LOCANIS & Coca Cola

Lager detailgenau im Griff

Die Bremer Erfrischungsgetränke sind einer der größten Bottler von Coca-Cola Produkten  in Deutschland. Das Vertriebsgebiet der hier gefüllten Produkte umfaßt Bremen sowie große Teile  Niedersachsens und Schleswig-Holsteins. Neben dem Abfüllbetrieb in der Hansestadt betreibt das Unternehmen Lagerstandorte in Emden, Neumünster und Lüneburg, von denen aus etwa 300 verschiedene Artikel an die Kunden geliefert werden. Damit das alles reibungslos funktioniert,  ist eine ausgefeilte Logistik vonnöten. Seit einem Jahr setzt das Unternehmen ein automatisiertes  Lagerverwaltungssystem ein, das gleichzeitig die Chargenverfolgung sicherstellt.
Die GETRÄNKEINDUSTRIE informierte sich vor Ort über die Besonderheiten des Systems. (wkl)

GETRÄNKEINDUSTRIE: Stellen Sie bitte Ihr Unternehmen kurz vor.
Jan Papendieck: Die Bremer Erfrischungsgetränke mit heute 660 Mitarbeitern füllt seit 1948 Coca-Cola, Fanta, Sprite, Mezzo-Mix und viele weitere Coca-Cola Marken in Lizenz. 1981 wurde das Unternehmen von der Brauerei Beck & Co übernommen. Durch den Einstieg von Interbrew bei Beck gehörte auch die Bremer Erfrischungsgetränke zwischenzeitlich zu dem belgischen Konzern, bis dieser, nun als Inbev firmierend, im September 2005 die Bremer Erfrischungsgetränke an die Coca-Cola Erfrischungsgetränke, Berlin, (CCE) verkaufte.

GI: Welche Gebindeformate füllen Sie ab?
Papendieck: In Bremen werden drei Abfüllinien betrieben: eine Linie für 0,2, 0,33 und 0,5 Liter Glas-Mehrweg, die PET-Linie für 1,0 und 1,5 Liter Mehrweg und eine Abfüllstraße für Getränkebehälter für die Gastronomie. Wir sind also ein reiner Mehrweg-Abfüller. Das Produktionsvolumen liegt bei 138 Mio. Litern pro Jahr, das entspricht rund sieben Prozent des deutschen Coca-Cola Absatzes und zehn Prozent des Volumens der CCE.

GI: Vor einem Jahr haben Sie ein neues System zur Chargenverfolgung in Betrieb genommen.
Papendieck: Richtig. Aufgrund der neuen EU-Verordnung waren wir gefordert, die Rückverfolgbarkeit unserer Produkte entsprechend der rechtlichen Vorgaben sicherzustellen. Ein weiteres Ziel war es, sämtliche Abläufe im Lager transparent darzustellen. Nachdem wir uns verschiedene Anbieter angesehen hatten, fiel die Entscheidung zugunsten von G-Track von Locanis, da wir hier unsere Anforderungen am besten verwirklicht sahen.

GI: Was verbirgt sich denn hinter diesem System?
Joachim Riegg: Das System ermöglicht eine automatische und exakte Warenverfolgung in manuell geführten Lagern. Es erfaßt ohne Transponder oder Scanning von Barcodeetiketten jede Warenbewegung und arbeitet stellplatzbezogen. Das Paket besteht aus zwei Komponenten. Die erste ist GControl, ein Staplerleitsystem mit Fahrwegsoptimierung, das zweite ist GTrack, das die automatische Chargenverfolgung im Blocklager realisiert. Beide Teile sind über das LVS mit der Stammdatenbank an das ERP angebunden und können Daten jeweils in beide Richtungen austauschen.

GI: Welchen Funktionsumfang bietet das Gesamtsystem?
Riegg: Neben den genannten Features bietet es vor allem die Möglichkeit zur Prozeßoptimierung, d. h. alle Aufgaben, die das System wahrnimmt, können anwendungsspezifisch parametriert werden. Das beginnt bei der Priorisierung von Lagerbewegungen und ist bei der automatischen Nachschubversorgung für die Kommissionierzone noch nicht zu Ende. Zudem besteht die Möglichkeit einer permanenten Inventur, da zu jedem Zeitpunkt alle Bestände online abrufbar sind. Ebenso können dynamische Auswertungen (Reports) über alle Lagerbewegungen erstellt werden. 

Ein weiterer Vorteil ist, daß unser System auf die Anwenderbedürfnisse und Fahrertypen anpaßbar und erweiterbar ist. Beispielsweise können Beschränkungen für bestimmte Staplertypen auf definierten Lagerflächen festgelegt werden, z. B. wenn enge Bereiche von großen Staplern nicht angefahren werden können. Ebenso  werden für die Produktionsentsorgung nur große Fahrzeuge eingesetzt, die zwei Paletten gleichzeitig abnehmen können. All dies koordiniert das System automatisch, ohne daß manuelles Eingreifen nötig ist. 

