Logistik-Indikator im zweiten Quartal 2011

Die deutsche Logistikkonjunktur zeigt sich im Frühjahr in sehr kräftiger Verfassung. Dies geht aus der jüngsten Erhebung (Mai-Befragung) für den Logistik-Indikator hervor, den das Institut für Weltwirtschaft im Auftrag der Bundesvereinigung Logistik e.V. (BVL) berechnet. Der Klimawert konnte die leichte Eintrübung im Vorquartal mit einem Zuwachs von 8,5 Indexpunkten mehr als ausgleichen und erreicht mit einem Niveau von 156,3 Zählern den zweithöchsten Stand seit dem Beginn der Erhebungen im vierten Quartal 2006.

Geprägt ist dieses Ergebnis vor allem durch eine deutlich verbesserte Lageeinschätzung (Anstieg um 12 auf 157,7 Punkte), auch wenn der Spitzenwert aus dem Schlussquartal des Vorjahres nicht erreicht wurde. Die Konjunkturerwartungen für die kommenden zwölf Monate, die bereits seit vier Quartalen auf einem stabilen hohen Niveau liegen, legten um 5 Punkte auf 154,9 Zähler zu. Die stärkere Verbesserung der Lageeinschätzung spiegelt sich sowohl auf der Anbieterseite (Logistikdienstleister) als auch bei den Anwendern in Industrie und Handel wider, deren Beitrag zur allgemeinen Klimaverbesserung insgesamt etwas stärker ausfällt.

Zur deutlich verbesserten Lageeinschätzung auf der Anbieterseite (Anstieg um 10,2 auf 153,8 Indexpunkte) tragen vor allem eine verbesserte Geschäftsentwicklung sowie ein kräftig anziehender Auftragseingang aus dem Inland bei. Per Saldo beurteilen zwei Drittel aller Befragten Logistikdienstleister ihre Auftragslage als gut. Auch der zum Jahresauftakt deutliche Einbruch der Einschätzungen zur Kapazitätsauslastung wurde etwa zur Hälfte wieder aufgeholt. Die leicht optimistischeren Erwartungen, die um 3,8 auf 159,6 Zähler zulegen, rühren maßgeblich von angehobenen Beschäftigungsabsichten her, während die übrigen Komponenten nahezu unverändert sind.

Anders als bei den Logistikdienstleistern ist auf der Anwenderseite die Lageeinschätzung seit einem Jahr durchgängig etwas günstiger als die Erwartungskomponente. Im laufenden Quartal erreicht die Lagebeurteilung mit 161,5 Zählern (Zuwachs um 13,8 Punkte) den höchsten bislang gemessenen Wert. Dieser könnte indes dadurch überzeichnet sein, dass die relative Preissteigerung für Logistikdienstleistungen auch vom zuletzt kräftigen Energiepreisauftrieb beeinflusst wird und daher nicht nur kapazitätsbedingte Knappheitserscheinungen widerspiegelt. Allerdings weisen auch die übrigen Teilkomponenten auf eine deutliche verbesserte Lageeinschätzung hin. Mit Ausnahme der für die nächsten 12 Monate nunmehr etwas weniger expansiv erwarteten grenzüberschreitenden Logistikbedarfe haben sich alle übrigen Erwartungskomponenten verbessert, wobei die anziehenden Investitions- und Beschäftigungsabsichten am stärksten zu Buche schlagen.

Die Natur- und Reaktorkatastrophe in Japan beeinflusst teilweise auch das Krisenmanagement in der Logistikwirtschaft. Etwa dreißig Prozent der Befragten nahmen die Ereignisse in Japan zum Anlass, ihre Notfallpläne zu erweitern – knapp zwei Drittel der Logistikdienstleister und –anwender halten an ihren bisherigen Maßnahmen für Krisenfälle fest.

