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Die Logistik aus Vertriebssicht – best practice der Otto Group

Als ehemaliger Kataloghändler umfasst die Otto-Gruppe heute mehr als 120 Unternehmen in über 30 Ländern. Als Geschäftsführer der Otto Unito-Gruppe ist Harald Gutschi für rund 41.000 Mitarbeiter verantwortlich. Grund genug, sich genau mit Trends und Optimierungsmöglichkeiten zu beschäftigen.

Redaktion: Angelika Gabor.

Pro Jahr wickelt die Unito Logistik 4 Millionen Sendungen und 1,5 Millionen Retouren ab. Trotz all dieser Transportdienstleistungen kommt die Gruppe ihrem Ziel, bis 2030 komplett klimaneutral zu sein, immer näher. Teil des Gesamtkonzepts sind neben der Nutzung recycelbarer Verpackung Kooperationen mit Wildplastic (verwertet Kunststoff-Müll weiter) und Traceless (erforscht Plastik-Alternativen).

Nach extrem erfolgreichen Covid-Jahren mit höchsten Wachstumsraten (insbesondere bei Garten, Möbeln, Büchern und Dekoration) ging der Umsatz im Jahr 2022 um 8 Prozent zurück, allerdings rechnet Gutschi für 2024 wieder mit einem deutlichen Plus. Auch Gutschi nimmt eine Änderung bei der Ausgabenstruktur der Kunden wahr: „Die Menschen geben die Hälfte ihrer Konsumausgaben für Urlaub und Freizeit aus. Bei der Mode sehen wir, dass mehr Basics gekauft werden, die man länger tragen kann. So sind unsere Bestseller im Bereich Living derzeit Legosteine, Handtücher, Töpfe und Bettwäsche. Doch auch Matratzen sind ein Verkaufshit, da sie online viel billiger sind, als im stationären Handel – allerdings auch schwer zu versenden.“ Otto ist der Marktführer im Bereich der Weißware und zeichnet sich dadurch aus, dass bei der Lieferung der Waren auch die entsprechenden Fachkräfte – Installateure, Elektriker oder Tischler – mitkommen, um den sachgerechten Auf- und Einbau samt Anschluss zu gewährleisten. Premiummöbel werden sogar von Mitarbeitern mit Handschuhen geliefert, um das Material zu schonen.

Basis für das Versandgeschäft sind natürlich gut ausgebaute Logistikstandorte – aktuell wird in Polen ein zusätzlicher Logistik-Hub errichtet. Gutschi: „Dr. Otto wollte eigentlich einen Standort in der DACH-Region, aber es ist unmöglich, ausreichend Personal zu finden. Polen hingegen erlaubt auch die Sonntagsarbeit, das macht es leichter.“ Im Sinne der Nachhaltigkeit betreibt die Unternehmensgruppe auch eigene Retourenfabriken-Standorte, wo die zurückgesendeten Waren sortiert und aufbereitet werden. Die Retouren gliedern sich in zwei Hälften: die eine Hälfte wird tatsächlich zurückgeschickt, und die andere Hälfte wird wegen Zahlungsschwierigkeiten zurückgeholt – Tendenz steigend. „Man merkt, dass die Zahlungsmoral direkt nach den Urlaubsmonaten schlechter ist, auch im stationären Handel wird dann mehr gestohlen“, meint Gutschi.

Die wachsende Beliebtheit von Plattformen wie Temu und Shein sieht Gutschi mit Sorge – nicht nur wegen der Konkurrenz: „Bei der Produktion der Waren in China kommen Chemikalien zum Einsatz, die in Europa nicht mehr erlaubt sind. Der Transport erfolgt per Flugzeug, das ist natürlich überhaupt nicht nachhaltig. Leider ist das mehr und mehr Kunden egal.“ Wenig Sorge hingegen bereitet ihm der anstehende nächste Technologiesprung, entsprechend des Zyklus 6 nach Kondradieff, vom Onlinehändler zum KI-Händler: „Maschinen machen die Preise automatisch, und automatische Dispositionssysteme erlauben 20 Prozent weniger Lagerstand bei gleichzeitig 1-2 Prozent mehr Verfügbarkeit. Dabei werden auch Faktoren wie das Wetter einbezogen, um Absatzzahlen zu prognostizieren, das schafft ein Mensch allein nicht.“

