| |

Is schon still uman See, hear kane Ruadar schlågn, nur de Fischlan springan.

Text: Peter Baumgartner

Mitten im Sommer, es ist Hochsaison in Kärnten. In diesen wenigen Tagen gilt es in vielen Tourismuseinrichtungen – auch in der Schifffahrt auf den Seen, das Geld für den stillen Herbst und Winter zu verdienen. Für die Tourismuswirtschaft eine Zeit, in der buchstäblich jeder Tag zählt und für die von weit her gereisten Gäste soll es die schönste Zeit des Jahres sein. Punktgenau sperrt die Kärntner Landesregierung zu dieser Zeit den wichtigsten See des Landes.

Genau zu dieser Zeit, nach einigen wunderschönen Sommertagen, schlägt das Wetter (oder war es doch das Klima?) in Kärnten erbarmungslos zu. Eine wahre Sintflut bricht über weite Teile Kärntens herein und vertreibt die nicht wetterfesten Touristen. 1000 Einsätze an einem Tag, meldet die Landesalarm- und Warnzentrale. Bewohner müssen evakuiert werden, ganze Ortschaften sind von der Außenwelt abgeschlossen und Bewohner müssen über eine Luftbrücke versorgt werden. Hänge, ja ganze Berge graten ins Rutschen, weil der Boden schon völlig durchnässt ist. Freiwillige Helferinnen und Einsatzorganisation stehen vielfach am Rande ihrer Leistungsfähigkeit. Dass in solchen Ausnahmesituationen auch Fehler passieren, ist nur zu verständlich und verdient jede Nachsicht. Aber Systemfehler dürfen nicht zugedeckt werden um Konsequenzen zu vermeiden. Vielmehr müssen sie aufgedeckt werden, um daraus zu lernen und eine Wiederholung auszuschließen.

Wörthersee Schifffahrt informiert am 7. August 2023 über die Betriebseinstellung.
Quelle: Peter Baumgartner

So eine Fehlentscheidung war die komplette Einstellung der Schifffahrt auf dem Wörthersee am 7. August wegen Gefahr für Schifffahrt und Personen. Die noch verbliebenen Gäste standen bei zunehmender Wetterbesserung vor einem „stillen See“. Zwar wurde diese Fehlentscheidung rasch abgeschwächt, aber der Schaden war angerichtet. Über die Ursachen der amtlichen Saisonunterbrechung wird der Mantel des Schweigens ausgebreitet. Schon nach wenigen Tagen ist Gras drüber gewachsen und im (falschen) System ändert sich nichts. Damit ist der Keim für das nächste Desaster gelegt und kann ungehindert vor sich hin wuchern.

Sogar das 4 kw Bücherboot SELLI musste zwangsweise vor Anker liegen. Wahrscheinlich weil der Katamaran „so viele Wellen“ schlägt. Quelle: Peter Baumgartner

Was genau ist geschehen? Um das zu verstehen, muss man etwas tiefer in die Materie eintauchen und Medienberichte so lesen wie sie gemeint sind, als Ablenkung von den eigentlichen Geschehnissen. Im konkreten Fall wurde die Stilllegung der Schifffahrt am Wörthersee wegen der herrschenden Wettersituation thematisiert und daraus eine unmittelbare Gefahrensituation abgeleitet. Tatsächlich ging es um ein Koordinationsproblem verschiedener Entscheidungsträger. Ein symptomatisches Beispiel für eine überbordende Bürokratisierung, die sich Strukturen zum Selbsterhaltungszweck erschaffen hat und die nur noch durch eine Disruption aufgelöst werden kann.

