Internationaler Witron-Retail-Kongress in Parkstein

Die Transportkosten steigen stetig, lange Distributionswege werden in Folge dessen immer teurer und damit unattraktiv. Dieser Trend führt dazu, dass  gerade im Handel innovative Strategien in der Distribution zunehmend gefragt sein werden. Wie Unternehmen ihre Logistik ganz gezielt auf kommende Herausforderungen ausrichten können, das stand im Mittelpunkt des internationalen Witron-Handelskongresses am Firmensitz in Parkstein. Anwender und Experten standen gut 130 Gästen aus zwölf europäischen Ländern mit ihrer Praxiserfahrung zur Verfügung.

 

Von Thomas Wöhrle*

 

Für den Handel gelten schon immer sehr spezifische Marktbedingungen. Nicht nur dass die Unternehmen mit ausgesprochen knappen Margen in ihrem tagtäglichen Geschäft kalkulieren müssen. Auch ist der Markt in Deutschland beziehungsweise Westeuropa in den vergangenen 20 Jahren im Prinzip kaum gewachsen. „Durch den kontinuierlich  gleich gebliebenen Gesamtumsatz der Branche sind die Unternehmen verstärkt dazu gezwungen, ihre Kostenstrukturen nachhaltig zu optimieren und sich so Wettbewerbsvorteile zu sichern“, erklärte Marco Atzberger, Mitglied der Geschäftsleitung beim Kölner EHI Retail Institute, zu Beginn der Veranstaltung. „Dabei werden in Zukunft aus unserer Sicht vor allem die stetig steigenden Transportkosten handelslogistische Prozessabläufe grundlegend verändern.“ Lange Distributionswege würden zunehmend teurer. Strategien zur Regionalisierung von Distributionszentren als Folge dessen werden daher vermehrt umgesetzt.
 

Ein weiterer ganz entscheidender Trend sei, dass aufgrund der demografischen Entwicklung Konsumenten und Arbeitskräfte immer älter würden. Dies hat nicht nur große Veränderungen im Käuferverhalten selbst zur Folge, sondern verlangt auch nach einer wesentlich höheren Ergonomie und Arbeitsplatzqualität in den Logistikzentren. „Wir stellen fest, dass derzeit rund drei Viertel aller Handelsunternehmen in Deutschland konkrete Anstrengungen unternehmen, ihre Logistikprozesse weiter zu automatisieren“, so Atzberger weiter.

 

Nachhaltigkeit, Ergonomie und Energieeffizienz werden immer wichtiger

Eine solche Automatisierung der Logistikprozesse im Lager und in der Kommissionierung bietet vielfältige Möglichkeiten zur nachhaltigen Kostenreduzierung. Der Parksteiner Logistikplaner und Generalunternehmer Witron Logistik + Informatik GmbH hat hierzu im Rahmen seiner im Juni durchgeführten Kongressveranstaltung für den Handel ganz konkrete Lösungen anhand von Praxisbeispielen aufgezeigt, wie Händler und Hersteller ihre Supply Chain optimieren und so ihre Marktposition langfristig sichern oder sogar weiter ausbauen können. Im Mittelpunkt der mit gut 130 Gästen aus 12 Ländern komplett ausgebuchten Veranstaltung standen dabei teil- beziehungsweise vollmechanisierte Logistik-Konzepte, die exakt auf die zukünftigen Herausforderungen des Handels zugeschnitten sind. „Für uns spielen vor allem die Themen Nachhaltigkeit, Ergonomie und Energieeffizienz eine zentrale Rolle“, sagte Witron-Geschäftsführer Helmut Prieschenk. „Und natürlich steht über alldem die absolute Notwendigkeit, dass Kunden mit unseren Systemen wirtschaftlich erfolgreich sind.“
 

„Vor allem aufgrund der demografischen Entwicklung und der wachsenden Verfügbarkeit technischer Lösungen wird der Druck auf die Unternehmen zunehmen, bezüglich der Ergonomie neue Wege zu gehen“, erklärte Prof. Dr. Günter Kummetsteiner von der Hochschule Amberg-Weiden, der das Thema Ergonomie von der wissenschaftlichen Seite betrachtete. „Zwar ist der gesetzliche Druck in Deutschland – im Gegensatz etwa zu den skandinavischen Ländern – aktuell noch nicht so hoch, in absehbarer Zeit wird sich das aber mit Sicherheit ändern.“ Durch eine Verbesserung der ergonomischen Arbeitsplatzbedingungen in den Distributionszentren ergeben sich nach seiner Ansicht für Unternehmen große Chancen. Eine erhebliche Reduzierung der krankheitsbedingen Ausfallzeiten, die langfristige Erhaltung der Arbeitskraft von erfahrenen Mitarbeitern, sowie eine höhere Kommissionierleistung und Kommissionierqualität bei gleichzeitig geringerer körperlicher Kraftanstrengungen wären nur einige der positiven Folgen.

