ÖBB Rail Cargo Group erreicht Höchstwerte bei der Pünktlichkeit

Mit 8.500 Mitarbeitenden, Niederlassungen in ganz Europa und einem Jahresumsatz von rund 2,3 Mrd. Euro zählt die ÖBB Rail Cargo Group zu den führenden Bahnlogistikern in Europa. Das Unternehmen betreibt gemeinsam mit starken Partnern ein flächendeckendes Netz an End-to-end-Logistik in Europa und darüber hinaus bis Asien. Mag. (FH) Andreas Matthä, CEO der ÖBB-Holding AG, erläutert in einem schriftlichen Interview mit der Österreichischen Verkehrszeitung die aktuelle Situation im Güterverkehr auf der Schiene.

  • Wie hat sich der nationale/internationale Schienengüterverkehr der ÖBB Rail Cargo Group in den letzten Tagen mengen- und ertragsmäßig entwickelt?

Nach aktuellem Stand verkehren die Güterzüge und Verbindungen der ÖBB Rail Cargo Group gemäß Plan. Insbesondere Auch der grenzüberschreitende Verkehr verläuft normal. Megenmäßig verzeichnen wir seit rund zwei Wochen Rückgänge, da unsere Kunden teilweise Produktionskapazitäten zurücknehmen.

Auf der Plusseite verzeichnen wir Mehrvolumina die bisher auf der Straße gefahren sind, vor allem in Richtung Italien und Südosteuropa. Das reicht vom berühmt gewordenen Toilettenpapier über Lebensmittel bis hin zu Bioethanol zur Herstellung von Desinfektionsmitteln. Wir sind in der Lage, neue Transportkonzepte kurzfristig zu erstellen und umzusetzen.

Mithilfe unserer Einzelwagenverkehre und unserer internationalen TransFER Shuttles ermöglichen wir den flexiblen und vor allem auch kurzfristigen Versand von einzelnen Waggons oder Wagengruppen. Den Umschlag zwischen Schiene und Straße können wir für konventionelle Transporte in unseren europaweiten Lägern jederzeit gewährleisten, für intermodale Ladeeinheiten in unseren Terminals.

  • Inwieweit beeinträchtigt oder fördert die Corona-Krise die Servicequalität der Bahntransporte?

Da der Schienengüterverkehr nicht von den Einschränkungen im Grenzverkehr betroffen ist, können wir nationale aber auch internationale Warenströme per Bahntransport wie gewohnt gewährleisten. Positiv auf die Qualität wirken sich die Frequenzrücknahmen im Personenverkehr aus sowie die aktuell höhere Priorität des Güterverkehrs auf der Infrastruktur. Dadurch verzeichnen wir aktuell Höchstwerte bei der Pünktlichkeit.

Unser flächendeckendes Produktionsnetz mit eigenen Güterbahnen und eigenen MitarbeiterInnen in mittlerweile zwölf europäischen Ländern erweist sich gerade jetzt als wesentlicher Vorteil. Die durchgängige Abwicklung in diesen Ländern ermöglicht uns eine nahtlose Abstimmung und damit höhere Flexibilität und vor allem auch eine schnellere und zuverlässigere grenzüberschreitende Traktion.

  • Wie stuft man bei der ÖBB Rail Cargo Group die Geschäftsentwicklung im weiteren Jahresverlauf ein?

Wir befinden uns aktuell in einer sehr dynamischen Situation. Dies merken wir insbesondere in der gesamten Automotive-Wertschöpfungskette – also vom Erz bis zum Fertigauto – aber mittlerweile auch in den meisten anderen Segmenten. Wir setzen bereits seit Anfang März auf umfangreiche Umsatz- und Kostenseitige Gegensteuerungsmaßnahmen, die gerade wieder anlaufenden Transporte aus dem asiatischen Raum werden uns in den kommenden Wochen ebenfalls unterstützen. Es ist noch zu früh, hier Zahlen zu nennen. Klar ist aber, dass uns die Krise in 2020 ergebnistechnisch stark belasten wird.

  • Was sind für die ÖBB Rail Cargo Group in der momentanen Situation die größten Herausforderungen?

Die große Herausforderung aktuell ist die hohe Dynamik der Mengenentwicklung in Summe und bezogen auf einzelne Industrien beziehungsweise Kundenstandorte. Wir investieren intensiv in die Kommunikation und Abstimmung unternehmensintern und mit unseren Kunden, um weiterhin die Versorgungssicherheit garantieren zu können.

Eine weitere Herausforderung stellt die Koordination der Anpassung unserer Produktionskonzepte zum Schutz unserer Mitarbeiter an die unterschiedlichen und der sich ändernden Maßnahmenpakete der einzelnen Länder in Europa dar. Lokwechsel an der Grenze, Desinfizierung von Lokomotiven, Arbeitgebererklärungen für Mitarbeiter mit täglichem Grenzübertritt bis hin zur Verlegung von Grenzbahnhöfen sind nur einige Beispiele.

  • In welchem Umfang wird die ÖBB Rail Cargo Group vom Instrument der Kurzarbeit Gebrauch machen?

Um auf betrieblicher Ebene die notwenige Flexibilität zu erhalten, sind seit Anfang April erste Kurzarbeitszeitmodelle auf Gesellschaftsebene in Kraft getreten die wir zeitnah ausweiten werden. Die Kurzarbeit ist für uns eine wichtige Hilfe zur Krisenüberbrückung. Dabei sind wir in enger Absprache mit dem Betriebsrat. Unser gemeinsames Ziel ist es, Kündigungen von Mitarbeitern zu vermeiden.

Ich möchte mich an dieser Stelle sehr herzlich bei allen Mitarbeitern bedanken, die gerade in dieser herausfordernden Situation neue Höchstleistungen erbringen. Die Lage ist sehr angespannt, wir werden aber alles daransetzen, als Team gestärkt aus dieser Krise herauszugehen.

  • Wie sieht man bei der ÖBB Rail Cargo die langfristigen Perspektiven für den Schienengüterverkehr in Europa?

Pre-Covid-19 ist der Schienengüterverkehr aufgrund seiner Klimarelevanz in den Vordergrund gerückt. Vom europäischen „green deal“ über das Regierungsprogramm der österreichischen Bundesregierung bis hin zur Rail Freight Forward Initiative der Güterbahnen waren alle Weichen auf eine Renaissance des Schienengüterverkehrs in Europa gestellt.

Die Covid-19 Krise hat zwar die Klimadiskussion temporär in den Hintergrund gedrückt, allerdings zusätzlich gezeigt, dass der Schienengüterverrkehr auch Versorgungs- und damit Systemrelevanz hat. Dies zeigen viele Diskussion in Österreich und Europa, insbesondere auch in Deutschland.

Ich bin daher überzeugt, dass jahrzehntelang überfällige Maßnahmen wie die Einführung der Mittelpufferkupplung, Interoperabilität und ein einfacher Infrastrukturzugang gemäß der Vision „Einen Zug durch Europa zu fahren muss so einfach sein wie einen Lkw“ sowie faire wirtschaftliche Rahmenbedingungen in Reichweite sind. Als Bahnlogistiker müssen wir dazu natürlich unserer Hausaufgaben machen und attraktive, wettbewerbsfähige Logistikangebote auf den Markt bringen.

www.oebb.at www.railcargo.com

 

Die ÖVZ-Redaktion bedankt sich bei Andreas Matthä für die Beantwortung der Fragen.
Redaktion: Joachim Horvath
www.oevz.com

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