Durch den Preisverfall bei Modellen, Speicherplatz und Cloudlösungen sieht Gutschi einen großen Schritt nach vorne, was die Entwicklung betrifft. Da in manchen Gegenden einfach zu wenige Mitarbeiter fürs Lager zu bekommen sind, setzt die Otto Gruppe zukünftig auf die Roboter Spot® und Stretch™ von Boston Dynamics, wie eine im September verkündete strategische Partnerschaft besagt. In den nächsten zwei Jahren sollen diese Roboter die Logistikabläufe in mehr als 20 Logistikzentren, angefangen bei Hermes Fulfilment, automatisieren helfen. Dabei bewegt sich der hundeähnliche Spot® zur Sicherheit und proaktiven Wartungserkennung durchs Lager, während Stretch™ selbständig Frachten entlädt. Gutschi geht davon aus, dass in spätestens 5 bis 10 Jahren Roboter Funktionen in unserem Alltag übernehmen werden.

Navigate to Operational Excellence – Wie betreibt man ein Logistiksystem zu jeder Betriebsstunde am Optimum?“

Siegfried Zwing, Geschäftsführer von redPILOT, sieht drei aktuelle Hauptprobleme beim Betrieb von Logistikstandorten: „Erstens weiß man nicht, welche Aufträge am nächsten Tag ankommen – weder die Menge, noch die Struktur, und die Art der Verpackung wirkt sich auf das nötige Handling aus. Zweitens werden die Systeme immer komplexer, etwas was das Volumen anbelangt. Das dritte und vielleicht größte Problem ist die Unverfügbarkeit von Lagermitarbeitern.“ Um sich diesen Herausforderungen erfolgreich zu stellen, wurde quasi ein „Navi für Lagerleiter“ geschaffen – die redPILOT App, die bei der Nutzung des Standortes unterstützt. Das System verfügt über die drei Bereiche Planner, Optimizer und Improver.

Die Automatisierte Planung (Planner) prognostiziert Mengen und plant dementsprechend den Ressourceneinsatz. Optimizer gibt Handlungsempfehlungen im laufenden täglichen Betrieb anhand der tatsächlichen Auftragslage ab, damit die Ressourcen optimal eingesetzt werden. Improver schließlich beschreibt das maschinelle Lernen, wobei Betriebsdaten genutzt werden, um zukünftige Planungen und Empfehlungen zu verbessern.

Mit Hilfe der Team-App können Mitarbeiter ideal eingesetzt werden, aber auch gegenseitig Schichten tauschen oder Urlaube planen. Zwing: „Die Automation ist die probate Lösung für Personalmangel. So haben wir beispielsweise für EDEKA einen vollautomatischen Standort im Lebensmittelbereich umgesetzt, in dem trotzdem noch 1.200 Mitarbeiter beschäftigt sind.“

Automatisierung der E-Commerce Abwicklung

Es ist hinreichend bekannt, dass die Post bei der Umsetzung von Omnichannel-Modellen unterstützt. „Das umfasst auch den Support auf 1st und 2nd Level“, betont Wolfgang Einer, Executice Vice President Logistics Solutions der Post AG. Egal ob Lagerung, Fulfilment, Verpackung, Zustellung oder Retoure und Aufbereitung, die Post bietet sämtliche nötigen Serviceleistungen an. Eine leistungsfähige Autostore-Lösung mit 29.000 Behälterstellplätzen und 35 Robotern ist dabei eine große Hilfe.

„Im Jahr 2021 trat DM an uns heran und fragte, was passieren würde, wenn es in den nächsten Jahren 400 bis 500 Prozent Wachstum gäbe. Schon damals arbeiteten wir zu Spitzenzeiten im 3-Schicht-Betrieb, solch eine Leistungssteigerung wäre unmöglich gewesen.“ Nach eingehender Prüfung verschiedener Optionen fiel die Wahl zugunsten der Autostore-Lösung. „Das System ist skalierbar und zukunftssicher.

Die bei der Auslagerung eingesetzten Saug-Greif-Roboter sind so sensibel, dass sie sogar einen einzelnen Kajal picken können“, berichtet Einer. Trotz dieser Innovationen ist er davon überzeugt, dass der Mensch im Lager auch in Zukunft immer nötig sein wird, zumindest, um alles zu überwachen. Und wie sieht es mit KI aus? „Die momentan erhältlichen KI-Applikationen sind nur der Anfang. Wer nicht daran arbeitet, wird in Zukunft nicht erfolgreich handlungsfähig sein“, ist Wolfgang Einer überzeugt.

