Gezielter zum Kunden: Forscher optimieren Lieferketten auch bei Engpässen
Hersteller von Sachgütern würden all ihre Kunden am liebsten sofort und nach Wunsch beliefern. Doch das geht nicht immer: Manchmal ist die Nachfrage höher als erwartet, oder es kommt aus anderen Gründen zu Lieferengpässen. Dann müssen sie entscheiden, welche Kunden bevorzugt ihre Waren erhalten sollen.
Das ist in der Praxis oft ein Problem. „Große Unternehmen fassen ihre Kunden über mehrere Ebenen immer weiter zusammen, um die Verteilung von Produkten zu managen“, erklärt Prof. Dr. Meyr, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Hohenheim. „Die Kunden werden also in Gruppen aufgeteilt, zum Beispiel nach Regionen, und Kundenbetreuern zugeordnet. Diese fassen die Information zu allen Kunden in ihrem Segment zusammen und leiten sie weiter an die nächsthöhere Ebene.“
Doch um zu entscheiden, welche Kundengruppen wieviel Waren erhalten sollen, muss ein Entscheider selbst auf der höchsten Ebene ein genaues Bild darüber haben, wie wichtig die einzelnen Kunden für das Unternehmen sind – und diese Information geht auf dem Weg nach oben verloren.
Wichtige Kunden sollten bevorzugt beliefert werden
Für eine Gruppe mit wichtigen und weniger wichtigen Kunden wird ein Durchschnitt ermittelt und weitergegeben. Daraus geht aber nicht hervor, ob eine Kundengruppe im Durchschnitt aus vielen unwichtigen und wenigen sehr wichtigen Kunden besteht oder aus lauter mittelwichtigen Kunden.
Bei der Frage, welche Gruppen im Fall eines Lieferengpasses bevorzugt behandelt werden, ist dies aber ein bedeutsamer Faktor, betont Prof. Dr. Meyr: „Es könnte sich für ein Unternehmen auszahlen, strategisch wichtige Kunden bei Engpässen bevorzugt zu beliefern.“
Gezielte Informationen statt Big Data
„Natürlich erscheint es im Zeitalter von Big Data naheliegend, einfach alle Informationen ungebündelt über die Ebenen weiter zu reichen“, überlegt Prof. Dr. Meyr. „Doch das ist nur selten möglich und erwünscht.“ Um das Dilemma zu lösen hat er gemeinsam mit seinem wissenschaftlichen Mitarbeiter Dr. Jaime Cano-Belmán nach einem Mittelweg zwischen der Datenflut von Big Data und dem Herunterbrechen auf einen Durchschnittswert gesucht.
Und die beiden Forscher sind fündig geworden: Eine neue Größe, die sie in die mathematischen Modellrechnungen zum Lieferketten-Management einspeisen, löst das Problem. „Damit erhalten wir Aufschluss über die Wichtigkeit einzelner Kunden innerhalb einer Gruppe, anstatt nur einen Durchschnitt zu erfahren“, erläutert Dr. Cano-Belmán.
Austausch und Erweiterung mit Projektpartnern
Unter der Prämisse einer sicheren Nachfrage klappt die Modellrechnung bereits recht gut. Im nächsten Schritt kommen die Projektpartner ins Spiel: Prof. Dr. Richard Pibernik von der Universität Würzburg und Prof. Dr. Moritz Fleischmann von der Universität Mannheim arbeiten an Modellen mit unsicherer Nachfrage und untersuchen die Bedeutung von Prognosefehlern.
Demnächst wollen die drei Arbeitsgruppen ihre Modelle zusammenführen und miteinander vergleichen.
Quelle + Bildquelle: Universität Hohenheim