6.8.2023 – HYDRO Kärnten Pegel Wörthersee 175 cm

Aber der Reihe nach: Wie eingangs beschrieben, herrschte in Kärnten Ende Juli/Anfang August eine Situation, die bedrohlich an die Geschichte mit dem Wörthersee-Mandl erinnerte. Allerdings, betroffene Gebiete wurden unterschiedlich stark überschwemmt. Entstanden ist die Situation jedoch nicht überraschend. Das Wörthersee-Mandl hatte sozusagen auch diesmal rechtzeitig gewarnt. Schon Ende Juli registrierte der Wetterdienst für das Seengebiet und die Drau in Kärnten ein Niederschlagsplus von 70 – 140 Prozent. In Klagenfurt lag die Abweichung vom Mittel im Juli bei 132 Prozent. Bereits am Freitag den 4. August informierte GeoSphere Austria über die zu erwartenden Wassermassen und der See Pegel stieg steil an. Am Samstag den 5. 8., wurden die Wochenend-Prognosen nochmals präzisiert, aber auch bereits Entwarnung für Montag, Dienstag und Mittwoch gegeben.  Am Montag den 7. August war der Wörthersee quasi voll. Das heißt, der Pegelstand kratzte an der Hochwassermarke. Das bedeutet in der Praxis, Akteure am See mussten schon ein paar Tage vor dem 7. August zusätzliche Maßnahmen treffen, um Personen- und Sachschaden zu vermeiden. Am Wörthersee, der zwar der größte See in Kärnten ist, gibt es nur einen amtlichen Pegelwert, der für den gesamten See gültig ist. Am Neusiedler See gibt es beispielsweise sieben Pegelwerte und einen Mittelwert. Es ist bei großen Gewässern normal, dass bei Hochwasser manche Uferbereiche und Infrastruktureinrichtungen überschwemmt werden, andere aber gleichzeitig ungefährdet sind. Was übrigens auch unmittelbar mit der Infrastrukturplanung zusammenhängt.

10.8.2023 – Hydro Kärnten Pegel Wörthersee 176 cm

Um diese Situation unbeschadet beherrschen zu können, dafür gibt es auf Schiffen einen Schiffsführer/Kapitän. Manche meinen zwar, Kapitäne auf Schiffen sind nur da, weil sie in ihren schmucken Uniformen für Passagierinnen nett anzusehen sind. Aber eigentlich tragen Kapitäne eine hohe Verantwortung und sind dafür da, um spezielle Situationen, wie sie am Wörthersee geherrscht haben, richtig einzuschätzen und richtig danach zu handeln (SFVO § 6 – Allgemeine Sorgfaltspflicht). Dafür werden sie in der Regel zwar unterbezahlt, sie sollten aber dafür ausgebildet sein. Jedenfalls gibt es entsprechende Gesetze. Man könnte von Seiten der Behörden den Reedereien und den Kapitänen also durchaus ein berechtigtes Vertrauen entgegenbringen und erwarten, dass vor Ort auch in kritischen Situationen die richtigen Entscheidungen getroffen werden. Außer, und das könnte durchaus auch der Fall sein, man hat begründete Vorbehalte und zweifelt an der Kompetenz des zuständigen Personals. Genau das dürfte für das behördliche Einschreiten am Wörthersee eine Rolle gespielt haben. Am Ossiacher See nämlich, wo die gleichen Verhältnisse herrschten, überließ man die Entscheidung für Sicherheitsmaßnahmen der Schiffsbesatzung. Die hat ihren Job auch anständig gemacht. Sogar die Motorbootfahrer am Wörthersee unterwarfen sich schon am 6.8. (Pegelstand 175 cm) einer Selbstbeschränkung im Interesse der Sicherheit.

6.8.2023 – Ossiacher See-Schifffahrt setzt eigenständig die notwendigen Anpassungsmaßnahmen wegen Hochwasser. Quelle: Nageler Schifffahrt