Produktivitätssteigerung durch erhöhte Geschwindigkeit und Genauigkeit beim Scanprozess Zeit ist Geld, das gilt insbesondere in der Logistik. Norbert Benesch, Territory Account Manager Österreich von PROGLOVE präsentierte eine Lösung, um die Produktivität im Lager durch besseres Scannen massiv zu steigern. Ursprünglich als StartUp bei BMW gestartet, beschäftigt das Unternehmen heute 400 Mitarbeiter, die den Menschen in den Mittelpunkt ihrer Innovationen stellen.

Der von PROGLOVE entwickelte Scanner ist besonders leicht und klein und daher für den Mitarbeiter weniger belastend – aber keinesfalls weniger leistungsfähig. „Kunden haben uns erzählt, dass sie durch den Einsatz unserer Scanner Produktivitätszuwächse von 20 Prozent bei gleichzeitig 33 Prozent weniger Fehlern feststellen konnten. Zudem haben Sicherheit und Gesundheit der Mitarbeiter bei dieser repetitiven Arbeit zugenommen“, so Benesch stolz. Bei einem Kunden im Fulfilment / Wareneingangsbereich konnten 27 Prozent mehr Pakete pro Stunde abgewickelt werden, bei einem Kunden im Automobilbereich konnten 1.600 Stunden Montagezeit eingespart werden.

Der Scanner ist so klein und praktisch, dass er bequem in Wearables getragen werden kann, oder auch an einem Reel am Gürtel. Benesch: „Die Scanner bieten 100 Prozent Beweglichkeit, eine mobile Mitarbeiterführung – akustisch, haptisch und via audio, sind einfach zu bedienen, scannen überaus genau auch aus schwierigen Winkeln und glänzen durch jederzeit verfügbare Daten zu jedem einzelnen Gerät.“

PROGLOVE hat aktuell fünf verschiedene Modelle im Sortiment, abhängig von Bereich, Distanz und Einsatzgebiet, wobei für jeden Kunden eine maßgeschneiderte Lösung entwickelt wird. Die hauseigene Software INSIGHT gibt es in drei Varianten, für mobile Arbeitskräfte gibt es die eigene Software INSIGHT Mobile. „Der ROI liegt bei unseren Lösungen bei etwa 6 Monaten“, erklärt Benesch. Die Zufriedenheit der Mitarbeiter zahlt sich jedenfalls immer aus.

Touchless Hub

Vor etwas mehr als einem Jahr schloss Körber die Übernahme des globalen Post- und Paketgeschäfts von Siemens Logistics ab. Die Bündelung der Kompetenzen führt zu Entwicklungen, die der Realisierung einer „Lights Out Facility“ näherkommen lassen. „Allerdings denke ich nicht, dass sich diese Idee mittelfristig umsetzten lässt“, meint Marco Zahler, Salesexperte der Körber Supply Chain Logistics GmbH. Auch bei Körber steht die Lösung des Arbeitskräftemangel-Problems auf der Tagesordnung. Doch ist eine Anlage komplett ohne Menschen machbar?

„Es stehen schon heute diverse Technologien zur Automatisierung zur Verfügung, allerdings gestaltet sich das beispielsweise bei der Be- und Entladung heterogener Artikel durchaus als schwierig“. Mit teilautomatisierten Lösungen werden Mengen von bis zu 3.000 Paketen pro Stunde erreicht. Das Herzstück der von ihm präsentierten Anlage ist die Vereinzelung vor dem Scan in Richtung Sorter.

„Das Vision-System beurteilt die Pakete und schleust unpassende Sendungen automatisch aus – beispielsweise, weil sie zu groß und zu schwer sind oder schlicht die falsche Form haben“, erklärt Zahler. Dabei lernt das System selbst immer weiter und verbessert die Erkennung. Der in der Anlage eingesetzte Saugroboter handelt bis zu 2.200 Pakete bis maximal 5 kg Pro Stunde. „Aufgrund der Gewichtsbegrenzung eignet er sich vor allem für das das Kleinteilehandling“, berichtet Zahler. (RED)

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