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Im Spannungsfeld zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Beim 11. ECR-Tag der Standardisierungsorganisation GS1 Germany waren sich die Experten einig: Kooperationen sind notwendig, um die logistischen Abläufe effizienter und umweltfreundlicher zu gestalten. Offen blieb jedoch an manchen Stellen, wie sich Wunsch und Wirklichkeit miteinander vereinbaren lassen.

Bis vor kurzem war „das beste Waschmittel“ noch jenes mit dem besten Image, der besten Waschleistung und dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis. Diese Faktoren wirken heute noch immer. Allerdings wird das Markenbewusstsein der Kunden in jüngster Zeit immer stärker noch von einer vierten Komponente mitbestimmt: Der Warenverfügbarkeit im Onlinehandel sowie in den Läden. Ist das vermeintliche Lieblingswaschmittel vergriffen, kaufen die Kunden lieber ein anderes, bevor sie sich ein zweites Mal zu Edeka oder REWE auf den Weg machen. Millionenschwere Schäden durch nutzlose Marketingmaßnahmen – für die Markenartikelhersteller sind das die logischen Konsequenzen.  

Ein wirksames Gegenmittel heißt Kooperation. Das wurde auf dem 11. ECR-Tag in Hamburg deutlich. In ihrem Gemeinschaftsvortrag waren sich Dr. Heiko van der Gracht, Direktor des Centers für Zukunftsforschung und Wissensmanagement beim Wiesbadener Supply Chain Management Institute (SMI),  und Alexander Türpitz, Direktor Vertriebslogistik DACH bei Procter & Gamble Germany, einig: „Die Konsumwelt ist im Wandel begriffen – von der Markenexzellenz zur markengeführten Supply Chain Excellence.“  Von der Gracht und Türpitz beriefen sich auf eine Befragung unter Konsumgüterherstellern, Handelsunternehmen, Forschungsinstituten und Logistikern. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die Marke der Zukunft nur dann von Erfolg gekrönt sei, wenn Hersteller, Logistikdienstleister und Händler miteinander strategisch kooperierten und trainierten. Bei Procter & Gamble habe die Umsetzung dieser Erkenntnis bereits begonnen, verriet Türpitz in Hamburg: „Wir arbeiten zurzeit mit Hochdruck am Aufbau einer Supply Chain Academy – einem physischen und virtuellen Ort, an dem Markenartikler, Händler und Logistiker ihre Erfahrungen untereinander austauschen.“

Einen nachhaltigen, in den  Augen mancher Zuhörer vielleicht auch aberwitzig anmutenden Weg der Kooperation schilderte Moritz Gekeler, Miterfinder des visionären Paket-Zustellungskonzeptes „bring.BUDDY“. Dabei handelt es sich um ein innerstädtisches soziales Logistiknetzwerk, das sich in die natürlichen Bewegungsabläufe der Stadtbewohner eingliedert. Wer dem Netzwerk angehört, transportiert auf seinen täglichen Wegen mit der S-Bahn, dem Auto, oder dem Fahrrad die Pakete oder Päckchen für andere.

Via Smartphone in das von der DHL unterstützte System eingeloggt, weiß der Hobbykurier, ob ein Päckchen in einer Packstation oder an einem Kiosk wartet, um auf der gewählten Route mitzureisen. Für jedes transportierte Paket sammeln die Zeitkuriere Punkte. Diese können dann beispielsweise in kostenlose S-Bahn-Tickets, Warengutscheine, oder Gratis-Paketsendungen umwandeln werden. Ob das Konzept aufgeht? Haftungsrechtlich sei das Verfahren durch die Teilnahme der Privatkuriere am Post-Identverfahren auf jeden Fall schon einmal abgesichert, wusste Gekeler beim ECR-Tag zu berichten. Wann es in Deutschland erprobt wird, sei allerdings noch offen.

Offen blieb beim ECR-Tag auch die Frage, ob die von den Experten durch die Bank für gut und notwendig geheißenen Unternehmenskooperationen in Zukunft wirklich auch so weit gehen werden,  dass sich selbst Wettbewerber gemeinsam für mehr Energieeffizienz einsetzen. Prof. Kai Hoffmann, Director Logistics School an der Europäischen Fernhochschule Hamburg ist skeptisch: „Für eine Bündelung der Warenströme müssten die Händler Lagerstandorte aufgeben“, meinte der Wissenschaftler. Ob sie dazu bereit sind, sei alleine schon der hohen Kosten wegen fraglich. Jörg Pretzel, Geschäftsführer von GS1 Germany, gab sich in Hamburg dennoch kämpferisch: „Wir versuchen als GS1, alle möglichen Kooperationen der Unternehmen bei Transporten und beim Warehousing zu unterstützen.“ Denn Nachhaltigkeit – das sei das wichtigste Bindeglied zwischen Industrie, Handel, Logistikern und Kunden.  (WAL)

Logistik express Redaktion: Karin Walter

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