Der Logistik-Indikator wird vom Institut für Weltwirtschaft (IfW) an der Universität Kiel für die Bundesvereinigung Logistik e.V. (BVL) berechnet. Konstruktionsgemäß kann der Indikator Werte zwischen 0 und 200 annehmen, wobei ein Wert von 100 eine konjunkturelle Normalsituation kennzeichnet (befriedigende und stabile Geschäfts- und Auftragslage mit normaler Kapazitätsauslastung).Diese Kommentierung fußt auf der bislang absehbaren Entwicklung der erhobenen Befragungskomponenten. Die Verdichtung zu den vorgestellten Gesamt- und Teilindikatoren ist auf der bisherigen Datengrundlage nur als erste Rechnung möglich. Das dem Indikatorkonzept zugrunde liegende Fragedesign zielt bei quartalsbezogenen Angaben auf eine Einschätzung der jahreszeitlich üblichen (um saisonale Effekte bereinigten) Werte ab. Gleichwohl ist nicht auszuschließen, dass sich im Antwortverhalten noch Saisoneffekte niederschlagen. Diese können zukünftig (nach längerer Laufzeit des Indikators) statistisch herausgerechnet werden. Darüber hinaus sind zukünftig auch Untersuchungen zu den zeitlichen Vorlaufeigenschaften sowohl zur sektoralen als auch zur gesamtwirtschaftlichen Konjunkturentwicklung möglich. Diese werden vom IfW durchgeführt, sobald die dazu notwendige Datengrundlage erreicht ist.


Kommentar von Prof. Dr.-Ing. Raimund Klinkner, Vorsitzender des Vorstands, Bundesvereinigung Logistik

Inlandsnachfrage verstärkt Dynamik der Logistikkonjunktur // Entwicklung in Japan ohne wesentlichen Einfluss auf den deutschen Markt

Der Verlauf des Logistik-Indikators bietet im zweiten Quartal 2011 ein schönes Bild. Lageeinschätzung und Erwartungen liegen in etwa gleich auf – und das auf deutlich expansivem Indikator-Niveau. Der Wirtschaftsbereich Logistik rechnet bei Umsatz und Beschäftigtenzahlen mit einem Rekordjahr. Die guten Werte korrespondieren mit den Eindrücken, die Aussteller und Besucher bei der Messe „transport logistic“ Mitte Mai in München aufnahmen: Aufbruchsstimmung, unternehmerischer Geist, Innovationskraft und gute Laune prägten das Messegeschehen.

Bei Industrie und Handel, den Motoren der Entwicklung, ist die Lageeinschätzung seit einem Jahr besser als die Erwartung für die kommenden zwölf Monate – und erreicht den höchsten Stand seit Ende 2006. Befördert durch eine höhere Nachfrage im Inland wird für den weiteren Verlauf des Jahres eine kontinuierlich gute Geschäftsentwicklung erwartet. Industrie und Handel berichten schon jetzt von einem fühlbaren Preisanstieg für logistische Leistungen und von geringer werdender Kapazitätsverfügbarkeit im Markt.

Bei den Logistikdienstleistern ziehen Lageeinschätzungen und Erwartungen gegenüber dem Vorquartal spürbar an. Sie folgen damit dem Wachstumspfad ihrer Kunden, beklagen aber deren Marktmacht – und folglich niedrige Margen. Markant ist auch hier der deutlich gestiegene Auftragseingang im Inland. Eine weitere Verbesserung der Auftragslage scheint möglich, kombiniert mit einem deutlichen Personalaufbau.

Mit dem soliden Wert des Gesamtindikators reflektiert die Logistik ihren wichtigen Beitrag zum kräftigen Aufschwung in Deutschland, der Wachstumsraten generiert, wie es sie seit der Wiedervereinigung nicht mehr gegeben hat. Nach einem Plus des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um real 5,2 Prozent im Vergleich zum dem ersten Quartal 2010 liegt es gemäß Angaben des Statistischen Bundesamtes nunmehr deutlich wahrnehmbar über dem Niveau der Vorkrisenzeit im Frühjahr 2008.

Die Auswirkungen von Naturkatastrophen und atomarem GAU in Japan auf die Logistik in Deutschland bleiben gering. Nur ein Drittel der Unternehmen gaben an, ihre Notfallpläne mit Blick auf die japanische Entwicklung zu überarbeiten. Damit wird bestätigt, dass die Unternehmen in der Krisenphase ihre Strukturen bereits überarbeitet und Schwachstellen beseitigt haben. Die Erfahrungen mit der Vulkanaschewolke aus Island im Frühjahr 2010 dürfte ebenfalls als Katalysator gewirkt haben, Notfallszenarien in die Unternehmensstrategien aufzunehmen.

Die Logistik in Deutschland hat derzeit allen Grund zur Freude über eine hervorragende Performance. Die robuste Verfassung der Binnenkonjunktur ergänzt die Impulse des Exportgeschäfts. Eine komfortable Situation, die mit Blick auf die globale Wirtschaft keineswegs selbstverständlich ist.

Quelle: Bundesvereinigung Logistik (BVL) e.V.

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar