Logistikforum Osteuropa: Infrastrukturausbau auf gutem Weg, Bürokratie als Bremse

Aktuelle und praxisnahe Vorträge von ausgewählten Osteuropa-Spezialisten hörten gut 100 Teilnehmer beim Logistikforum Osteuropa, veranstaltet von der Bundesvereinigung Logistik (BVL) in Kooperation mit dem Bundesverband Großhandel, Außenhandel und Dienstleistung (BGA), dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und dem Ost- und Mitteleuropaverein (OMV) am 9. Juni in Berlin. Der Tenor des Forums: Die momentane wirtschaftliche Lage, welche die Osteuropäischen Staaten besonders hart getroffen hat, bietet auch Chancen, die es zu nutzen gilt.

Zudem müsse der Infrastrukturausbau weiter vorangetrieben werden, um für die Zeit nach der Krise optimal aufgestellt zu sein. Das betonte auch Gerhard Riemann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Imperial Logistics GmbH und Vorsitzender der Verkehrsausschüsse von BGA und OMV, der die Teilnehmer gemeinsam mit Dieter Bock, Partner TransCare AG und Beauftragter Osteuropa der BVL, begrüßte. Bock berichtete zudem von der lebhaften weiteren Entwicklung und dem großen Optimismus, den er regelmäßig vor Ort erlebe.

Mindaugas Butkus, Botschafter der Republik Litauen, schilderte den Status der Verkehrsinfrastruktur seines Landes, die dortige Wirtschaftslage sowie die Einbindung in den osteuropäischen Wirtschaftsraum. Auch Litauen musste in den letzten Monaten starke Einbrüche hinnehmen. Als besonders problematisch sieht Butkus die hohe Arbeitslosigkeit. Auch er gibt dem Infrastrukturausbau eine hohe Priorität und hob insbesondere den Ausbau der großen Verkehrsachsen sowie die Realisierung des Viking Containerzugs hervor, welche leider durch bürokratische Hürden und Interessenkonflikte der beteiligten Länder behindert würden.

Die Herausforderungen an einen Versandhändler in Russland beschrieb Torsten Hartmann, Bereichsleiter Produktion bei der Primondo Logistik GmbH in Leipzig, sehr anschaulich am Beispiel Quelle. Besonderer Engpass sei die letzte Meile, für die Quelle auf die russische Post zurückgreifen muss. Zu nennen seien die hohe Bürokratie, stark schwankende Portokosten und hohe Rückläuferquoten, da Empfänger oft gar nicht erführen, dass eine Sendung für sie bereit liegt. Durch ständige Optimierung der Supply Chain sei es aber gelungen, die Fehlerquote auf unter ein Prozent sowie die Lieferzeit aus Leipzig von mehr als 30 auf momentan unter 18 Tage zu senken. Über die Qualifikation von Logistikmitarbeitern in Polen berichtete Andreas Mager, Leiter Logistik und stellvertretender Werksleiter von MAN Trucks Sp. z. o. o. in Niepolomice am Beispiel des Aufbaus dieses Werks. Nach seiner Erfahrung sind qualifizierte Logistik-Führungskräfte in Polen nur sehr schwer zu finden oder müssen selbst ausgebildet werden, während gewerbliche Mitarbeiter leicht rekrutiert werden können. Sowohl Qualifikation als auch Motivation und Disziplin seien bei diesen außerordentlich hoch. Die Krankheitsquote beispielsweise liege in seinem Werk bei unter einem Prozent.

Über die Bedeutung der Infrastruktur für multimodale Transportlösungen sprach Antti Vehvilainen, Vice President Logistics bei Stora Enso in Helsinki, Finnland, am Beispiel der Papierindustrie. Ludwig von Müller, verantwortlich für Logistics Engineering bei der Nord Stream AG, berichtete über den erfolgreichen Umgang mit der Herausforderung, die optimalen internationalen Hubs für die Umsetzung des Baltic Sea Pipeline Project zu identifizieren und einzurichten. Fünf Länder mit sehr unterschiedlichen politischen und physischen Rahmenbedingungen waren dabei zu berücksichtigen. Aufgrund der hohen Investitionen, welche Nord Stream nun in diese Hubs tätigt, betrachtet von Müller das Konzept als Win-Win-Lösung für Nord Stream und den baltischen Raum. Positiv sei zudem, dass das Projekt antizyklisch verläuft, nun in die Umsetzungsphase geht und somit große Aufträge generiert, die grade jetzt dringend gebraucht werden.

Die Podiumsdiskussion zum Thema "Die Wirtschaft im Ostseeraum boomt – hält die Infrastruktur mit?" wurde eingeleitet mit einem Impulsvortrag von Georgij N. Sebov, Direktor von Rosmorport in Kaliningrad. Rosmorport investiere auch weiterhin kräftig, insbesondere im Hinblick auf die Zeit nach der Krise. Dazu zählten zum Beispiel eine Fabrik für Sojaverwertung oder neue Industrie- und Containeranlagen. Zudem solle Kaliningrad bis 2015 ein Tiefwasserhafen werden. Manfred Kuhr, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der BLG LOGISTICS, sprach sein Vertrauen in die Region aus. Gerade jetzt sei zudem eine gute Zeit, um vor Ort nach soliden, passenden Partnern zu vernünftigen Konditionen zu suchen. Maren Diale-Schellschmidt, Geschäftsführender Vorstand der AHK Baltikum in Tallin, ergänzte, dass die Krise die Chance biete, nach einem Fall aus großer Höhe nun ein nachhaltiges und gesundes Wachstum anzustreben, welches auch auf dem Aufbau von eigenen Industrien und mehr Wertschöpfung beruht.

Das abschließende Gespräch zum Thema "Infrastruktur gezielt nutzen und entwickeln" begann mit einem Vortrag von MdB Dr. Klaus Lippold, Vorsitzender des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung im Deutschen Bundestag. Er betonte die hohe Bedeutung des Ausbaus der Nord-Süd- und Ost-West-Korridore. Zudem müssten bürokratische Hürden und Unterschiede dringend abgebaut werden. Auch Deutschland müsse darauf achten, sich so aufzustellen, dass es sich optimal in die internationalen Transportnetzwerke integrieren kann. Die darauf folgende Diskussion mit Gerhard Riemann und Christian Göllner, Geschäftsführender Gesellschafter der Göllner Spedition dreht sich insbesondere um die Dauer von Planungs- und Genehmigungsverfahren in Deutschland, durch welche notwendige Infrastrukturmaßnahmen empfindlich ausgebremst würden. Zustimmung fand die Aussage von Christian Göllner, dass viele Engpässe in Osteuropa heute nicht mehr durch schlechte Infrastruktur, sondern durch bürokratische Hürden entstünden. Hier sei beispielhaft die Zollabwicklung zu nennen oder das Fahrverbot für deutsche Schiffe in bestimmten Regionen.

Quelle: MyLogistics

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