Als die gesamte Schifffahrt am Wörthersee (7.8. später Nachmittag) zum Stillstand gebracht wurde, war das die alleinige Behördenentscheidung. Kein Reeder, kein Kapitän, kein Touristiker am See wurde involviert. Zumindest wurde es so kolportiert. Entsprechend überrascht klangen die Reaktionen der Betroffenen: Nicht nachvollziehbar, grundlos, mit uns hat niemand gesprochen. Manche hatten noch nicht mal einen Bescheid vorliegen. Tourismus Chef Adolf Kulterer von Klagenfurt schrieb die Verbotsanordnung „gewissen Verwaltungseinheiten“ zu, die dem Kärntner Tourismus in den letzten Jahren schon so viel Schaden zugefügt haben, wie noch nie. Die gesamte Schifffahrt am Wörtersee mitten in der Saison einzustellen, hielt Kulterer für eine überbordende Regulierung. Bei einem hohen Pegelstand von 178 cm wurde komplett eingestellt, aber schon bei zwei Zentimeter weniger, wurden die Verbote wieder gelockert. Am frühen Nachmittag des 9. August teilten die Landesregierung und die involvierten Behörden mit, dass das generelle Fahrverbot „nach reiflicher Überlegung“ wieder aufgehoben wurde. Tags zuvor hatte man angeblich die Situation am See ausgiebig erkundigt. Also nur wenige Stunden nach dem Verbot. Es sollte jedoch weiterhin eine Geschwindigkeitsbeschränkung für Motorfahrzeuge – ausgenommen Linienschifffahrt und Einsatzfahrzeuge, eingehalten werden. Da war der Sturm der Entrüstung in den Amtsstuben schon angekommen. Dennoch sollen die Schiffsführer darauf achten – so wurde angeordnet, den Wellenschlag „bestmöglich“ zu reduzieren. Im Normalfall ist das eine beleidigende Bevormundung für Kapitäne, die natürlich selber wissen, was bei Hochwasser zu tun ist. Eine kompetente Standesvertretung hätte an dieser Stell sofort die Stopp-Taste gedrückt. Am Nachmittag des 11.8., der Pegel lag noch immer bei 173 cm, wurde neuerlich aktualisiert und weitere Lockerungen bekanntgegeben. Das heißt, innerhalb von rund 72 Stunden gab es drei Bescheide von fünf Behördenstellen. Wenigstens waren sie jeweils gleichlautend.

9.8.2023 – Ungehinderter Schiffszugang beim Lido möglich. Auch die Station Klagenfurt See kann problemlos befahren werden. Quelle: Peter Baumgartner

Zum Hintergrund: Die für das Schifffahrtswesen zuständige Behörde ist in der Kärntner Landesregierung bei der Abteilung 7 – Wirtschaft, Tourismus und Mobilität angesiedelt. Leiter der Abteilung ist Dr. Albert Kreiner. Unterabteilungsleiter für das Verkehrsrecht und alle Verkehrsunternehmen ist Mag. Norbert Niederdorfer, der gleichzeitig auch Abteilungsleiter Stellvertreter ist. Sachgebietsleiter für das Schifffahrtswesen in der Abteilung ist Ing. Kurt Kofler. Zuständiger Referent ist der ÖVP-Landesrat Sebastian Schuschnig und somit politisch verantwortlich für ein besonders wichtiges und vielfältiges Referat. „Gefahr in Verzug“ und das Fahrverbot für die gesamte Schifffahrt am Wörthersee kam jedoch nicht von seiner für die Schifffahrt zuständigen Abteilung 7, sondern von der Abteilung 12 – Wasserwirtschaft. Diese Abteilung informierte unter Verweis auf das Schifffahrtsgesetz (§ 22 Abs. 2) das regional zuständige Magistrat Klagenfurt sowie die Bezirkshauptmannschaften Klagenfurt-Land und Villach-Land als örtlich zuständige Ämter über die Gefahrensituation am Wörthersee. Die Bezirksbehörden und der Bürgermeister von Klagenfurt, der bekanntlich nicht immer alles mitbekommt, was in seiner Stadt abläuft, ordneten auf Grundlage dieser Abteilung12-Meldung umgehend das Fahrverbot für den gesamten Schiffsverkehr am Wörthersee mit sofortiger Wirkung an. Offensichtlich ohne Rücksprache mit dem Schifffahrtsamt. Immerhin, die Abteilung 12 ist auch für „Rechtliche Angelegenheiten und Koordination der Katastrophenbekämpfung“ zuständig. Nur arbeiten dort keine Leute aus dem Schifffahrtsamt und sie stehen auch nicht unter der politischen Leitung von LR Schuschnig, sondern von SPÖ LR Daniel Fellner. Eingeschaltet hat sich die Schifffahrtsbehörde erst bei der Lockerung der Maßnahmen am 11. August…

9.8.2023 – Polizeiboot „bewacht“ Linienschiff. Der ruhende Schiffsverkehr wird am Wörthersee besser bewacht, als der fließende Verkehr. Quelle: Peter Baumgartner

