NINA: Neustart und/oder Beginn der Abwärtsspirale?

Seit 4. April 2011 wird der nationale unbegleitete Kombinierte Verkehr (UKV) von der Güter­verkehrstochter der ÖBB Rail Cargo Austria (RCA) im System „NINA“ abgewickelt. NINA steht für Neues Intermodales Netzwerk Austria, das eine umfangreiche Restrukturierung der Ver­kehre zwischen den österreichischen Terminals des Kombinierten Verkehrs darstellt. Dies betrifft nicht nur die rein nationalen Sendungen etwa von Wien nach Vorarlberg, bei denen die österreichische Verkehrspolitik bisher stolz einen europaweit hohen Anteil vorweisen kann, sondern auch die Zufuhr bzw. Weiterleitung von Sendungen zu und von den internati­onalen Ganzzügen, die z. B. in Wels oder Wien beginnen oder enden. Durch das neue Sys­tem soll eine Ergebnisverbesserung dieses bislang defizitären Marktsegments von etwa 15 Millionen € jährlich erbringen.

Dies liegt durchaus im Bereich des Möglichen, wurden doch die bisherigen Zugsleistungen, die über Nacht gemeinsam mit den BEX-Verkehren alle Terminals untereinander verbanden, wesentlich zurückgenommen. Seit Anfang April verkehren wöchentlich 210 Nachtverbindun­gen mit fixen Waggonkompositionen – sogenannten Shuttle-Zügen, wobei über den Hub in Wels die meisten anderen Terminals in Österreich angebunden werden. Bis Ende März wur­den allerdings wöchentlich 1.050 Verbindungen angeboten.

Nach den Erfahrungen der CombiNet-Mitglieder der ersten Tage funktioniert das NINA-Konzept in seiner vorgesehe­nen Struktur gut. Es gibt kaum Verspätungen und die durchschnittliche Auslastung liegt laut RCA bei 70 %, was allerdings noch unter den für das vorgesehene finanzielle Ergebnis angestrebten 80 % liegt.

Dennoch sind mit dem neuen Konzept teilweise wesentliche Verschlechterungen für die ver­ladende Wirtschaft verbunden, sodass eine sukzessive Rückverlagerung von Verkehren von der Schiene auf die Straße auszugehen ist. Diese Einschätzung beruht vor allem auf den fol­genden Tatsachen:

  • Einige Terminals wie etwa Graz oder Hall in Tirol werden nur mehr drei Mal in der Wo­che angebunden. Davon fällt eine Ankunft auf den Samstag, der für viele Be­triebe nicht mehr als Arbeitstag zur Verfügung steht
  • Die Ladeschluss- und/oder Bereitstellungszeiten wurden vor- bzw. später verlegt, so­dass nur kurze Zeitfenster zur Verfügung stehen. In Wien Nordwestbahnhof ist etwa bereits um 16:00 Uhr Ladeschluss, früher konnte bis 18:30 Uhr angeliefert werden. In Villach erfolgt die Bereitstellung der Ware erst um 10:30 Uhr vormittags, Ladeschluss ist aber schon um 14:00 Uhr, d. h. der Lkw hat nicht genügend Zeit in einem Rundlauf Behälter abzuholen, zur Bestimmungsfirma zu bringen und wieder recht­zeitig anzuliefern.
  • Durch beide angeführten Gegebenheiten ergeben sich längere Laufzeiten und damit Bindung der Behälter, sodass hier erneut der Lkw seine Systemvorteile ausspielen kann. Wird ein Behälter nach 14:00 Uhr angeliefert, wird er erst am nächsten Tag mit dem Zug abgefahren und kommt frühestens am übernächsten Tag an. Dabei muss darauf geachtet werden, dass die erforderliche zusätzliche Kranung (Abstellung des Behälters vom Lkw, Kranung auf den Waggon am Folgetag) nicht verrech­net wird.
  • Die Kapazitäten der Züge sind durch das Shuttle-System begrenzt. So stehen für den Terminal Bludenz nur 8 Waggons aus Wien und 5 aus Wels zur Verfügung, das Zugsgewicht ist mit 1.100 t begrenzt. Fällt mehr Ware an, müsste diese außerhalb des NINA-Systems im so genannten Basisnetz befördert werden, was nicht nur eine 4 bis 5 tägige Laufzeit bedeutet sondern auch einen um 50 % höheren Preis.
  • Für und in den beiden steirischen RCA-Terminals Graz Süd und St. Michael werden nur mehr stapelbare Behälter, also Container angenommen, Wechselaufbauten und Sattelauflieger können dort nicht mehr transportiert werden.
  • Obwohl die Leistungen im NINA-Netz stark reduziert wurden, sind gleichzeitig die Preise für die Terminal-Terminal-Verbindungen neuerlich um 2 – 15 % angehoben worden, obwohl bereits in den letzten Jahren Preiserhöhungen von bis zu 37,5 % hingenommen werden mussten.
  • Die beiden nicht RCA-Terminals Kapfenberg und Krems sind nicht im NINA-System ein­gebunden. Deren bisherige Konditionen wurden zunächst bis 30.6.2011 verlän­gert, ohne dass bislang klar ist, wie die Situation nach diesem Zeitpunkt aussieht. Trotzdem erfolgen bereits jetzt wo möglich massive Verlagerungen hin zu diesen „altpreisigen“ Terminals.
  • Die Anbindung der Terminals Enns, Linz und Wien Freudenau an die kontinentalen Ganzzugsverbindungen ist nach wie vor offen.

CombiNet und seinen Mitgliedern ist klar, dass eine Restrukturierung des Angebots im natio­nalen UKV für die RCA eine Notwendigkeit darstellte. Trotzdem muss darauf hingewiesen werden, dass die derzeitige Ausrichtrung des NINA-Konzeptes den Wettbewerbsvorteil des Lkw hinsichtlich Schnelligkeit und Flexibilität weiter ausbaut. So ist allein im Terminal Bludenz eine Rückverlagerung von 20.000 Jahrestonnen auf die Straße abzusehen. Vom Terminal Linz dürften mindestens 1.000 Container pro Jahr auf die Straße wandern.

Zudem kommt bei einigen Verbindungen die „Abwärtsspirale“ in Gange: Die auf 3 wöchentli­che Zugspaare verminderte Anbindung von Hall ist nur mehr zu 30 % ausgelastet, d. h. dass sie weiter zurückgenommen werden wird und somit eine weitere Attraktivitätsminderung erfährt. Ähnliches ist von der Verbindung in die Steiermark zu befürchten.

CombiNet sieht dieser Entwicklung mit Besorgnis entgegen, da der bisher besonders in Ös­terreich erfolgreichen Förderung des UKV als umweltverträgliche Gütertransportart schwere Einbußen drohen, die sich auch auf die internationalen Verbindungen auswirken werden. Es kann nur gehofft werden, dass bereits vage in Aussicht gestellte Anpassungen und Verbesserun­gen des NINA-Konzepts hier zu einer Milderung der negativen Effekte beiträgt. CombiNet ist weiterhin gerne bereit, gemeinsam Lösungen zu erarbeiten, um die verkehrspolitisch ge­wünschte Verlagerung der Transporte auf die Schiene nicht nur beizubehalten sondern wei­ter zu fördern.      

Quelle: CombiNet – Netzwerk Kombinierter Verkehr

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