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MILK RUN bestimmt Logistik bei Magna Steyr

Die Bündelung bei den Zuliefertransporten steht in der Beschaffungslogistik beim heimischen Autohersteller Magna Steyr an oberster Stelle.  Redaktion: Markus Trostmann

In kaum einem anderen Industriezweig werden Veränderungen so stark sichtbar wie in der Automobil-Industrie. So auch beim österreichischen Auto-Hersteller Magna Steyr in dessen Werk in Graz-Liebenau. Bei den Autoherstellern macht sich derzeit der Trend in Richtung Totalkosten-Betrachtung bemerkbar. Die Fragestellung lautet: Was sind die Total Cost of Onership (TCO) pro Einzelteil, das für die Produktion eines Autos gebraucht wird. „Die TCO sind für uns heute das Maß aller Dinge“, sagt Alfons Dachs-Wiesinger, Senior Manager Transport & Logistics Services beim Autohersteller Magna Steyr in Graz. Dem TCO werden alle Kosten für einen Bauteil zugerechnet, vom Lieferanten bis Fließband, also auch die Logistikkosten. Daraus ergibt sich, dass es nicht immer günstig sein muss, Module wie beispielsweise eine fertige Autotür oder ein Armaturenbrett extern von einem Dienstleister zusammenbauen zu lassen und über die Straße an das Produktionsband zu liefern. Die TCO-Analyse kann auch dazu führen, dass es besser ist, Komponenten direkt von den Lieferanten zu beziehen und das Assembling im eigenen Werk zu machen. 
 
Aston Martin, Mercedes-Benz, Mini und Co
Im Grazer Werk von Magna Steyr werken 6.500 Mitarbeiter und bauen Autos der Marken Aston Martin, Mercedes-Benz G-Klasse, BMW Mini Countryman und Peugeot RCZ zusammen. Bei Aston Martin kann man eher von einer Manufaktur als von einer Massenproduktion sprechen. Die großen Stückzahlen bringen die anderen Marken. Pro Jahr werden Fahrzeuge im sechsstelligen Stück-Bereich hergestellt und finden ihre Käufer rund um den Globus. Rund um den Globus sind auch die Zulieferer angesiedelt, die Komponenten für die Produktion der Fahrzeuge nach Graz liefern.
 
Für die Herstellung der verschiedenen Fabrikate sind nicht weniger als 19.000 „aktive Kaufteile“ notwendig. Diese kommen von 2.400 Lieferanten aus aller Welt, und von diesen den kostengünstigsten und optimalsten Transportweg nach Graz zu finden, ist ein Knochenjob: Magna Steyr ist Frachtzahler und hat daher die gesamte Supply Chain selbst in der Hand. Täglich bringen 230 Lkw im Fernverkehr die Zulieferteile in das Grazer Werk. Nicht nur von weither, sondern auch von Lieferanten, die nicht weit von Graz entfernt sind oder gar vor der Haustür Komponenten zu Modulen zusammenstellen und an das Produktionsband liefern. 
 
Ideal sind Komplett-Ladungen, weil günstig in der Produktion
Die Höhe der Logistikkosten wird bestimmt von der Entfernung der Lieferanten von Graz, von der Zahl der Lieferanten und schließlich von den Mengen, die beschafft werden. Bei Magna Steyr wird nach drei Transportarten unterschieden, nach denen die Zulieferung erfolgt. Es sind zum einen Komplett-Lkw-Ladungen und zum anderen das System MILK RUN, ein Terminus, der in der Automobilindustrie gebräuchlich ist für das Einsammeln von Komponenten bei verschiedenen Lieferanten sowie die Bündelung des Volumens. „Diese beiden Transportarten planen wir mit unserer hauseigenen IT und hier können wir durch optimale Steuerung das meiste bei den Transportkosten sparen“, sagt Dachs-Wiesinger. Die dritte Transportart ist Stückgut, das über die verschiedenen Stückgutsysteme der Spediteure hereinkommt. „Ein Kubikmeter einer Stückgutsendung kommt uns 2,5 Mal teurer als der einer Komplett-Ladung oder eines MILK RUN“, so der Logistikmanager. Daher nahe liegend das Ziel, möglichst viele Zuliefertransporte via Komplett-Lkw oder MILK RUN in das Werk zu bringen. Dachs-Wiesinger: „Damit machen wir 90 Prozent unserer Transporte und hier können wir die Kosten bestimmen und echte Kosteneinsparungen erreichen“.
 
Logistiker werden genau gescreent
Magna Steyr hat ein spezielles „Value Sourcing“ entwickelt für die Rekrutierung und Zusammenarbeit mit den Logistikdienstleistern entwickelt. Value Sourcing ist ein Bewertungsmodell nach dem Bonus-Malus-System, das verschiedene Bereiche umfasst und am Ende einen Performance-Wert liefert, der genaue Informationen darüber gibt, ob der Logistikdienstleister alle im Rahmenvertrag vereinbarten Punkte erfüllt hat. Schon bald soll jeder dieser Dienstleister online auf seine aktuelle Performance zugreifen können und so sofort sehen, ob die Leistung passt oder er schleunigst besser werden muss. Dachs-Wiesinger: „Eine gute Performance ist für uns dann gegeben, wenn der Logistikdienstleister bei uns möglichst wenig administrative Kosten verursacht.“ Hält der Fahrer die definierten Zeitfenster bei der Anlieferung nicht ein, gibt es Schäden oder sonstige Probleme, so schlägt das sofort auf den Performance-Index durch, und bei der nächsten Ausschreibung muss sich der Dienstleister schon sehr anstrengen, um wieder ins Geschäft zu kommen. Bei den Caminoneuren und Spediteuren wird das System als fair empfunden, da jeder sofort weiß, dass sich gute Leistung auszahlt, so Dachs-Wiesinger.  
 
Auftragsvergaben via Frachtenbörsen sind tabu
Magna Steyr hat derzeit sechs Logistikdienstleister unter Vertrag, die für die Beschaffung der 19.000 Artikel zuständig sind. Dazu kommen auch noch Konzernspediteure und Dienstleister für Sonder- und Einzeltransporte. Magna Steyr vergibt keine Transportaufträge über Frachtenbörsen. „Wir machen das nicht, weil für uns die Qualität des Dienstleisters ganz wichtig ist“, sagt Dachs-Wiesinger. Und jeden von ihnen schaut er sich ganz genau an. Wer bei Magna Steyr als Logistiker ins Geschäft kommen will, muss sich in die eigenen Karten schauen lassen. Transporte werden grundsätzlich ausgeschrieben, und im  Ausschreibungsverfahren müssen die potenziellen Transporteure ein Screening-Verfahren durchlaufen und zeigen, ob sie unternehmerisch und finanziell stark genug auf der Brust sind, die hohen Anforderungen zu erfüllen. „Wir gehen in die Transportbetriebe und schauen uns den Fuhrpark, die Mitarbeiter und die betrieblichen Anlagen sehr genau an“, sagt Dachs-Wiesinger. Gleichzeitig wird im Hintergrund über die Kandidaten bei Magna Logistik Europa recherchiert. Hier wird die Logistik zu den 100 Werken von Magna in ganz Europa koordiniert, und hier sind auch Informationen über die Logistiker abrufbar.(MT)

Quelle: Logistik express Print- und E-Paper Ausgabe 2-2012     
 

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