Logistik-Indikator im dritten Quartal 2011

Die Hochkonjunktur in der deutschen Logistikwirtschaft setzt sich auch im dritten Quartal fort, allerdings deutet sich für die weiteren Geschäftsaussichten eine etwas ruhigere Gangart an. Dies geht aus der jüngsten Erhebung (August-Umfrage) für den Logistik-Indikator hervor, den das Institut für Weltwirtschaft im Auftrag der Bundesvereinigung Logistik e.V. (BVL) berechnet. Während die Lagebeurteilung auf hohem Niveau nur um 4 auf 152,5 Indexpunkte nachgab, fiel der Erwartungsrückgang mit fast 15 Zählern deutlich aus. Insgesamt liegt der Gesamtindex für die deutsche Logistikkonjunktur mit einem Wert von 146,4 Punkten aber immer noch deutlich im expansiven Bereich oberhalb der neutralen 100er-Marke. Die Erwartungseintrübung war auf beiden Marktseiten zu beobachten, wobei sich die jüngsten Turbulenzen auf den internationalen Kapitalmärkten in der Befragung noch nicht widerspiegeln konnten. Sowohl auf der Anbieterseite (Logistikdienstleister) als auch auf der Anwenderseite (Industrie und Handel) wird die gegenwärtige Situation deutlich positiver beurteilt als die Aussichten für die kommenden 12 Monate.

Die geringfügige Eintrübung der Lageeinschätzung auf der Anbieterseite (Rückgang um 2,6 auf 151,2 Zähler) ist auf einen gegenüber dem Vorquartal weniger dynamischen Auftragseingang und eine nicht mehr ganz so lebhafte Geschäftsentwicklung zurückzuführen. Die Beurteilung der Auftragslage und der Kapazitätsauslastung haben sich auf ihren Vorquartalswerten stabilisiert. Der deutliche Rückgang der Erwartungen um fast 20 auf 140,2 Indexpunkte streut indes über alle Teilkomponenten.

Die Logistikanwender in Industrie und Handel haben ihre Lage- und Erwartungseinschätzung um 7,6 bzw. 10,1 Zähler nahezu gleichförmig zurückgenommen. Ähnlich wie bei den Anbietern war für den Rückgang der Lagebeurteilung die weniger lebhafte Nachfrageentwicklung verantwortlich, während sich die Kapazitätsauslastung und die Kapazitätsverfügbarkeit im Markt kaum bewegten. In der Preiskomponente dürfte sich gegenüber dem Vorquartal der Rückgang des Ölpreises entlastend auswirken. Hinsichtlich der Aussichten für die kommenden 12 Monate zeichnet sich eine etwas verhaltenere Expansion der inländischen Logistikbedarfe ab. Auch die Investitions- und Einstellungspläne sind weniger expansiv ausgerichtet als noch vor drei Monaten. Allerdings hat sich die leichte Tendenz zur Auslagerung von Logistikaktivitäten bislang noch nicht umgedreht.

Zur Sonderfrage: Eine Erhöhung des Anteils weiblicher Mitarbeiter wird in der deutschen Logistikwirtschaft mehrheitlich noch nicht gezielt angestrebt, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Allerdings sind die Unternehmen der Anbieterseite mit einem Anteil von 41,5 Prozent der Befragten etwas weiter als die Anwenderseite, von denen nur 31,6 Prozent angaben, den Fachkräftemangel durch ein gezieltes Bemühen um weibliche Mitarbeiter zu mildern.

