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Ein Masterplan soll’s richten

Die Schweizer Verkehrspolitik steckt in einer Sackgasse. Das anspruchsvolle Ziel, den Lkw im alpenquerenden Verkehr zu eliminieren, ist nicht zu erreichen. Der Schweizerische Nutzfahrzeugverband ASTAG fordert nun eine Kehrtwende.  Redaktion: Ursula Schmeling

In der Schweiz ist die Bahn im Transitverkehr von Grenze zu Grenze dank staatlichen Drucks (Nachtfahrverbot, leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe LSVA) stärker als in vielen Nachbarländern. Sie befördert zwei Drittel der Güter im alpenquerenden Verkehr. Trotz enormer Anstrengungen schafft sie es jedoch nicht, ihren Anteil am Gütertransport weiter zu steigern. Und es sieht auch nicht danach aus, dass ihr dies in Zukunft gelingen wird.

Die Zahl der Lastwagen, die durch die Schweizer Alpen rollen, hat sich zwar verringert, von 1,4 Millionen im Jahr 2000 auf 1,25 Millionen im Jahr 2010 (drei Viertel dieser LKW fahren über die Gotthard-Route). Doch der Anteil des Bahngüterverkehrs nimmt proportional ab, und dies trotz erheblicher Subventionen für den Transport auf der Schiene. Das Ziel, die Zahl alpenquerender Lkw bis 2018 auf 650.000 zu senken, wird nicht erreicht werden. Beim Güterverkehr innerhalb der Schweiz ist der Lkw klar die Nummer eins. Drei Viertel der Güter werden auf der Straße transportiert, nur ein Viertel auf der Schiene.

Zu wenig Investitionen in die Straße
In den letzten 15 Jahren hat sich die Schweizer Verkehrspolitik recht einseitig auf den Transitverkehr fokussiert und den volkswirtschaftlich relevanten Binnen-Import- und Export-Güterverkehr vernachlässigt. Inzwischen zeigen sich massive Engpässe und rapide steigende überlastungsbedingte Staustunden beim Straßenverkehr auf den Hauptachsen und in den Agglomerationen in allen Landesteilen. Auch die Grenzübergänge bzw. grenznahen Straßen in den und aus den Anrainerstaaten (Deutschland, Österreich, Italien, Frankreich) sind häufig überlastet. Die Kosten für die Wirtschaft sind erheblich. Jedoch nur ein Drittel der Einnahmen aus dem Straßenverkehr, etwa 10 Mrd. CHF (8,3 Mrd. EUR), fließen in den Erhalt und Ausbau von Straßen. «Bundesrat und Politik haben zu einseitig auf die Schiene gesetzt», kommentierte ASTAG-Zentralpräsident Adrian Amstutz die Ausgangslage.

Förderung des Güterverkehrs statt Behinderung
Der Schweiz. Nutzfahrzeugverband ASTAG fordert jetzt ein Gesamtkonzept für Schiene, Straße, Luft und Wasser, damit die Zukunft im Güterverkehrsbereich bewältigt werden kann – einen Masterplan für Güterverkehr und Logistik. Dafür hat er Mitte des Jahres 2013 Kernforderungen vorgelegt: eine rasche bedarfsgerechte Engpassbeseitigung bei der Straße, eine konsequente Trennung von Netz und Betrieb bei der Schiene sowie der diskriminierungsfreie Zugang zu Terminals. Für neue Groß-Terminalstandorte möchte die ASTAG bei bestehenden Anlagen sowie beim Projekt «Basel-Nord» anknüpfen. Dem von der SBB vorangetriebenen «Gateway Limmattal» erteilte sie eine Absage. Im Thesenpapier der ASTAG wird die Stärkung des Güterverkehrs als Ganzes im Sinne der Logistik als Hauptziel genannt. Es müsse stärker auf die Bedürfnisse von Wirtschaft und Konsumenten eingegangen werden. Absolut zentral sei ein wesensgerechter Einsatz der Verkehrsmittel (Ko-Modalität) gemäß ihren jeweiligen Stärken. Nur so könne die notwendige Qualität bei den Transportdienstleistungen erreicht werden.

Schöndenken allerorts
Ein Blick in die Nachbarländer zeigt, dass die Probleme überall ähnlich sind. Die ideologisch geprägte Förderung des Bahnverkehrs hat zu keinem Siegeszug der Schiene geführt. Staus beeinträchtigen das Wirtschaftsgeschehen, Brücken bröckeln, auf Straßen zeigen sich mehr und mehr Schlaglöcher. Die anhaltende Unterfinanzierung der Straßenverkehrsinfrastruktur zeigt Wirkung. Nur profitiert die Schiene nicht davon und auch nicht Politiker und Grünbewegte. Ein Lerneffekt will nicht eintreten. Es wird weiterhin von einer Entkopplung von Verkehr und Wirtschaftswachstum und einer Verlagerung von der Straße auf die Schiene geträumt. In der Schweiz wird über neue Drangsale wie eine Alpentransitbörse nachgedacht. (US)

Quelle: LOGISTIK express Fachzeitschrift 3/2013

 

Alpenquerender Güterverkehr (Jan. – Juni 2013)

Total 19 Mio. t*
Davon Schiene 12,8 Mio. (+ 0,8 Mio. t
gegenüber 1. HJ 2012)***
Strasse 6,5 Mio. t (-0,6 Mio. t)
Zahl Lkw-Fahrten 574 000 (-8,5%)**

* Trotz Wirtschaftserholung liegt dieser Wert unter dem der Jahre vor der Finanz- und Wirtschaftskrise 2009

** 2013 wird damit das Zwischenziel von 1 Mio. jährlichen Fahrten, welches nach Gesetz 2011 zu erreichen gewesen wäre, überschritten.

*** davon Rola 5%, unbegleiteter kombinierter Verkehr 42,7%.

 

 

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