Besonders pikant ist bei der nicht vom Aussterben bedrohten „behördlichen Artenvielfalt“, dass in der 7er-Abteilung, wo die Schifffahrtsbehörde angesiedelt ist, auch die „Ombudsstelle für Unternehmen und Wirtschaft“ und der „Wirtschaftspolitische Beirat“ beheimatet sind. Daneben befinden sich noch weitere wichtige Zuständigkeiten, wie zum Beispiel wasserrechtliche Angelegenheiten der Wirtschaft. Ohne von all diesen Kompetenzen Gebrauch zu machen, kritisierte Landesrat Schuschnig die Abteilung 12 scharf, weil sie es war, die das Fahrverbot ausgelöst hat. Am 9. August, erst nach der ersten Lockerung, verkündete Schuschnig vollmundig: „Endlich haben die Behörden eingesehen, dass es in der aktuellen Situation eine pragmatische Lösung braucht.“ Ein peinlicher Versuch, den eigenen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Nun, einerseits wird von Umweltorganisationen schon seit längerer Zeit vermutet, dass sich die wirtschaftspolitische Kompetenz der Abteilung 7 in der „Hilfestellung“ für industrielle UVP-Verfahren erschöpft. Anderseits haben die Schifffahrt auf den Seen in Kärnten und der Wassertourismus insgesamt, in der Tourismusabteilung 7 eine untergeordnete Bedeutung. Der Wassertourismus wird in Kärnten nämlich nicht gestaltet, sondern als Randthema verwaltet. Typisches Beispiel: Einer ganzen Region, einschließlich der Stadt Villach gelingt es nicht, dauerhaft eine Schifffahrt auf der Drau zu erhalten. Auch der ÖPNV auf den Gewässern, anderswo fixer Bestandteil des ÖV und ebenfalls eine 7er-Kompetenz, findet in Kärnten überhaupt nicht statt. Dafür werden Projekte ernsthaft diskutiert, die nach der Landnahme an den Seeufern und in den Bergen, auch noch eine „Wassernahme“ befürchten lassen. Nichts desto trotz nützen Landespolitiker jede Gelegenheit, um sich mit der Hand am Steuerrad medienwirksam in Szene zu setzen. Zur Ehrenrettung der politisch Verantwortlichen muss man jedoch auch sehen, dass das fragmentierte Gewerbe selber, obwohl verfassungsrechtlich abgesichert, nicht in der Lage ist, ein einheitliches Bild mit Zukunftsperspektiven im Wassertourismus abzugeben. Oberstes Ziel der Interessensvertreter ist immer, dass Förderungen rasch ausgezahlt werden. Gerne auch ohne lange zu fragen. Getreu nach dem Motto, wir sind Fördernehmer und erst in zweiter Linie Unternehmer. Legitimiert wird das Trauerspiel durch das politische Dogma: In diesem überschaubaren Land soll Industrie und Tourismus gleichermaßen nebeneinander stattfinden. Das funktioniert jedoch nur dort, wo der Schwerpunkt auf Dark Tourismus liegt.

9.8.2023 – Trotz Hochwasser, unspektakulär der Wörthersee Abfluss, die Glanfurt. Kein Treibholz. Quelle: Peter Baumgartner

Die gute Nachricht ist, alles wird jetzt darauf ausgerichtet, dass ab sofort nur noch „authentische“ Bilder in der Öffentlichkeit gezeigt werden dürfen. Message-Control ist bekanntlich ein Steckenpferd unserer politischen Elite und die Grundversorgung für manche Medien. Damit das funktioniert bekommt der Tourismusmanager viel (Steuer)Geld, mit dem er schöne Bilder produzieren kann. Ähnlich wie in der Mode-Branche. Man kann auch noch den billigsten Fetzen schön präsentieren. Statt mit dem Aufräumen in den Amtsstuben zu beginnen, freuen sich dann alle über die nur kurze Unterbrechung des Sommerfriedens. „Man soll Gäste nicht unnötigerweise weiter verunsichern“, sagt Wirtschaftskammer-Obmann Josef Petritsch im Zusammenhang mit dem überfallsartig verhängten Schifffahrtsverbot. Das wirft nur ein schlechtes Bild auf unsere heile Welt in der es nichts gibt, was es nicht geben darf.

(Anmerkung: Am 16.8.2023 – wurden bei einem Pegelstand von 161 cm „nach sorgfältiger Abwägung“ alle Einschränkungen für die Schifffahrt am Wörthersee aufgehoben.)

Ähnliche Beiträge