Der Logistik-Indikator wird vom Institut für Weltwirtschaft (IfW) an der Universität Kiel für die Bundesvereinigung Logistik e.V. (BVL) berechnet. Konstruktionsgemäß kann der Indikator Werte zwischen 0 und 200 annehmen, wobei ein Wert von 100 eine konjunkturelle Normalsituation kennzeichnet (befriedigende und stabile Geschäfts- und Auftragslage mit normaler Kapazitätsauslastung).Diese Kommentierung fußt auf der bislang absehbaren Entwicklung der erhobenen Befragungskomponenten. Die Verdichtung zu den vorgestellten Gesamt- und Teilindikatoren ist auf der bisherigen Datengrundlage nur als erste Rechnung möglich. Das dem Indikatorkonzept zugrunde liegende Fragedesign zielt bei quartalsbezogenen Angaben auf eine Einschätzung der jahreszeitlich üblichen (um saisonale Effekte bereinigten) Werte ab. Gleichwohl ist nicht auszuschließen, dass sich im Antwortverhalten noch Saisoneffekte niederschlagen. Diese können zukünftig (nach längerer Laufzeit des Indikators) statistisch herausgerechnet werden. Darüber hinaus sind zukünftig auch Untersuchungen zu den zeitlichen Vorlaufeigenschaften sowohl zur sektoralen als auch zur gesamtwirtschaftlichen Konjunkturentwicklung möglich. Diese werden vom IfW durchgeführt, sobald die dazu notwendige Datengrundlage erreicht ist.


Kommentar von Prof. Dr.-Ing. Raimund Klinkner, Vorsitzender des Vorstands, Bundesvereinigung Logistik


Faktenlage versus Gefühlslage? // Robuste und flexible Lieferketten als Antwort der Logistikwirtschaft

Faktisch stehen alle betriebswirtschaftlichen Indikatoren, die zur Ermittlung des Logistikindikators erhoben werden, deutlich im expansiven Bereich. Supply Chain Manager aus Industrie und Handel heben besonders die Verfügbarkeit und die Auslastung von Kapazitäten hervor, loben Nachfrage und relative Preisentwicklung. Es wird Personal eingestellt und investiert. Die Logistikdienstleister sind mit der Kapazitätsauslastung zufrieden, ebenso mit der Geschäfts- und Auftragslage. Die Auftragseingänge aus dem In- und Ausland sind gestiegen, wenn auch weniger stark als im Vorquartal.

Nun spielen neben Fakten aber auch Emotionen eine große Rolle: Auffällig ist, dass die Erwartungen für die nächsten zwölf Monate bei Industrie und Handel schon seit einem Jahr verhaltener angegeben werden als die Lage. Gegenüber dem letzten Quartal knickt der Wert wahrnehmbar ein. Zusätzlich fallen die Erwartungen auch bei den Logistikdienstleistern hinter die Lageeinschätzung zurück. Sind dies Frühindikatoren für eine Trendwende? Oder gar eine sich selbst erfüllende Prophezeiung? Zumindest sind gefühlte Unsicherheiten geeignet, faktische Volatilität zu erzeugen.

Dass sich in einem Umfeld finanzpolitischer Probleme und bei Turbulenzen an den Aktienmärkten die Erwartungen eintrüben, ist verständlich. An der soliden Verfassung des Wirtschaftsbereichs Logistik in Deutschland hat sich jedoch nichts geändert: Der Gesamtindex liegt mit 146 Punkten deutlich im expansiven Bereich oberhalb der neutralen Linie von 100 Indexpunkten und hat gerade einmal zehn Punkte gegenüber dem zweiten Quartal nachgegeben. Die Logistik in Deutschland erfreute sich ein knappes Jahr lang einer besonders positiven Konjunktur. Diese ist nicht gebrochen, aber sie erfordert jetzt besonders sensibles Agieren.

Robuste und flexible Lieferketten sowie Wachsamkeit gegenüber den globalen Entwicklungen sind die richtigen Werkzeuge. Darüber werden rund 3.500 Fach- und Führungskräfte aus über 40 Nationen beim bevorstehenden 28. Deutschen Logistik-Kongress vom 19. bis 21. Oktober 2011 in Berlin intensiv diskutieren. Das von der Bundesvereinigung Logistik bereits vor Jahresbeginn gewählte Kongressmotto „flexibel, sicher, nachhaltig“ bekommt in diesem Zusammenhang beinahe prophetische Züge.

Quelle: Bundesvereinigung Logistik (BVL) e.V.

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