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EU ist cool, aus Fehlern gelernt…

Österreichs kleine und mittlere Unternehmen kümmern sich stärker um die Zahlungseingänge. Sie sehen die Mitgliedschaft in der Europäischen Union als vorteilhaft an und profitieren von ihr.   Redaktion: Paul Christian Jezek

Die EU kommt wieder ins Lot – das zeigen die ersten Zahlen aus dem Europäischen Semester (per Ende November), das die EU-Kommission jährlich zur wirtschaftlichen Koordinierung der Mitgliedsstaaten durchführt. „Österreich steht vergleichsweise gut da, was vor allem auch an der starken Stellung der KMU im Land liegt“, sagt der Vertreter der EU-Kommission in Österreich, Richard Kühnel. „Allerdings müssen die Unternehmen ihre Mitarbeiter stärker zu den Vorteilen der EU-Mitgliedschaft informieren.“ Vor dem Hintergrund des Europäischen Semesters hat die EU-Kommission eine Umfrage unter mehr als 400 österreichischen KMU durchführen lassen. Dabei wird deutlich, dass Österreichs KMU sehr stark vom Binnenmarkt der EU profitieren. Mehr als die Hälfte (53 %) der befragten kleinen und mittleren Unternehmen sind im EU-Ausland aktiv und rund zwei Drittel (68 %) sehen den europäischen Binnenmarkt als Vorteil. Mehr als jedes zehnte Unternehmen nutzt EU-Förderungen, wobei größere Unternehmen stärker als kleinere davon Gebrauch machen. Damit sind die KMU – als Rückgrat der österreichischen Wirtschaft – Profiteure der EU-Mitgliedschaft.

Im Hinblick auf ein noch stärkeres Engagement (42 %) im EU-Ausland sind diese Ergebnisse ein deutliches Zeichen für die Bedeutung des EU-Marktes. Studienleiter Harald Pitters: „Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung sehen die österreichischen Unternehmen die EU durchaus positiver. Im Zentrum stehen dabei vor allem die Vorteile des Binnenmarktes und zukünftige Chancen, während hingegen der bürokratische Aufwand etwa für Förderungen kritisiert wird.“ Richard Kühnel betont, dass Entbürokratisierung im Sinne einer besseren Regulierung Priorität für die EU habe. So seien mit dem REFIT-Programm der EU allein in den letzten zehn Jahren 660 Initiativen zur Vereinfachung von Rechtsvorschriften erlassen, der Verwaltungsaufwand für KMU zwischen 2007 und 2010 um mehr als ein Viertel gesenkt worden und weitere Erleichterungen für KMU im Verwaltungsbereich mit bis zu fünf Milliarden Euro Einsparungen geplant. „Die EU-Kommission hat das Problem schon seit langem erkannt und will vor allem KMU in Europa weiter entlasten. Allerdings gibt es auch auf nationaler Ebene großes Potential der Entbürokratisierung, das im Rahmen von Reformen genutzt werden sollte“, meint Kühnel – und kann sich damit wohl der Zustimmung der LOGISTIK EXPRESS-Leserinnen und -Leser gewiß sein.

Immer im Fokus: das liebe Geld
Nicht weniger als rund 1700 Klein- und Mittelbetriebe hat vor kurzem die Creditreform hinsichtlich der Zahlungsmoral ihrer Kunden befragt. Demnach hat sich das Zahlungsverhalten der Kundschaft des Mittelstandes in den letzten Monaten leicht verschlechtert. Einige Kunden versuchen weiterhin, einen Teil ihrer eigenen Belastungen durch Zahlungsverzögerungen abzumildern. Wie schon im Herbst 2012, so können auch heuer gut zwei Drittel der Unternehmen im Schnitt spätestens nach 30 Tagen einen Zahlungseingang verbuchen. Gut jeder fünfte Mittelständler musste sich bis zu 60 Tage gedulden, bevor seine Arbeit bezahlt wurde. Eine äußerst schlechte Zahlungsmoral ihrer Kunden mussten insgesamt 14 % (+2,2 Prozentpunkte) der Betriebe hinnehmen. Sie warteten bis zu 90 Tage oder gar darüber hinaus auf das Geld ihrer säumigen Kundschaft.

Am meisten betroffen von der schlechten Zahlungsmoral ihrer Kunden sind nach wie vor kleine Unternehmen mit maximal 10 Mitarbeitern. Hier muss knapp ein Viertel der Befragten mit einem Minus in Höhe von mehr als 1,0 % des Umsatzes kämpfen. Da kleine Firmen oft nicht über nennenswerte Kapitalreserven verfügen, kommen sie bei einem Forderungsausfall in dieser Höhe oft an ihre finanziellen Grenzen.

