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eCommerce Logistik-Day 2023 – irgendwie geht’s immer weiter

Erstmals nach stetem Wachstum gab es ein Minus im Distanzhandel, die Prognosen sind mau. Auf dem 8. eCommerce Logistik Tag wurden Strategien präsentiert, wie den aktuellen Herausforderungen – Mitarbeitermangel und Nachhaltigkeitsforderungen beispielsweise – erfolgreich begegnet werden kann.

Redaktion: Angelika Gabor

Das Line-up der Veranstaltung, die im Trompetensaal im Haus der Österreichischen Post am Rochusmarkt stattfand, konnte sich durchaus sehen lassen: Peter Umundum, Vorstand der Post AG, Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbands Österreichs, Harald Gutschi, Geschäftsführer der OTTO UNITO-Gruppe, Siegfried Zwing, Geschäftsführer von redPILOT (KNAPP-Gruppe), Wolfgang Einer, Executice Vice President Logistics Solutions der Österreichischen Post AG, Norbert Benesch, Territory Account Manager Österreich bei PROGLOVE und Marco Zahler, Sales bei der Körber Supply Chain Logistics GmbH (KOERBER-Gruppe) gaben sich vor Ort die Ehre, zudem gab es noch Video-Zuspielungen mit Roman Stiftner, Präsident der BVL Österreich sowie Oliver Wagner, Geschäftsführer des Zentralverbands Spedition & Logistik sowie eine aufschlussreiche Podiumsdiskussion unter der Leitung von Peter Nestler, Herausgeber des Umwelt Journals & Redakteur bei LOGISTIK express. Von aktuellen Lageberichten über Tendenzen und Prognosen bis hin zu speziellen Lösungsansätzen und Technologieszenarien in der Logistik war für jeden der zahlreichen Fachbesucher etwas dabei. Das traf auch auf das zuerst süße, dann pikante Buffet zu, an dem man sich zwischendurch und im Anschluss an die Veranstaltung beim Networking gütlich tun konnte.

E-Commerce: Zenit überschritten?

Peter Umundum, Vorstandsmitglied der Österreichischen Post AG, ist für die Division Paket & Logistik zuständig und kennt sich daher bestens aus, wenn es um Versand geht. Nach einem Rückgang des Paketvolumens von 30.4.2022 bis 30.4.2023 auf 433 Millionen im Vergleich zu den 453 Millionen Sendungen im Jahr davor, gab es im Verlauf dieses Jahres in allen Geschäftsregionen wieder Zuwächse, insbesondere im CEE-Raum (19% Plus). Doch woher kommt dieses Plus? „Das Chinageschäft ist ein großer Treiber, die Waren kommen über Südost-Europa. Unsere drei größten Kunden sind Amazon, die Deutsche Post und an dritter Stelle folgt schon Alibaba.“ Umundum geht davon aus, dass der e-Commerce den Zenit noch lange nicht überschritten hat, und die Gründe dafür liegen für Ihn klar auf der Hand: „Die Convenience ist beim Onlinehandel deutlich größer als beim stationären Handel, zudem ergeben sich wesentlich einfachere Preisvergleichsmöglichkeiten. Im Gegensatz zu früheren Annahmen weiß man heute, dass der Onlinekauf hinsichtlich Logistik sogar nachhaltiger ist, als der stationäre Handel – bedingt durch die Konsolidierungsmöglichkeiten im Transport und der Zustellung. Zu guter Letzt ist der Handel an die gesamte Wirtschaftsentwicklung gekoppelt, und da gehe ich von einer Verbesserung aus.“ Das Vertrauen in die positive Entwicklung des Paketgeschäfts führt dazu, dass zusätzlich zu den schon erfolgten Bauten noch weitere hohe Investitionen geplant sind – insbesondere der Ausbau der Logistikzentren. Erst Ende September ging das neue Logistikzentrum in Wien in Betrieb, in dem ein 3-Sorter-Hybridsystem zum Einsatz kommt. „In der neuen Anlage ist eine vollautomatische Entladung in Betrieb“, freut sich Umundum. Doch wo viel Licht, da auch Schatten: das Briefgeschäft, ursprünglich stärkstes Steckenpferd der Post, schrumpft, und das wird aller Voraussicht nach auch so bleiben.

