Humor ist (auch) Macht


Essay

Wirtschaft muss wohl eine todernste Angelegenheit sein – glauben zumindest jene, die von Wirtschaft keine Ahnung haben. In der Tat rennen heutzutage viele, die brav am täglichen Volksmarathon um alle möglichen Arten von Zuwachs teilnehmen, bevorzugt mit griesgrämigen Gesichtern herum, in die sich so gut wie niemals ein Grinsen verirrt. Sie erwecken in Büros, Läden oder Werkshallen den Eindruck, als hätten sie zwischen 9 und 17 Uhr absolut nichts zu lachen – und wenn schon, dann erledigen sie das tunlichst in irgendeinem Keller.

Ihr mühevoller Job verlangt diesen armen Teufeln offenbar alles ab – Kraft, Kondition, Kreativität sowie Kompetenz – und dieses alles ist in der Regel einfach zu viel, um halbwegs locker zu bleiben. Der belastende Dauerstress löst massenhaft Monotonie, Ängste, Schwermut oder Depressionen aus, was unweigerlich zum berühmten Burn-out-Syndrom führt. Die vermeintliche Tretmühle Arbeitsplatz scheint kaum mit jener lebensrettenden Grundeinstellung kompatibel zu sein, die laut Wilhelm Raabe als „Schwimmgürtel auf dem Strom des Lebens“ fungiert – Humor. Das ist, wie wir alle wissen, wenn man trotzdem lacht.

Droge Lachen

Im Prinzip könnte alles ganz einfach funktionieren: Ein klasser Witz etwa regt, wie Neurowissenschafter der Stanford-Universität in Palo Alto/Kalifornien unlängst mittels Magnetresonanztomografie nachweisen konnten, dieselbe Gehirnregion an wie ein Schuss Kokain – nämlich den Nucleus accumbens. Dieser schüttet bei jedem herzhaften Lachen wie auf Kommando den Wohlfühl-Botenstoff Dopamin aus und steuert somit emotionale Reaktionen – man fühlt sich einfach happy, und das reduziert sogar die Schmerzempfindlichkeit.

Lachen ist – Überraschung! – natürlich gesund. Es verbessert nicht nur die so genannte Grundstimmung und die psychische Verfassung eines Menschen, sondern senkt auch seinen Blutdruck. Die Muskeln entspannen sich dabei, und der Sauerstoffgehalt im Blut steigt. Die Gehirnaktivität verschiebt sich von links nach rechts – und diese Hälfte ist für Emotionen zuständig. Somit werden Sorgen oder Ängsten der Kampf angesagt.

Das einzige Dilemma besteht darin, dass die meisten Arbeitstiger einfach zu selten lachen. Die Wissenschaft hat nachgezählt: Während man es als Kind pro Tag bis zu 400-mal tut, vergeht’s einem mit der Zeit – denn als Erwachsener lacht man im Schnitt nur noch 15-mal. Oder gar nicht – manche bleiben überhaupt todernst.

Distanz zum Ego

Verdammt schade, dass mit dem Berufsleben so häufig nicht eben besonders positiv besetzte Begriffe wie Aggression, Autorität, Bürokratie, Druck, Egoismus, Kontrolle oder Willkür assoziiert werden – durch die Bank unsympathische Vokabel, die zum Wortfeld „Macht“ gehören. Und Macht hat normalerweise rein gar nichts mit Humor zu tun: Ein Chef hat – so das immer noch gängige Klischee – zu schreien, aber nicht gute Laune zu verbreiten.

Weg vom Alltagstrott

Die wenigsten Zeitgenossen sind jedenfalls in der Lage, acht bis zehn Stunden Büroalltag als veritable Hetz‘ zu erleben. Im Normalfall stumpft man also ab, wird griesgrämig, verbissen, lässt sich vom Alltagstrott besiegen und verzieht keine gute Miene mehr zum angeblich so bösen Spiel. Doch genau hier müsste man ansetzen: Denn nur jene Menschen, für die Arbeit nicht bloss eiserne Pflicht, sondern zugleich auch elegante Kür ist, weil Arbeit halt irrsinnig Spass machen kann, befinden sich zumeist in der glücklichen Lage, die Dinge lockerer, nicht so furchtbar eng zu sehen. Solche Menschen verstehen es, Abstand zu gewinnen zum täglichen Konditionstest in der Firma. Sie nehmen in der Regel nicht alles so tierisch ernst. Sie haben mit der Zeit gelernt, auch sich selbst bisweilen aus der nötigen Distanz zu sehen.
Und: Sie lachen nicht nur als Privatperson vorm Fernsehapparat, im Kabarett oder beim Heurigen, sondern durchaus gerne auch im Büro, während der Arbeitszeit. Ein Lächeln schafft Nähe zu anderen und zugleich Distanz zu etwaigen Problemen.

Jeder Boss weiss, dass ihm das etwas bringt: Zwei, drei echte Lachwurzen in der Belegschaft können rasant das Betriebsklima verbessern – und das wiederum stärkt die interne und externe Effizienz des Unternehmens schlagartig. Die angeblich so nüchterne Wirtschaftswelt bietet jedenfalls mehr Freiräume für das Lebenselixier Humor, als man denkt – diese müssten bloss mehr genutzt werden.

Macht über das Ich

„Ein Mensch ohne Lächeln sollte keinen Laden aufmachen“, haben schon die alten Chinesen gewusst. Humor – gemeint ist hier durchaus mehr als ein freundliches Grinsen – war halt immer schon eine ebenso ideale wie unersetzliche Strategie, um sein eigenes Dasein – und auch das anderer – angenehmer, lockerer, einfacher zu machen.

Die Grundeinstellung, das Leben eher von der heiteren Seite zu nehmen, hat mit Leichtigkeit, Entspanntheit, Optimismus und Aufgeschlos-senheit zu tun; sie verleiht viel Energie, und nicht zuletzt bedeutet sie auch – Macht. Keine politische, keine wirtschaft-liche Macht zwar, auch keine Macht über andere, sondern die vielleicht wichtigste Form von Macht, die es heutzutage gibt – Macht über sich selbst. Egal, ob man Chef ist oder nicht – eines ist klar: Nur jemand, der sich selbst hundert-prozentig im Griff hat bzw. mit sich selbst im Reinen ist, wird im Regelfall auch Einfluss auf andere haben können.

PS: Ein Trost für absolut hoffnungslose Fälle: Es gibt einschlägige, relativ simple Yoga-Übungen, die Ihre Lachmuskeln trainieren; und obendrein kann man auch schon regelrechte Lach-Seminare buchen.

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