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Mensch vs. Roboter – wer gewinnt?

Im Film „Terminator“ konnten die Menschen erst gewinnen, als sich ein umgepolter Roboter auf ihre Seite geschlagen hat. Zum Glück ist das nur Science-Fiction, in unserer Realität werden Roboter eingesetzt, um Menschen zu unterstützen und Routinearbeiten zu übernehmen. Doch sind die modernen Industrieroboter dem Menschen in jedem Bereich überlegen?

Gerade in großen Kommissionierbereichen, wo große Stückzahlen der gleichen Produkte rasch umgeschlagen werden, kommen gerne Portalroboter zum Einsatz. Doch in vielen Betrieben wird auf den Einsatz des „stummen Helfers“ verzichtet: „zu teuer, zu unflexibel, ungeeignet“ lautet oftmals der Tenor der Begründung. Doch ist diese Anschauung noch aktuell? Logistik express hat sich mit zwei Experten über Robotik, deren Möglichkeiten und auch Grenzen unterhalten.

Hürde Komplexität
Ein Unternehmen, dessen Ausrichtung sich schon am Namen unschwer erkennen lässt, ist die RO-BER Industrieroboter GmbH. Geschäftsführer Dr. Hans Gerd Severin macht vor allem einen Faktor für die eher zögerliche Verbreitung der Robotertechnik verantwortlich: „Der breite Einsatz scheitert an konzeptionellen Mängeln. Je komplizierter man etwas plant, desto teurer wird es, und dann ist es nicht mehr wirtschaftlich.“ Als Beispiel nennt er den Anwendungsfall Frischelogistik: „Portalroboter eigenen sich wunderbar zur Automatisierung von Handhabungs- und Verpackungsaufgaben in der Frischelogistik. Unter der Nutzung eines bewährten und ausgereiften Roboterkonzeptes lassen sich selbst komplexe Prozesse ohne Realisierungsrisiko und mit maximaler Zuverlässigkeit im täglichen Betrieb wirtschaftlich realisieren“. Voraussetzung hierfür sei der Entwurf eines technischen Konzeptes bei gleichzeitig einfacher Gestaltung der Randbedingungen der Prozesse.

Knackpunkt Greifarm
Die Vielzahl an Produkten ist schier unendlich, was Größe, Gewicht und Materialeigenschaften anbelangt. „Wenn es Grenzen bei Einsatzgebieten gibt, liegen diese weniger an der Robotik generell, als an der Greiftechnik“, sagt Dipl.-Ing.(FH) Thomas Hopfner, Gebietsrepräsentant bei der ABB AG. „Ein Roboter ist nur so gut wie sein Werkzeug. Im Hintergrund entstehen die Grenzen durch die Steuerungstechnik und –logik, allerdings verschwinden diese zum Glück immer mehr“, fährt er fort.
Dass eine unverpackte Kristallfigur oder eine Traube sich nicht gleich gut greifen lassen wie ein Buch, liegt in der Natur der Sache.

Hier hakt auch Severin ein: „Automatische Prozesse verlangen eine automatisierbare Gestaltung der Produkte und Verpackungen. Das beginnt mit der Qualität – etwa eine stabile Verklebung – und reicht bis zu kleinen Gestaltungsdetails, wie beispielsweise die Form der Einstapelöffnung. Zwar werden in der Entwicklung stets Fortschritte gemacht, die Kombination aus geschultem menschlichen Auge mit der Beweglichkeit einer Hand ist momentan jedoch noch unerreicht, weswegen sich die Automatisierung bei sehr vielen unterschiedlich beschaffenen Produkten als derzeit meist noch zu komplex und kompliziert darstellt.

