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Ersatzteillogistik fordert heraus

Permanente Verfügbarkeit bei großer Ersatzteilvielfalt ist in der Ersatzteillogistik für viele Unternehmen eine große Herausforderung. Mit neuen Sichtweisen lassen sich Optimierungen erreichen.

Die Ersatzteillogistik gehört wohl zu den anspruchsvollen Nischenbereichen in der Logistik. Jeder Ersatzteil soll jederzeit verfügbar sein, dazu kommt eine hohe Ersatzteil-Vielfalt, und der Betreiber einer Papiermaschine, Produktionsstraße oder Hochofenanlage will die Sicherheit haben, dass im Bedarfsfall das Ersatzteil sofort verfügbar ist. Entweder sind die Ersatzteile ohnehin im eigenen Unternehmen sicherheitshalber auf Vorrat gebunkert, oder wenn nicht, dann muss das Teil so schnell wie möglich beschafft und lieferbar sein.

Heute gibt es vielerorts noch eine starre Trennung zwischen Hersteller und Betreiber von Maschinen, Anlagen etc. Diese Trennung führt dazu, dass die Betreiber häufig eigene Lager verwalten, wo die Ersatzteile gelagert werden, um sie rasch verfügbar zu haben und nicht warten zu müssen, bis das Ersatzteil vom Hersteller geliefert wird. Dieses durchaus nachvollziehbare Sicherheitsdenken bringt es mit sich, dass bei den Betreibern mitunter beachtliche Bestände an Ersatzteilen verwaltet werden, die Kapital binden oder es im Worst Case-Szenario sogar vernichten. Dabei könnten Ersatzteilbestände reduziert und Kosten eingespart werden, würde man in der Ersatzteillogistik neue Wege beschreiten, ist Thomas Heller, Abteilungsleiter für den Bereich Unternehmenslogistik beim Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML in Dortmund überzeugt. Neue Wege beschreiten heißt: Offenheit, Bereitschaft zur Vernetzung und zum Wissensmanagement. Das sowohl beim Hersteller als auch beim Betreiber.

„Wir haben heute in Produktionsabläufen sehr viele Algorithmen, die helfen, alle Phasen der Produktion bestmöglich abzubilden und zu planen, doch wir haben keine Algorithmen für die Vernetzung des Ersatzteilmanagements“, stellt Heller fest. Der Bedarf an Ersatzteilen ist schwer prognostizierbar, doch gerade für die Vernetzung der Ersatzteillogistik wären solche Prognosen sehr notwendig und hilfreich, um unterm Strich daraus Effizienz- und Kostenvorteile zu lukrieren. Heller: „Wir brauchen die Algorithmen auch, um die Kosteneinsparungen konkret belegen zu können.“

Ein Hersteller von Hubstaplern sollte sich beispielsweise Gedanken darüber machen, welche Ersatzteile denn überhaupt gebraucht werden. „Das weiß er nur, wenn er weiß, welche Modelle auf dem Markt sind, wie lange sie schon auf den Markt sind. Doch diese Informationen haben viele Hersteller gar nicht“, so Heller. Bei der Frage der Vielfalt stellt sich die Frage, ob denn diese große Vielfalt überhaupt notwendig ist und es nicht besser wäre, schon bei der Konstruktion der Maschinen, Geräte oder Anlagen darauf zu achten, wie diese Vielfalt weniger wird und Ersatzteile mit Mehrfachfunktion auszustatten wären. „Oft gibt es idente Ersatzteile und die Hersteller wissen das gar nicht“, hat Heller in seiner Praxis beobachtet. Diese Informationsdefizite ließen sich mit einem professionellen Wissensmanagement ausgleichen.