Unterschiedliche Zahlungsmoral
Am zufriedensten sind Handel und Dienstleistungen mit dem Zahlungsverhalten ihrer Kunden. In diesen Branchen konnten 70 % der befragten KMU bis spätestens 30 Tage nach Rechnungsstellung einen Zahlungseingang feststellen. Die schlechtesten Erfahrungen mit der Zahlungsmoral ihrer Kunden machte in den letzten Monaten das Baugewerbe. Hier warteten über 13 % der Betriebe bis zu 90 Tage auf die Begleichung ihrer Rechnung, 5,5 % sogar mehr als drei Monate. Eine ähnliche Entwicklung gab es beim Verarbeitenden Gewerbe. Hier lag der Anteil derer, die bis zu 90 Tage lang offene Forderungen bei ihren Kunden stehen hatten, bei 11 % und mehr als drei Monate warteten 7 % der Befragten auf den Zahlungseingang.

KMU in Tirol, der Steiermark und in Oberösterreich sind mit der Zahlungsmoral ihrer Kunden am zufriedensten. In Kärnten, Salzburg und Niederösterreich hingegen sind die Unternehmen vermehrt mit schlechten/unpünktlichen Zahlern konfrontiert.

Der Anteil der Unternehmen, die Forderungsverluste hinnehmen mussten, hat sich binnen Jahresfrist leicht verringert. Mit 17 % ist der Anteil der Betriebe, die sich über die Begleichung aller Rechnungen freuen konnten, nahezu identisch mit dem Vorjahreswert. In den Segmenten Forderungsverluste bis maximal 1,0 % des Gesamtumsatzes haben sich die Werte insgesamt verringert. Bei den Verlusten bis 0,1 % sank der Anteilswert sogar von 32 % im Vorjahr auf heuer 26 %. Lediglich bei den Unternehmen, die Zahlungsverluste über 1,0 % ihres Umsatzes zu verbuchen hatten, gab es eine Steigerung von 10,3 % auf 11,9 %.

Gut jeder fünfte Betrieb der Dienstleistungsbranche und des Verarbeitenden Gewerbes konnte sich in den vergangenen Monaten über die gute Zahlungsmoral seiner Kunden freuen und musste keine Erträge abschreiben. Beim Baugewerbe war es dagegen nur jedes sechste Unternehmen und beim Handel lediglich jedes zehnte. Auch bei den Betrieben, die Verluste von mehr als 1,0 % ihres Umsatzes zu beklagen hatten, liegt das Verarbeitende Gewerbe an erster Stelle. Fast jeder fünfte Betriebe (+6 Prozentpunkte)) dieser Branche war davon betroffen, beim Baugewerbe waren es über 13 % der Unternehmen (+4 Prozentpunkte). Der Anteil in den Branchen Handel und Dienstleistungen liegt bei den Zahlungsausfällen über 1,0 % des Umsatzes noch im einstelligen Bereich und hat sich binnen Jahresfrist erhöht.

Conclusio: KMU haben aus der Krise gelernt
„Die fast permanente Krisenberichterstattung hat die heimischen Unternehmen vorsichtiger werden lassen“, sagt Creditreform-Geschäftsführer Rainer Kubicki. Dazu kommt ein verschärfter Zugang zu Bankkrediten, der den Lieferantenkredit wichtiger werden lässt. „Diese beiden Faktoren führen dazu, dass sich Unternehmen heute stärker um die Zahlungseingänge kümmern.

Lange Außenstände kann man sich in anspruchsvollen Zeiten eben nicht mehr leisten. Kubicki: „Wer liefert und leistet, möchte auch alsbald sein Geld dafür haben. Schließlich ist ein Geschäft erst dann abgeschlossen, wenn das Geld am eigenen Konto eingelangt ist. Langes Warten oder gar Forderungsverluste schädigen die eigene Liquidität und Bonität.“

Bankkredite für KMU nicht mehr erste Wahl
„Kleine und mittlere Unternehmen, die eine Wachstumsfinanzierung suchen, haben mit einem schwierigen Umfeld zu kämpfen“, bestätigt Arno Langwieser, Geschäftsführer des aws Mittelstandsfonds. „Die Eigenkapitalausstattung der Unternehmen ist im europäischen Durschnitt erschreckend schwach und auch Banken werden bei der Kreditvergabe immer restriktiver.“ Andreas Reinthaler, Geschäftsführer der M27 Finance GmbH, sieht eine Trendwende – weg vom Bankkredit: „Es geht darum, einen optimalen und nachhaltigen Finanzierungsmix für ein Unternehmen zu finden. Die Zeiten der exzessiven Darlehensvergabe sind vorbei. Neue Finanzierungsformen werden daher künftig noch stärker nachgefragt werden.“

