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Kommentar: Dieselfahrverbot – ein Urteil sorgt für Diskussionen

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig hat zwar kein direktes Fahrverbot für Dieselfahrzeuge in Innenstädten verhängt, doch der Deutschen Umwelthilfe generell Recht gegeben. Kommunen haben damit jetzt die Möglichkeit, selbst über Verbote zur Luftreinhaltung zu entscheiden. Die Entscheidung des BVerwG sorgt in der Branche und Gesellschaft für viele Diskussionen.

Wann die Diskussion um ein mögliches Dieselfahrverbot begonnen hat, ist schwer zu sagen. Sicher ist jedoch, dass der VW-Diesel-Skandal ordentlich dazu beigetragen hat. Die Luftqualität in einigen deutschen Metropolen und Kommunen ist schlecht, die Grenzwerte wurden weit überschritten. Das in Leipzig sitzende Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat nun darüber entschieden, ob es ein Dieselfahrverbot in deutschen Städten geben darf.

Das Urteil
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, dass Dieselfahrverbote in deutschen Städten rechtmäßig sind. Damit, so bei Logistik Heute zu lesen, „gaben die Richter der Deutschen Umwelthilfe recht und bestätigten die Urteile der Vorinstanzen in Stuttgart und Düsseldorf.“

Dabei ist jedoch wichtig festzuhalten, dass das BVerwG kein generelles Diesel-Verbot erlassen hat. Das Urteil besagt nur, dass Großstädte solche Verbote zur Luftreinhaltung anordnen dürfen. Damit hat sich das BVerwG den Verwaltungsgerichten Düsseldorf und Stuttgart angeschlossen. „Umstritten blieb aber bis zum aktuellen Urteil, ob sich dies mit dem geltenden Straßenverkehrsrecht deckt“, heißt es bei Logistik Heute weiter.

Auswirkungen sind enorm
Was bedeutet das Urteil nun? Die Experten der Arag schätzen die Entscheidung wiefolgt ein: Auch wenn es nur um kommunale Dieselverbote geht, wird der Bund entsprechende Maßnahmen zur Durchsetzbarkeit und Kontrolle möglicher Dieselverbote ergreifen müssen. Dies wäre durch die sogenannte „blaue Plakette“ generell möglich, wobei der Bundesverkehrsminister dies bisher ablehnt. Durch die „blaue Plakette“ wären „moderne Diesel mit der neuesten Abgas-Norm Euro 6 von Fahrverboten ausgenommen.“

Von einem Dieselfahrverbot wären nach Annahme der Arag deutschlandweit knapp zwölf Millionen Diesel-Pkw, die unterhalb der aktuellen Euro-6-Abgasnorm liegen, betroffen. Dazu kommen noch Liefer- und Transportfahrzeuge.

Der Deutsche Speditions- und Logistikverband (DSLV) hat das Urteil des BVerwG mit Sorge aufgenommen. Generell sieht der DSLV den dringenden Handlungsbedarf der Kommunen zur Reduzierung von Luftschadstoffen und erkennt an, dass auch der Verkehr zur Verbesserung der Luftqualität und zum Gesundheitsschutz beitragen muss. Dennoch mahnt der Verband in der Stellungnahme an: „Sollten die Kommunen das Urteil jetzt als Grundlage für weitere Verkehrsbeschränkungen nutzen, werden Speditionen und Paketlogistiker trotz moderner Fahrzeugflotten ihren Versorgungsauftrag für den innerstädtischen Handel und die Wohnbevölkerung nur noch eingeschränkt erfüllen können.“ Auch wenn die Dieselfahrzeuge, die in der City-Logistik eingesetzt werden, überwiegend hohe Emmissionsstandards erfüllen und immer mehr KEP-Dienstleister auf E-Antriebe und Lastenräder setzen, sieht der DSLV ein Dieselfahrverbot in Innenstädten kritisch und spricht von Versorgungsengpässen. „Ohne Ausnahmen für die Lieferlogistik wird es deshalb nicht gehen“, heißt es weiter. Aus diesem Grund begrüßt der DSLV den vom Gericht im Urteil verankerten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der die Städte zwingen soll, Maßnahmen und Konsequenzen sorgfältig gegeneinander abzuwägen.

Und was sagen die Deutschen dazu?
Dass sich der Deutsche Speditions- und Logistikverband besorgt über das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zeigt, ist an sich wenig überraschend. Da die möglichen kommunalen Verbote jedoch auch Privatpersonen betreffen, stellt sich die Frage, was eigentlich die Bevölkerung von dem Verbot hält.

In den sozialen Netzwerken wurde seit der Veröffentlichung der Entscheidung viel über das drohende Diesel-Fahrverbot in deutschen Städten diskutiert. VICO Research & Consulting, ein Unternehmen im Bereich Social Media-Monitoring und -Analysen, hat in diesem Zusammenhang  über 77.000 Social Media-Beiträge zu dem Thema analysiert und kommt zu dem Ergebnis, dass die klare Mehrheit der Social Media-Nutzer sich gegen Diesel-Fahrverbote ausspricht.

Demnach wurde bei insgesamt 64,1 Prozent der erfassten Beiträge mit wertenden Aussagen ein mögliches Diesel-Fahrverbot negativ bewertet. Als Argument wurde unter anderem angeführt, „dass ein Fahrverbot nicht auf eine bestimmte PKW-Gruppe beschränkt werden dürfe“. Weiterhin wurden von vielen Nutzern „Sonderregelungen für gewerblich genutzte Diesel-Fahrzeuge“ gefordert. Entsprechend der 64,1 Prozent haben die Analysten auch 35,9 Prozent Beiträge mit positiver Wertung gefunden. Die Fahrverbot-Befürworter argumentieren unter anderem, dass andere Länder vergleichbare Maßnahmen zur Luftreinheit hätten und dieser Schritt in vielen Städten aufgrund der alarmierenden Stickstoffdioxid-Überschreitungen nötig sei, heißt es in der Meldung.

Ausblick
Die große Frage ist: Wie geht es weiter? Generell wird den Kommunen viel daran liegen, die Luft so sauber wie möglich zu halten. Auf der anderen Seite müssen sie auf die Verhältnismäßigkeit achten. Tatsächlich wird aber wenig Interesse bestehen, Lieferfahrzeuge zu den Städten zu verbannen, da an diesen viele Einnahmen hängen. Ausnahmeregelungen werden sehr wahrscheinlich kommen, wobei abzuwarten bleibt, wie viele es geben wird – denn wenn die Ausnahme zur Regel wird, hat das Dieselfahrverbot auch keinen Sinn mehr. Unternehmen und Kommunen werden eng miteinander zusammenarbeiten müssen, um künftig gemeinsam für saubere Luft in den Innenstädten zu sorgen.

© Rainer Fuhrmann – shutterstock.com

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