würde. Jens Tilgner, Leiter Transportlogistik Material bei Audi, verwies auf den Zug, den Audi in Kooperation mit DB Schenker, Deutsche Bahn, ÖBB und MAV seit 14 Jahren zwischen Ingolstadt und Györ betreibt. Tilgner wünscht sich allerdings mehr zusätzliche, kreative, verlässliche Angebote von Bahngesellschaften und Logistikdienstleistern, um die Warenströme zwischen den Werken der Audi-Gruppe (Györ, Bratislava, Sant Agata, Ingolstadt) bzw. zwischen Lieferanten und den 28 Werken der VW-Gruppe (einschliesslich Skoda, Seat und Porsche) noch effizienter zu bündeln und zu bewältigen.

Mehr Ladung auf der Donau
Der EU liegt jedoch vor allem eine bessere Ausschöpfung des Potenzials der Wasserstrasse Donau am Herzen, wie Dr. Johann Sollgruber, Head of Sector EU Policies, European Transnational and Interregional Cooperation, DG Regional Policy bei der Europäischen Kommission in Brüssel, und Aleksandra Gjoreska, Southeast European Cooperative Initiative, SECI, Wien, ausführten. Die Europäische Kommission hat im Dezember 2010 ein Strategiepapier veröffentlicht, um mehr Dynamik in die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung der Makroregion Donau zu bringen und gleichzeitig die Umweltbedingungen in einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit aller Staaten entlang den Flussufern zu verbessern.

Die Donaustrategie soll mit Strukturfondgeldern, ohne neue Institutionen und Gesetze verwirklicht werden. Derzeit werden nur circa 50 Mio. t Ladung auf der Donau transportiert gegenüber 330 Mio. t auf dem Rhein. Die Auslastung durch die Schifffahrt auf dem Rhein beträgt 80 bis 90%, die auf der Donau gerade mal 5 bis 7%. Diese Zahlen nannte Dr. Erhard Busek, ehemaliger österreichischer Vizekanzler und Vorstand des Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa (SECI). Die mangelhafte Infrastruktur der südosteuropäischen Donau-Anrainer verhindere, dass die Region ihre Rolle als Brückenkopf zu den aufstrebenden Volkswirtschaften im Nahen Osten und der Türkei optimal nutze.

Ein Terminplan und konkrete Schritte zur Umsetzung der Donau-Strategie sollen von den EU-Mitgliedstaaten im Juni verabschiedet werden. Die CSCMP-Vereinigung werde die EU-Donau- Initiative und das SECI im Rahmen ihrer Tätigkeit unterstützen, versprach Rick Blasgen, Präsident u. CEO, CSCMP, in einem informellen Gespräch mit Dr. Erhard Busek am Vorabend der Vortragsveranstaltung.

Schlüsselrolle der Adria-Häfen

Christine Cabau, Directeur Central Groupe Lignes Asie/Méditerraneé, Mer Rouge, Adriatique, CMA CGM, zeigte Möglichkeiten auf, wie sich die Donauregion besser und CO2 effizienter über die Häfen Koper, Triest und Rijeka erschliessen liesse. Al-lerdings sollten die Adria-Häfen stärker zusammenarbeiten, um schneller kosteneffi-ziente und effektive Hinterland-Verbindungen aufzubauen. Die Infrastruktur müsse dem Trend zu immer grösseren Schiffen angepasst werden. Das Bahnprojekt Koper-Moskau (Korridor V-Projekt) eröffne die Möglichkeiten für ganz neue Supply-Chain-Lösungen Richtung Ukraine und Russland. Derzeit werden rund 3 Mio. TEU im Im-port und 2,3 Mio. TEU im Export über die nördlichen Adria-Häfen abgefertigt. Das Potenzial der Häfen wird jedoch von der Automobilindustrie bisher nur unzureichend genutzt. Audi beispielsweise verschifft gerade mal 20„000 Fahrzeuge über Koper. Der Rest sowie CKD-Teile für Werke in China, Indien und Indonesien werden über norddeutsche Häfen abgefertigt. Otto Hawlicek, Geschäftsführer des Container Ter-minal Salzburg, ergänzte dies mit dem Hinweis, dass der Containertransport per Bahn zwischen Salzburg und Koper zwar günstiger sei als zwischen Salzburg und den Häfen Hamburg/Bremerhaven, doch werde sechsmal mehr Ladung von/nach Norden als von/nach Süden transportiert.

Österreich, im Herzen der Donauregion, stand im Fokus mit Vorträgen über logisti-sche Herausforderungen bei SPAR, Kaindl, dem Holzcluster, bei Carbotech und der österreichischen Automobilzulieferindustrie. Sowohl SPAR als auch Kaindl sind in der Makroregion Donau breit aufgestellt und boten so interessante Diskussionsansätze.

Konkurrierende Regionen
Der offene Erfahrungsaustausch im Kreise der Supply Chain Professionals zeigte, dass noch viel zu tun bleibt. Im Lohnwettbewerb können die Länder der Donauregion mit China respektive Ländern in Südost- und Südasien nicht konkurrieren, wie Dr. Ting Ho, Vorstandsmitglied der Symphony Holdings, Hongkong, und Anshuman Neil Basu, Regional Manager Forwarding and Distribution, Phillips Electronics India, und Regional Advisor Indian Subcontinent, CSCMP, betonten. Auch die Infrastruktur ver-bessert sich nur im Schneckentempo im Vergleich zur rasanten Entwicklung in China. In China sind die beiden Hauptflüsse, Jangtse und Perlfluss, seit Jahrhun-derten wichtige Transportträger und Katalysatoren für die wirtschaftliche Entwicklung an den Ufern. Doch diesem zentralistisch regierten Land steht in der Donau-Region eine Vielzahl von Ländern mit sehr unterschiedlichen Kulturen, Regierungsformen und Entwicklungsstandards gegenüber.

Ausbildungsförderung
Ein besonderes Highlight der Veranstaltung bildete die Übergabe eines Schecks des CSCMP Roundtable German Speaking Countries in Höhe von 13„333 EUR an den CSCMP Global Education e.V. Der Erlös aus Teilnahmegebühren für CSCMP-Ver-anstaltungen in Deutschland im Jahr 2010 soll drei Stipendiaten zu Gute kommen, die in diesem Jahr einen Master-Kurs in Logistik am Georgia Institute of Technology (USA) belegen werden. Der CSCMP Roundtable German Speaking Countries unter-stützt seit der Gründung Logistikstudenten, die sich in den USA weiterbilden möchten.
Termine

Die nächste Veranstaltung des Council of Supply Chain Management Professionals (CSCMP) findet am 13. April 2011 in Berlin (Deutschland) statt.

Eine Fortsetzung der Diskussion über die Rolle der Donauregion in Supply Chains ist für Anfang März 2012 geplant.

Quelle: Meneghin & Partner AG

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