Mit 1 Million Abstellgenehmigungen, 680 Versandstationen und 70.000 Empfangsboxen ist es kein Wunder, dass die Erstzustellquote im Paketbereich konstante 93,9 Prozent beträgt – Zahlen, von denen andere Paketdienstleister nur träumen können. Trotzdem gibt es Überlegungen, diese Quoten noch weiter zu verbessern, beispielsweise durch digitale Schlösser, die dem Zusteller einmaligen Zutritt in den Eingangs- oder Wohnbereich des Adressaten gewähren. „Wir arbeiten daran, 2.000 Telefonhäuschen in Ballungsräumen als Poststationen umzufunktionieren, wobei die Notruffunktion selbstverständlich erhalten bleibt“, erklärt Umundum. Auch im Bereich Nachhaltigkeit tut sich einiges, wie etwa das seit wenigen Monaten verfüg bare „Post Loop“-Service. „Die Verpackung wird mit Pfand gekauft, nach Gebrauch gefaltet und zurückgesendet. Sie wird dann gereinigt und kommissioniert und bis zu dreißig Mal verwendet“, verrät Umundum. Generell setzt die Post viele Initiativen zur Nachhaltigkeit, so ist beispielsweise seit Beginn der Messung der CO2 Emissionen im Jahr 2009 der Ausstoß gesunken, obwohl die Mengen im selben Zeitraum um 70 Prozent gestiegen sind.

Grund dafür ist eine Vielfalt an Maßnahmen, allen voran die Umstellung des Fuhrparks auf Elektromobilität. Umundum: „Unser Ziel ist es, bis 2040 die „Net Zero“ zu erreichen. Schon heute erfolgt die Zustellung in Graz zu 100 Prozent grün, in Innsbruck, Salzburg und Wien sind wir in der Umsetzungsphase.“ Neben den reinen Elektrofahrzeugen testet die Post auch Alternativen, wie LNG-LKW im Schwerlastverkehr, deren Kauf jedoch nicht weiter verfolgt wird. Aktuell im Test: 3 HVO100-Fahrzeuge (HVO, Hydrotreated Vegetable Oils, synthetischer Diesel Anm.): „Das funktioniert im Testbetrieb wirklich gut, die CO2-Einsparung liegt bei 70-80 % bei etwa 7-10 % Mehrkosten im Vergleich zu regulärem Diesel. Aber auf der Langstrecke wird sich unserer Meinung nach Wasserstoff durchsetzen – entsprechende Fahrzeuge haben wir schon bestellt.“

Retail in Österreich. Die Großwetterlage

Seit mehr als 100 Jahren ist der Handelsverband als Interessensvertretung österreichischer Handelsunternehmen aktiv – egal, ob stationärer Handel, oder seit einigen Jahren der e-Commerce. Die letzten Monate zeigen keine rosige Bilanz, wie Handelsverbands-Geschäftsführer Rainer Will resümiert: „Alle Sparten sind rückläufig, lediglich Mode und Körperpflege weisen geringe Zuwächse aus.

Wir verzeichneten 10 Prozent mehr Insolvenzen bei den Handelsunternehmen. Es kam im ersten Halbjahr 2023 bereits zu 6.400 Standortschließungen und nur 15 Prozent der Händler erwarten für das laufende Geschäftsjahr einen Gewinn.“ Wie die aktuellen Ergebnisse der Händlerbefragung zeigen, plant mehr als die Hälfte einen Investitionsstopp und knapp ein Drittel muss aus Kostengründen Personal abbauen – eigentlich paradox, bedenkt man, dass oft verzweifelt Mitarbeiter benötigt werden.