Teil des Ganzen
Betrachtet man ein Lager, nimmt der Roboter nur einen geringen Part in Anspruch: „Der Roboter ist nur ein kleines Rädchen der Automatisierungskette“, bestätigt Hopfner, „deswegen greifen viele Anlagenbauer auch noch nicht darauf zurück, weil sie noch nicht so verbreitet sind. Allerdings steigen generell die Stückzahlen, und somit wird auch der Preis langsam interessanter. In den letzten zehn Jahren ist die Komponente Roboter um etwa ein Drittel günstiger geworden.“ Im Jahr 2009 allerdings gab es in Österreich laut IFR Statistical Department (IFR, International Federation of Robotics, Anm.) aufgrund der Krise einen leichten Einbruch bei den ausgelieferten Industrierobotern auf 508 Stück, im Jahr davor waren es noch 638 gewesen. Insgesamt waren allerdings österreichweit 5.398 Industrieroboter in Betrieb – davon 164 im Bereich Palettieren, 51 im Bereich Kommissionierung und Verpackung. Der Rest verteilt sich auf sämtliche Branchen und Industrien, von Spritzguss bis zu Laserschnittanlagen. Vergleicht man diese Werte mit der Gesamtzahl der Läger in Österreich, ist noch viel Luft nach oben gegeben.

Freund des Menschen
Auf dem Gebiet der Kommissionierung gibt es viele Produkte und Arbeitsschritte, die für einen Menschen sehr fordernd und anstrengend sind. Ein gutes Beispiel hierfür sind Getränkekisten, die zu heben eine starke Belastung darstellt. Ein Roboter hingegen bekommt keine Wirbelsäulenprobleme und hält die Arbeit problemlos an 7 Tagen die Woche viele Stunden ohne Pause durch. Vergleicht man dies mit dem Personalaufwand für einen Mehrschichtbetrieb, kann ein Industrieroboter eine durchaus lohnende Anschaffung sein. Aber nicht nur das Gewicht der Produkte ist ein Faktor, wo ein Roboter eine Arbeitserleichterung darstellt: man denke etwa an andere „menschenfeindliche“ Umgebungen wie Kühlanlagen oder explosive Stoffe. „Wir haben viele Anfragen aus der Tiefkühlproduktion“, bestätigt Severin. Witziges Detail: „In Österreich werden Roboter im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern stark in Nischen eingesetzt, wie zum Beispiel bei Eiswürfeln“, erzählt Hopfner. Bedenkt man mögliche Krankenstände und andere Ausfälle, bietet ein Roboter durchaus Vorteile, wie er weiß: „Nimmt man den Roboter und seine Steuerung zusammen, liegt die durchschnittliche Verfügbarkeit bei 99 Prozent. Selbst bei maßgeschneiderten Einzelanlagen erreichen wir 95 Prozent.“ Aber es fallen ihm auch Situationen ein, wo sich eine solche Anlage wirtschaftlich nicht rechnet: „Bei Produktionen, wo es starke saisonale Schwankungen und Spitzen gibt, wie etwa bei Krapfen zur Faschingszeit, ist es stets günstiger, Mitarbeiter einzusetzen.“

Faktor Steuerung
Wie schon erwähnt wurde, ist jeder Roboter nur so gut wie die dahinterliegende Steuerungselektronik. Als Nummer Eins in Österreich weißt ABB, worauf es ankommt: „Es ist absolut notwendig, nicht nur die Roboter selbst zu bauen, sondern auch die Logik und Steuerung selbst zu entwickeln. Andernfalls wird man nie das perfekte Zusammenspiel erreichen, das für die spätere Feinfühligkeit ausschlaggebend ist“, ist Hopfner überzeugt.

Natürlich hängt auch viel vom zukünftigen Einsatzgebiet ab. „Wichtig ist es, das ideale Systemdesign zu finden“, so Severin. „Um hier ein echtes Optimum zu finden, ist eine sorgfältige Analyse aller Mengenströme über die Zeit erforderlich. Erfolgsbestimmend für die Auslegung sind auch die Redundanz bzw. Leistung der Komponenten.“

Gab es sie schon lange in der Produktion, halten Roboter nun auch langsam in der Kommissionierung und Lagerung Einzug. Abhängig von den Rahmenbedingungen, der Artikelvielfalt und Stückzahl, muss man in jedem Fall individuell entscheiden, ob sich der Einbau beispielsweise eines Portalroboters in einer vernünftigen Zeitspanne amortisiert. Manchmal erscheint es auch sinnvoll, Ketten zu trennen und den Roboter nur einen Teil der Arbeit übernehmen zu lassen. Denn egal, wie weit die Entwicklung schon ist – ich habe das Gefühl, in manchen Spezialfällen wird der Mensch der Maschine auch in Zukunft überlegen sein. (AT)

Logistik express Redaktion: Angelika Thaler

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