Logistik-Indikator im vierten Quartal 2011

Das Geschäftsklima in der deutschen Logistikwirtschaft hat sich am Jahresende deutlich eingetrübt. Dies signalisieren die Ergebnisse der jüngsten Erhebung (November-Umfrage) für den Logistik-Indikator, den das Institut für Weltwirtschaft im Auftrag der Bundesvereinigung Logistik e.V. (BVL) berechnet.

Maßgeblich für den Rückgang des Klimawertes um 20 auf 126 Punkte ist ein kräftiger Einbruch der Geschäftserwartungen, die um 32 Zähler nachgaben und nunmehr nur noch 8,2 Punkte von der neutralen 100er-Marke entfernt sind. Demgegenüber wird die Geschäftslage im vierten Quartal trotz eines leichten Rückgangs um 7 auf 145,3 Punkte weiterhin sehr positiv beurteilt. Das derzeitige Konjunkturmuster – kräftiger Erwartungseinbruch bei guter Lagebeurteilung – verläuft auf beiden Marktseiten (Anwender und Anbieter) nahezu synchron.

Die Lageeinschätzung der Anbieterseite (Logistikdienstleister) gab um 8 Punkte nach und liegt mit 143,2 Zählen praktisch auf dem Niveau, das zum Jahresauftakt gemessen wurde. Per Saldo beurteilen 46,7 Prozent der Befragten ihre Geschäftslage weiterhin als gut (im Vorquartal waren es noch 61 Prozent). Während die Kapazitätsauslastung sogar noch leicht anstieg, wird die Auftragslage nicht mehr ganz so glänzend beurteilt wie noch vor drei Monaten. Hierfür dürfte vor allem ein weniger lebhafter Auftragseingang aus dem Inland verantwortlich sein, während die grenzüberschreitenden Bestellungen stabil blieben. Für die kommenden 12 Monate rechnen die Logistikdienstleister mit einer leichten Verschlechterung der Geschäfts- und Auftragslage, nachdem im Vorquartal noch ganz überwiegend mit einer weiteren Verbesserung gerechnet wurde. Indes schlägt sich der massive Swing bei den Geschäftserwartungen noch nicht in spürbaren Einschnitten bei der Investitionsplanung nieder. Die Bereitschaft zu Neueinstellungen gab indessen deutlicher nach, ist aber weiterhin aufwärts gerichtet. Dies deutet darauf darauf hin, dass sich die Abschwungerwartungen noch nicht so weit verfestigt haben, dass insgesamt mit einer spürbaren Kontraktion der logistischen Aktivität gerechnet wird. Die Erwartungskomponente des Anwenderklimas liegt daher mit einem Wert von 107,2 Zählern immer noch leicht im expansiven Bereich (Rückgang um 33 Punkte).

Ein ganz ähnliches Konjunkturbild zeigen die Einschätzungen der Logistikanwender in Industrie und Handel. Auch hier deuten die Umfrageergebnisse auf ein leicht gedämpftes, insgesamt aber immer noch sehr starkes Schlussquartal hin (Rückgang der Lageeinschätzung um 6 auf 147,4 Punkte). Während die Auslastung der Eigenlogistik nachgab, hat sich die Kapazitätsverfügbarkeit im Markt sogar noch etwas verknappt, was die korrespondierenden Angaben der Dienstleister bestätigt. Demgegenüber haben sich – analog zu den Ergebnissen auf der Anbieterseite – alle Erwartungskomponenten verschlechtert. Positive Impulse werden in den nächsten zwölf Monaten am ehesten noch von grenzüberschreitenden Logistikbedarfen erwartet, während das Inlandsgeschäft nahezu stagnieren dürfte. Trotz deutlicher Abschläge halten die Befragten per Saldo immer noch an ihren Kapazitätsausbauplänen und der Aufstockung des Personalbestandes fest. Auch die leichte Tendenz zum Outsourcing von Logistikleistungen ist weiterhin intakt.

Der scharfe Einbruch der Geschäftserwartungen dürfte auch von der Verunsicherung über die weite-re Entwicklung im Euroraum herrühren. Darauf deuten die Ergebnisse der Sonderfrage hin. Rund 60 Prozent der Befragten sehen die ökonomische Stabilität Deutschlands durch den Prozess der fortwährenden Aufstockung von Rettungspaketen und den sich daraus ergebenden Garantiepflichten gefährdet. Eine erkennbar tragfähige Lösung für überschuldete Mitgliedsländer ist somit eine zentrale Voraussetzung dafür, dass die öffentlichen Haushaltskrisen der betroffenen Länder nicht stärker auf die Realwirtschaft in Deutschland durchschlagen.

Gefühlte Unsicherheit wirft lange Schatten
Kommentar von Prof. Dr. Ing. Raimund Klinkner, Vorsitzender des Vorstands, Bundesvereinigung Logistik
"Die Stabilitätspolitik der Bundesbank wird angefeindet, von Sparsamkeit wollen die meisten Länder nichts wissen. Die EU-Kommission drängt weiter auf die Einführung von Euro-Bonds", so das Handelsblatt Mitte November auf der ersten Seite. Etwas weiter hinten folgt eine eindrucksvolle Grafik: Unter der Überschrift "Die Distanz zu Deutschland wächst" zeigt diese Renditen auf deutsche, niederländische, österreichische, französische, spanische und italienische Staatsanleihen. Die Bandbreite reicht von weniger als zwei Prozent für deutsche bis mehr als sieben Prozent für italienische Anleihen. Dazwischen liegen Welten: staatspolitisch, finanz- und währungspolitisch, wirtschaftlich.

Auch die deutsche Volkswirtschaft mit ihrer 2011 außerordentlich guten Sonderkonjunktur geht nun in einer wirtschaftlich vernetzten Welt offenbar schwereren Zeiten entgegen. Die Unternehmen des international agierenden Wirtschaftsbereichs Logistik reagieren sensibel auf diese Entwicklung. Die gefühlte Unsicherheit, die sich schon im dritten Quartal bemerkbar machte, wirft in der November-Umfrage des Logistik-Indikators für das vierte Quartal einen langen, dunklen Schatten. Gegenüber dem Vorquartal brechen die Geschäftserwartungen für die Zukunft ein und liegen nur noch knapp oberhalb der neutralen Marke. Diesen Wert hatte die Erwartungskurve zuletzt in der zweiten Jahreshälfte 2009. Anders die Lageeinschätzung. Sie zeigt sich deutlich oberhalb des Erwartungswertes im expansiven Bereich. Der Gesamtindikator schwingt sich zum Jahresende auf dem hohen Niveau von Anfang 2010 ein. Damals waren allerdings die Lage- und die Erwartungseinschätzungen von Optimismus geprägt.

Die Frage ist: Wird das Momentum der deutschen Sonderkonjunktur 2012 nachwirken oder steht eine weitere Krise der Realwirtschaft bevor? Dramatische Signale gibt es zum Beispiel aus der Containerschifffahrt, in der aufgrund von Überkapazitäten, verminderten und unpaarigen Warenströmen, Preisverfall und Währungsturbulenzen existenzgefährdende Szenarien bittere Realität werden. Bei nahezu allen anderen Logistikdienstleistern werden immer noch Sachkapazitäten aufgebaut und Personal eingestellt. Die Kapazitätsauslastung in Industrie und Handel wird als relativ hoch angegeben. Noch ist die Nachfrageentwicklung steigend – wenn auch mit niedrigeren Werten als in den Vorquartalen.

Die Wirtschaft hat sich in den letzten Jahren nach Kräften gegen die Krise gestemmt, hat Abläufe optimiert und Kosten gesenkt. Doch sie braucht stabile Rahmenbedingungen, um nachhaltiges Wachstum zu generieren. Diese sind – zumindest gefühlt – derzeit nicht in vollem Umfang gegeben. Die Unternehmen spüren folglich eine Erosion ihrer Erfolgsbasis: verlässliche Wirtschafts-, Fiskal- und Währungspolitik, stabile Preise, Vertrauen. Die Bundesregierung und die Akteure auf europäischer Ebene sind gefordert, bewährte Grundsätze der Stabilitätspolitik nicht aufs Spiel zu setzen. Rund 60 Prozent der Befragten sehen die ökonomische Stabilität Deutschlands durch den Prozess der fortwährenden Aufstockung von Rettungspaketen und den sich daraus ergebenden Garantiepflichten gefährdet. Hier Klarheit zu schaffen, würde die langen Schatten der Unsicherheit auflösen.

Quelle: MyLogistics
Portal: www.logistik-express.com

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