Auf der Betreiberseite ortet Heller bei vielen Unternehmen viel zu hohe Ersatzteilbestände. Diese binden Kapital oder vernichten es, wenn etwa Ersatzteile gelagert werden, die nie gebraucht werden. Um das zu vermeiden sollten Betreiber ihre Anlagen genau unter die Lupe nehmen, Fakten sammeln zur Lebensdauer der Anlage, zum tatsächlichen Bedarf an Ersatzteilen etc. „Ich vermute, dass zehn Prozent aller Ersatzteilbestände bei Betreibern letztlich weggeworfen werden, weil sie nicht gebraucht wurden.“ Während die Kapitalbindung durch die Lagerhaltung weniger bedeutsam ist, sind weggeworfene Ersatzteile pure Kapitalvernichtung.

So macht es Porsche
Porsche steuert die Ersatzteillogistik über eine eigene Gesellschaft (Porsche Logistik) vom zentralen Ersatzteillager in Sachsenheim bei Stuttgart aus. Mit einer Lagerperformance von nahezu 100 Prozent gewährleistet das Lager eine Teileversorgung von Regionallagern sowie eine Direktbelieferung von ausgewählten Händlern und Werkstätten weltweit. Die international ansässigen Regionallager werden über ein Global Inventory Management gesteuert, sodass vor Ort eine Versorgung innerhalb von 24 Stunden gewährleistet werden kann, beschreibt Marc Lösken die Vorgehensweise. Die nationalen Händler und Werkstätten sowie die benachbarten Märkte so wie beispielsweise Österreich werden direkt mit einem sogenannten Nachtsprung beliefert.

In Sachsenheim lagern auf 170.000 m2 Lagerfläche rund 100.000 Materialnummern. Durch permanente Betrachtung und Vergleich des prognostizierten Teilebedarfs und der Teile-Wiederbeschaffungszeit wird ein optimaler Bestand definiert. Während schnelldrehende Teile, wie beispielsweise Stoßfänger der aktuellen Modelle, eine permanente Verfügbarkeit haben, werden einige langsam drehende Teile nur in geringen Mengen vorgehalten. Lösken: „Diese Vorgehensweise führt zu einem optimalen Lagerbestand bei gleichzeitig permanenter Verfügbarkeit.“ Eine Auftragsabwicklung von 90 Minuten im Zentrallager garantiert eine schnelle Reaktionszeit auf Kundenaufträge. Die hohe Individualität der Porsche-Fahrzeuge macht sich auch in der Ersatzteillogistik bemerkbar: Dies führt zu einem stetigen Anstieg der Materialnummern, was steigende Kapazitäten und Komplexität bedingt. Durch den stufenweisen Ausbau bei gleichzeitiger Prozessoptimierung des Ersatzteillagers in Sachsenheim gewährleisten wir eine permanente Verfügbarkeit auch bei hoher Ersatzteilvielfalt. Regionale Nachfrageschwankungen können zentral erkannt und frühzeitig ausgeglichen werden. Dies führt zu einem transparenten Informationsfluss und davon abgeleitet einem gesteuerten Materialfluss bzw. einer gesteuerten Nachschubversorgung.

Die Verfügbarkeit der Ersatzteile für den Kunden ist das prioritäre Ziel: „Wo immer ein Ersatzteil benötigt wird, wann immer sich ein Kunde aus unserem Teilesortiment bedient – wir sorgen für eine termingerechte Lieferung“, erklärt Lösken. Dieses Ziel lasse sich nur durch kontinuierliche Reflektion und Optimierung der eigenen Prozesse im Lager und über das Lager hinaus realisieren. Das Ersatzteillager in Sachsenheim wird von Porsche selbst betrieben; die weltweit ansässigen Regionallager werden sowohl durch die Porsche-Landes-Gesellschaften als auch mit der Unterstützung von speziellen Dienstleistern gemanagt.

Idealzustand bei der Ersatzteillogistik ist für Lösken dann erreicht, wenn die Kunden zufrieden sind, sprich dem Kunden die gewünschten Teile in der richtigen Menge mit der richtigen Qualität zum gewünschten Zeitpunkt am richtigen Ort  und mit den geringsten Kosten zur Verfügung gestellt werden. Lösken: „Aus betriebswirtschaftlicher Sicht gilt dabei zu beachten, so wenig Teile wie möglich und so viele Teile wie nötig vorrätig zu halten.“

Quelle: PI/Redaktion

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