GI: Der technische Aufbau des Systems…
Riegg: …basiert auf der ständigen Positionsbestimmung des jeweiligen Staplers durch die patentierte Koppelnavigation mit G-Track. Durch Wegstrecken-und Winkelsensoren wird die relative Fahrtstrecke auf einer digitalisiertenb Lagerkarte nachvollzogen. Über Druck- und Shiftsensoren an der Gabel wird zudem der Beladungs-zustand inkl. des Ladungsgewichts und die Höhe, in der eine Palette aufgenommen oder abgesetzt wird, erfaßt.

GI: Wie genau ist dabei eigentlich die Positionsbestimmung?
Riegg: Die Ortung funktioniert auf weniger als 40 Zentimeter genau. Allerdings kann es bei der Wegstreckenaufnahme zu Abweichungen kommen, z. B. aufgrund durchdrehender Räder bei Nässe. Deshalb sind an der Decke Referenzstreifen montiert, deren Position absolut vermessen ist. Beim Unterfahren dieser Streifen kalibriert der Stapler durch fest installierte Lasersensoren  ständig seine Position neu, um evtl. Abweichungen zu kompensieren.

GI: Der Fahrer erhält seine Anweisungen…
Riegg: …durch ein in jeder Fahrerkabine installiertes Touchscreen-Terminal, auf dem alle wichtigen Systemtransportinformationen angezeigt werden. Die Datenübertragung zwischen Stapler und Zentralrechner erfolgt mittels WLAN.

GI: Können Sie ein Beispiel für die Abläufe in der Praxis geben?
Riegg: Gerne. Das System erkennt, daß an der Produktionsabgabe Vollgutpaletten stehen, die eingelagert werden sollen, und erstellt automatisch einen entsprechenden Fahrauftrag. Dieser wird an den nächstpositionierten, freien Stapler übertragen. An der Abgabestelle erkennt das System seine Position und ordnet ihm die übergebenen Paletten zu. Bei der Aufnahme findet auch ein Plausibilitätscheck statt, d. h., es wird geprüft, ob das Gewicht der geladenen Paletten mit den Daten im System übereinstimmt.

Ist der Stapler dann am vom System vorgegebenen Zielort angekommen, wird seine reale Position mit den Vorgaben abgeglichen. Ein Absetzen wird nur an diesem vorgegebenen Lagerplatz zugelassen. Somit ist gewährleistet, daß dem System stets die aktuellen, punktgenauen Lagerplätze aller Waren und Artikeln bekannt sind. Auf dem Rückweg zur Produktionsabgabe teilt das System soweit möglich einen weiteren Fahrauftrag zu, der auf dem Weg liegt, beispielsweise
eine Umlagerung. Damit werden Leerfahrten vermieden.

GI: Sollte trotz aller Vorkehrungen die gespeicherte Position des Staplers von der realen abweichen… 
Riegg: …hat der Fahrer die Möglichkeit, seinen Standort im System manuell zu berichtigen. Dazu wird auf dem Staplerterminal eine 3D-Visualisierung der direkten Umgebung angezeigt. Über Pfeiltasten können nun innerhalb weniger Sekunden die Positionen angeglichen werden. Allerdings
ist das nur innerhalb enger Grenzen möglich, denn es muß gewährleistet bleiben, daß keine Paletten abseits des vorgesehenen Stellplatzes eingelagert werden. Ohne diesen manuellen Abgleich müßte der Stapler einen der Referenzpunkte anfahren, sich neu kalibrieren und dann wieder den Lagerplatz anfahren. Das würde unnötig wertvolle Zeit kosten.

GI: Werden die Paletten noch gescannt?
Riegg: Ein Sca
nnen der Barcode-Etiketten ist nur noch zur Erfassung vor der Einlagerung notwendig, alle andere
n Schritte laufen ohne Scannen ab. An der Produktionsabgabe werden die
Waren durch einen festinstallierten Barcode-Leser erfaßt, bei der Einlagerung von Fremdartikeln arbeitet der Staplerfahrer mit einem mobilen Scanner. 

GI: Die Kommissionierung wird ebenfalls über das System gesteuert?
Roland Woltjen: Richtig. Aus den Bestelldaten werden automatisch die Kommissionieraufträge generiert. Diese werden einem Mitarbeiter zugeteilt, der seine Anweisungen über ein Pick-by-Voice-Headset erhält. Die Aufträge werden so zusammengestellt, daß nach einer Runde durch die
Kommissionierzone alle Artikel abgearbeitet sind  also auch hier hat eine Wegeoptimierung stattgefunden. Zudem erhält der Arbeiter Anweisungen, wie die einzelnen Artikel auf der Palette anzuordnen sind, damit ein stabiler Aufbau entsteht. Und dadurch, daß jede Position einzeln quittiert werden muß, hat sich die Rate der Fehlkommissionierungen deutlich reduziert.

GI: Der Nachschub für die Kommissionierung…
Woltjen: …wird vom System organisiert. Wenn ein Artikel den parametrierbaren Mindestbestand erreicht, wird automatisch ein Nachschub generiert. Somit stehen die Kommissionierer nie vor leeren Regalen und die Lagerleitung muß hierfür keine Zeit aufwenden.

GI: Wie wurde die Umstellung auf ein computerbasiertes System von Ihren Mitarbeitern aufgenommen? 
Papendieck: Offen gesagt gab es von deren Seite Vorbehalte gegen die Einführung, vor allem in der Anlaufphase, als noch einige Kinderkrankheiten beseitigt werden mußten. Durch die intensive Schulung, die anfangs noch Personal von Locanis übernahm, konnten wir diese abbauen. Inzwischen ist die Akzeptanz durchwegs gut.

GI: Die Inbetriebnahme klappte reibungslos?
Riegg: Wichtig für uns und den Kunden ist die Umstellung im Echtbetrieb, ohne daß das Tagesgeschäft beeinflußt wird. Deshalb wurde das Going-Live in mehreren Schritten vollzogen. Da für den Einsatz von G-Track Voraussetzung ist, daß der gesamte Lagerbestand mit exaktem Stellplatz im System gespeichert ist, war eine Umstellung auf Knopfdruck nicht möglich. Es wurde also damit begonnen, Einlagerungen mittels System zu erfassen. So baute sich der Datenbestand
kontinuierlich auf, die Bestände schnell drehender Artikel waren nach wenigen Wochen komplett erfaßt. B- und C-Artikel wurden nach und nach manuell erfaßt, so daß wir nach ca. fünf Monaten das gesamte Lager automatisch verwalten konnten.

GI: Was hat sich für Sie durch die Umstellung im Betriebsablauf verändert?
Papendieck: Zum einen konnten wir die Performance des Lagers verbessern.Bereits vor der Umstellung wurde eine Warenverfügbarkeit von 99,5 Prozent erreicht, jetzt konnte die Fehlerquote nochmals halbiert werden. Im Rahmen der Systemeinführung wurde auch die Lagerorganisation optimiert. Die Stellplätze für Artikel mit großen Durchsätzen sind jetzt so angeordnet, daß die Wege für Ein- und Auslagerungen möglichst kurz sind. Weiter konnte die Lagerhaltung für einige Artikel z.T. deutlich reduziert werden, da die Bestände immer in Echtzeit überwacht werden. 

GI: Erwarten Sie auch wirtschaftliche Vorteile durch die neue Lagerorganisation?
Papendieck: Unseren Berechnungen zufolge wird sich die Investition nach ca. 24 Monaten amortisiert haben. Hinzu kommen Optimierungspotentiale beim Personaleinsatz. 

GI: Welche Schritte planen Sie für die Zukunft?
Papendieck: Im nächsten Schritt werden die Leergutbewegungen in das System eingebunden.


Jan Papendieck
Projektkoordinator Technik bei der Bremer Erfrischungsgetränke-GmbH  seit 1999 im Unternehmen tätig. Weitere durchgeführte Projekte: Einführung Instandhaltungsprogramm MP2 von Infor/ Datastream, Einführung Programm Qualifax für Produktionsdatenerfassung und Magazin der Unternehmensberatung Weihenstephan, Ablaufoptimierung aller Lagerstandorte Erfrig (Bremen, Neumünster, Lüneburg, Emden, Gifhorn).

Joachim Riegg
Leiter Projekt Management, Locanis seit 1995 im internationalen Projekt Management, u.a. Projekte für Monitoring und Ortungssysteme in China, Brasilien, Oststaaten, Arabische Emirate. Seit 2004 bei der Locanis AG, München  Systemintegration bei der Bremer Erfrischungsgetränke und der Getränke-Industrie Hamburg.


LOCANIS AG
Bettina Wittenberg
Muenchner Strasse 18
D – 85774 Unterfoehring
Phone +49 (89) 748900-123
Fax     +49 (89) 748900-199
bettina.wittenberg@locanis.com

PS:  LOCANIS AG ist auf dem VLB Logistikfachkongress in München vom 31.März – 02. April 2008 und nimmt an dem European Supply Chain & Logistics Summit 2008 teil.

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