Die aktuelle Teuerung bewirkt zudem eine größere Zurückhaltung beim Expansionsverhalten. Doch die Inflation ist nicht das einzige Problem, das die Unternehmen plagt: „Rund 30 Prozent der Händler warten noch immer auf die Auszahlung der Unterstützung durch die COFAG! Zudem hat Österreich neben
Belgien und Deutschland die höchsten Lohnnebenkosten in Europa“, so Will. Das führt dazu, dass man bei einer Anhebung von 20 auf 30 Wochenstunden Arbeitszeit zwar um 50 Prozent mehr Stunden arbeitet, aber nur rund ein Drittel mehr Lohn ausbezahlt bekommt – nicht unbedingt ein Anreiz. „Ich hoffe, es gibt im kommenden Jahr einen echten Reallohnzuwachs – davon würde auch unsere Branche profitieren.“

Der Handel befindet sich inmitten einer Technologie-Revolution, bereits heute nutzen Kunden bevorzugt das Handy für Online-Shopping. „Binnen zwei Jahren ist die Anzahl der Webshops von 9.000 auf 12.000 angewachsen, rund 8 Prozent der Händler nutzen aktuell Künstliche Intelligenz -aber ein Viertel möchte noch in diesem Jahr in eine KI investieren “, erklärt Will. Der Shopping Index 2023 zeigt, dass die Kluft zwischen dem Angebot des Handels und den Wünschen der Kunden nach wie vor zu groß ist: „Viele Kunden würden sich wünschen, online die Filialverfügbarkeit gezeigt zu bekommen. Die Daten dazu müssen aufgrund der Inventur und des Warenmanagementsystems theoretisch bei jedem vorhanden sein, trotzdem wird diese Funktion kaum angeboten.“

Doch auch andere Wünsche bleiben Großteils unerfüllt, wie die Studie zeigt: während 82 Prozent der Kunden einen konkreten Zustelltag einer Bestellung wissen wollen, bieten das lediglich 13 Prozent an. Und während 38 Prozent der Kunden eine Same Day Delivery bevorzugen, ist diese Option nur bei 5 Prozent der Händler möglich. Eine WhatsApp-Kontaktaufnahme wünschen sich 30 Prozent, angeboten wird es von 9 Prozent. Bedenkt man, dass laut HV-Konsumbarometer stolze 97 Prozent der Bevölkerung die Teuerung spüren und dadurch ihr Einkaufsverhalten entsprechend anpassen, wäre es umso wichtiger, diesen Wünschen entsprechend zu begegnen, um das Einkaufserlebnis zu verbessern. Generell zeigt sich ein Aufholbedarf der Konsumenten in gewissen Bereichen, weiß Will: „Die Wareneinkäufe sind zurückgegangen, insbesondere bei Büchern und Möbeln. Dafür sind die Ausgaben für Reisen, Freizeit und Essen gestiegen.“ Ein unübersehbarer Trend: vegane Produkte. „Wir gehen davon aus, dass bis zum Jahr 2030 400 Milliarden Euro jährlich für vegane Lebensmittel ausgegeben werden.“

Natürlich hat der Handelsverband auch entsprechende Vorschläge an die Politik, wie die Situation sich verbessern ließe: Neben einem Händlerfokus bei der Ausgestaltung des EKZ II (Energiekostenzuschuss, Anm.) und einer sofortigen Auszahlung der fehlenden Corona-Entschädigungen empfiehlt der Handelsverband eine steuerliche Gleichstellung von Fremd- und Eigenkapital, eine rasche Arbeitsmarktreform und die Abschaffung der Mietvertragsgebühr. Auch ein flächendeckender Ausbau der Kinderbetreuung würde den Handelsangestellten stark zu Gute kommen. Eine Lösung für den Fachkräftemangel wäre eine Ausweitung der Zuverdienstgrenzen für Pensionisten. (RED)

Quelle: LOGISTIK express Ausgabe 4/2023

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