 

ETP – TÜV-zertifizierte Arbeitsplatzergonomie

Heute muß ein durchschnittlicher Kommissioniermitarbeiter im Handel ein Gewicht von mehr als zwölf Tonnen am Tag bewegen. Bei einer gleichzeitig täglich zurückgelegten Wegstrecke von etwa zwölf Kilometern bringt dies auf Dauer starke gesundheitliche Belastungen mit sich. Speziell für die Distributionszentren des Lebensmitteleinzelhandels, Regionallager und Schnelldreherlager der Vollsortimenter sowie für die Verteilzentren der Discounter hat Witron aus diesem Grund das Konzept des Ergonomic Tray Picking (ETP) entwickelt. Diese neue teilautomatisierte Lösung für die Kommissionierung von Handelseinheiten ist für das typische Warensortiment des Lebensmitteleinzelhandels konzipiert und stellt eine ideale Kombination aus vollautomatischem Nachschub und ergonomischer Kommissionierung dar. Mit Hilfe von mannbedienten Pick-Shuttles werden Handelseinheiten aus einer Tray-AKL-Pickfront filialgerecht und mit einer hohen Packdichte auf Paletten beziehungsweise Rollcontainer kommissioniert.
 

Neben ETP stellte Witron im firmeneigenen Technologiezentrum Witec auch die mechanisierten Lösungen ATS (Automated Tote System), DPS (Dynamic Picking System), E-DPS (Ergonomic Dynamic Picking System), DPP (Display Palett Picking System), SRS (Shelf Replenishment System) und die dritte OPM-Generation (Order Picking Machinery) vor.

 

Intensiver Erfahrungsaustausch zwischen Gästen und Anwendern

Dass die Witron-Lösungen neben ihrer technischen Innovationsfähigkeit echten Mehrwert für den Kunden bieten, zeigten zahlreiche Praxisvorträge im Rahmen des Handelskongresses. So hat die US-amerikanische Supermarktkette Supervalu mittlerweile bereits an drei Standorten die Witron-Systeme Order Picking Machinery (OPM) bzw. Dynamic Picking System (DPS) installiert. „Unter dem Strich konnten wir schon allein etwa acht Prozent nur aufgrund der wesentlich dichter kommissionierten Paletten einsparen“, so Senior-Logistikchef Greg Heying in Parkstein. „Dies hat sich natürlich äußerst positiv auf unsere Transportkosten ausgewirkt. Wenn man bedenkt, welche Entfernungen in den USA teilweise zwischen Logistikzentrum und den Filialen zurückgelegt werden müssen, konnten wir mit einem solchen Einsparungspotential erhebliche Wettbewerbsvorteile generieren.“

 

Generell hat sich lt. Greg Heying durch die Automatisierung die gesamte Wirtschaftlichkeit und Performance in den Logistikzentren von Supervalu deutlich erhöht. „Dies war auch der Hauptgrund, warum nach dem Hochlauf der ersten Anlage noch die Realisierung von zwei weiteren Standorte bei Witron beauftragt wurden.“
 

Seit Mitte 2008 setzt das niederländische Handelsunternehmen Technische Unie, Teil der französischen Sonepar-Gruppe, DPS in seinem Distributionszentrum in Alphen ein. Bart Schoonderwoerd, Logistikchef bei dem technischen Großhändler für Elektro-, Sanitär- und Installationsbedarf, wies bei der Veranstaltung darauf hin, dass eine effiziente Distribution für sein Unternehmen eine entscheidende Basis für zukünftiges Wachstum sowie zur Steigerung der Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit ist. „Mit dem DPS-System sind wir logistisch optimal aufgestellt um alle Kundenanforderungen zielgerichtet abzuwickeln“, so Schoonderwoerd. „Obwohl erst zwei von drei Realisierungsstufen umgesetzt wurden, kommissionieren wir pro Tag bereits fast 14.000 Kundenbehälter. Desweiteren wird das neue System während des laufenden Betriebes integriert und trotzdem läuft die Versorgung unserer Kunden ohne Beeinträchtigungen weiter“. Auch für die Mitarbeiter bietet die neue Lösung erhebliche Vorteile. „Unsere Kommissionierer mußten früher eine Wegstrecke von fast 20 Kilometern pro Tag zurücklegen. Durch DPS hat sich diese Strecke ganz erheblich reduziert,“ erläutert der TU-Logistikchef auch ergonomische Vorteile.

 