Eher unerwartete Schützenhilfe bekommen die heimischen KMU ausgerechnet vom CEO der Raiffeisen Bank International. Auf dem Eastern Partnership Business Forum in Vilnius am 28. 11. hat Karl Sevelda für eine deutliche Verbesserung der KMU-Finanzierung geworben. „Den zukünftigen Engpass wird wahrscheinlich nicht die Finanzierungsseite der Banken, sondern ihre Risikotragfähigkeit bilden. Um die KMU in Europa zu unterstützen, ist eine enge Zusammenarbeit zwischen den internationalen Finanzinstitutionen, den europäischen Institutionen, den nationalen Aufsichtsbehörden sowie den Kommerzbanken entscheidend.“

Sevelda präsentierte sechs konkrete Vorschläge, um die Finanzierung von KMU zu verbessern: • Weitere Implementierung von Instrumenten zur Risikobegrenzung, z. B. Garantien oder Verbriefungen von internationalen Finanzinstitutionen für KMU und MidCaps • Zugang zu IFI-Finanzierungs- und Risikoteilungs-Instrumenten auch für kleinere Banken, die sehr aktiv in der KMU-Finanzierung sind • Anerkennung von Risikoteilungs-Instrumenten als regulatorische Eigenkapitalentlastung, um diese Instrumente effizienter zu gestalten und letztlich zu einer Entlastung der Banken zu führen • Anerkennung des Bankensektors als strategischen Partner der IFIs, anstatt ihn nur auf einen reinen Finanzierungskanal für die Wirtschaft zu reduzieren • Deutliche Vereinfachung der vorhandenen Finanzierungsinstrumente sowie die Reduzierung des bürokratischen Aufwands, z. B. bei Antragsformularen, Dokumentation und rechtlichen Rahmenbedingungen • Entwicklung von Instrumenten zur Stärkung der Eigenkapitalausstattung von KMU, insbesondere von Start-up-Unternehmen

Mitarbeiter im Mittelpunkt
Die richtigen Mitarbeiter zu gewinnen und zu binden, hat für heimische KMU in den kommenden Monaten Top-Priorität. Das ist das Ergebnis einer Studie, die Software-Hersteller Sage vor kurzem in 17 Ländern der Erde unter mehr als 11.000 kleinen und mittleren Unternehmen durchführte, wobei hierzulande 240 Unternehmen an der Studie teilgenommen haben. Benigna Prochaska, Geschäftsführerin von Sage in Österreich: „Seitdem sich die weltweite Wirtschaft erholt und Unternehmen wieder anfangen, Vertrauen in die eigene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu haben, ist auch der Kampf um die besten Talente neu entbrannt. Denn wer als Unternehmen wachsen will, braucht begabte und qualifizierte Mitarbeiter – und diese sind gerade für kleinere und mittelständische Unternehmen häufig nicht leicht zu finden.“

Einen gegenteiligen Trend sieht im Mitarbeiterbereich die Creditreform: Wie bei der Umsatz- und Auftragsentwicklung zeige sich aktuell eher eine negative Tendenz, jedes fünfte Unternehmen habe vor kurzem Personal abgebaut. Und zu den Erwartungen für die kommenden sechs Monate befragt, gab lediglich jedes 9. Unternehmen an, neue Mitarbeiter einstellen zu wollen. Hingegen will fast jeder 6. Betrieb sich von einem Teil seiner Belegschaft trennen. Somit bleibt die zukünftige Personalentwicklung (im dritten Jahr in Folge) im negativen Saldo und auch für die kommenden Monate werden die KMU laut Creditreform kein wesentlicher Jobmotor sein. Die meisten Personalzugänge sind derzeit im Dienstleistungssektor geplant, das witterungsabhängige Baugewerbe bildet hier erwartungsgemäß das Schlusslicht. Für eine Trendwende sind flexiblere Arbeitszeiten, maßvolle Lohnabschlüsse und die Konjunktur stimulierende Maßnahmen sowie eine Steuerpolitik, die den privaten Konsum nicht zu sehr an die Kandare nimmt, zu wünschen. (PJ)

Quelle: LOGISTIK express Fachzeitschrift 4/2013

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