Boots-Lösung wird europaweit prämiert

Eines der logistischen Vorzeigeprojekte in Deutschland ist die Ausstattung des Zentrallagers Hamm-Rhynern der Edeka Regionalgesellschaft Rhein-Ruhr mit OPM und DPS. „Wir wollten mit unserem neuen Lager komplett neue Wege gehen, um unseren Kunden noch bessere logistische Dienstleistungen anbieten zu können. Gleichzeitig sollten sich dabei die Kosten aber nicht erhöhen“, sagte Logistikleiter Thomas Kerkenhoff. „Heute kommissionieren wir rund 85 Prozent der gesamten Menge des Trockensortiments automatisiert über OPM und DPS.“ Dadurch gewinnt Edeka deutlich an Flexibilität und macht einen Schritt weg von einer reinen Lagerhaltung hin zu einem „logistischen Produktionsbetrieb“. An einem Spitzentag werden am Standort Hamm bereits über 535.000 Handelseinheiten kommissioniert. Auch auf Seiten der Einzelhändler ergeben sich Synergieeffekte. „Diese können beispielsweise aufgrund einer nahezu 100%igen Kommissionierqualität auf Wareneingangskontrollen komplett verzichten. Durch die versandgruppengenaue Kommissionierung, angepasst an unterschiedliche Kundentypen, erzielen die Märkte hohe Einsparungen beim Verräumen der Ware ins Regal. Die Inventurverluste im Markt werden durch einen 100%igen Diebstahlschutz für hochpreisige Artikel wie Zigaretten, Alkohol oder Kosmetika stark reduziert“. Das Schlußresümee von Thomas Kerkenhoff ließ keine Zweifel offen. „Wir würden es jederzeit wieder so machen“.

 

Großbritanniens führender Health & Beauty Retailer Alliance Boots ist 2006 in sein erstes Witron-Projekt gestartet mit dem Ziel, die beste Supply Chain für die Branche zu installieren und den Servicelevel zu den Kunden nachhaltig zu verbessern. „Dafür haben wir unser gesamtes Supply-Chain-Netzwerk neu organisiert und vier nationale Distributionszentren und 17 Regionalläger zu einem zentralen Distributionszentrum in Nottingham zusammengefasst“, sagte Logistikdirektor Craig Farina im Rahmen des Handelskongresses. „Wir sind von den Witron-Systemen DPS und CPS (Car Picking System) absolut überzeugt. Neben einer hohen Wirtschaftlichkeit und Kommissionierleistung haben wir damit auch unsere Warenverfügbarkeit im Regal auf einen Rekordwert von über 98 Prozent erhöht. An einem Spitzentag wurden in Nottingham bereits bis zu 6 Millionen Einzelartikel kommissioniert.“ Die umgesetzte Lösung findet mittlerweile im Markt große Beachtung. Nach dem Europäischen Preis für Operational Excellence der SCL Europe und den „Supply Chain excellence award“ des Fachmagazins Retail Week Technology hat Boots gerade ganz aktuell den begehrten Award „Business Initiative of the Year“ des englischen Fachmagazins The Grocer gewonnen – gleichzeitig wurde Witron bei der Veranstaltung in London als „Technology and Logistics Supplier of the Year“ ausgezeichnet. „Gemeinsam mit Witron ist uns die Realisierung eines erfolgreichen Schlüsselprojektes gelungen, mit welchem wir nachhaltige Wettbewerbsvorteile generieren“ lautet das Fazit von Craig Farina.

 

Extrembergsteier Thomas Huber zog Parallelen zwischen Berg und Beruf

Ein ganz besonderes Schmankerl erwartete die Teilnehmer im Rahmenprogramm der Veranstaltung. Der Extrem-Bergsteiger und Medienstar Thomas Huber zeigte in seinem Gastvortrag, wie es gelingt, mit Leidenschaft und Mut augenscheinlich Unmögliches zu erreichen. So hätten sein Bruder und er den Geschwindigkeitsrekord am El Capitan im US-amerikanischen Yosemite-Nationalpark in erster Linie durch die Wahl einer vollkommen neuen Route und die hohe Innovationskraft in der Art des gemeinschaftlichen, auf die Stärken des Einzelnen abgestimmten Kletterns aufgestellt. „Nicht nur am Beispiel des Speedkletterns können innovative Strategien dabei helfen, schneller und besser zu werden“, so Huber in Parkstein. „Das gilt genauso für Unternehmen, die erfolgreich am Markt agieren – sich auf seine Stärken konzentrieren, neue Wege gehen, an ein Ziel glauben, und alle Kraft mobilisieren um dieses Ziel zu erreichen “

 

US-Kongress parallel zur europäischen Veranstaltung

Parallel zu dem Handelskongress in Parkstein fand im Übrigen auch eine Witron-Veranstaltung direkt im Logistikzentrum des kanadischen Lebensmitteleinzelhändlers Sobeys statt. Dieser wurde von der Witron-Niederlassung in den USA veranstaltet. Sobeys, zweitgrößter Lebensmitteleinzelhändler in Kanada, kommissioniert in Toronto seit Mitte 2009 erfolgreich mit dem Witron-OPM-System. Auch hier war die Veranstaltung mit ca. 100 Gästen komplett ausgebucht. Einen Praxisvortrag hielt unter anderem Francois Vimard, CFO von Sobeys sowie Kevin Dougherty, Chief Supply Chain Officer von Kroger, dem zweitgrößten Einzelhändler in Nordamerika. Kroger arbeitet in den USA bereits an sechs Standorten mit den Witron-Lösungen OPM bzw. DPS.

 

Udo Schwarz
WITRON Logistik + Informatik GmbH

Neustädter Straße 21

92711 Parkstein
Tel. +49 (09365 / 8060 25)
Fax. +49 (09365 / 8060 12)
e-mail: uschwarz@witron.de

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar