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Österreich braucht weiterhin Gaslieferungen aus Russland

IWS sprach mit Experten und fordert „Energieversorgung mit Realismus statt Ideologie“.

Otto Musilek war mehr als 30 Jahre bei der OMV im Gasbereich tätig, den er bis 2007 zehn Jahre leitete, und er war in nahezu allen Verhandlungen für die Gaslieferungen eingebunden. Kaum ein anderer Mensch in Österreich kennt den Energie-Markt generell und den globalen Gasmarkt speziell so genau wie Musilek. Dr. Werner Steinecker und Gottfried Kneifel, Geschäftsführer der Initiative Wirtschaftsstandort OÖ (IWS) haben mit ihm Kontakt aufgenommen und um eine Deutung der gegenwärtigen Gas-Versorgung Österreichs gebeten.

FRAGE: Wie geht es weiter mit der Energieversorgung in Österreich? Die Europäische Union fordert, dass Österreich aus den Gas-Lieferverträgen, die OMV-Vorstand Rainer Seele mit einer Laufzeit bis 2040 mit Russland/Gazprom abgeschlossen hat, aussteigen soll. Diese Verträge müssen ja bezahlt werden – auch wenn Österreich diese Gasmengen nicht konsumiert.

MUSILEK: Eine einseitige Kündigung der Verträge durch Österreich würde von Gazprom unverzüglich bei internationalen Gerichten angefochten werden. Solche Verfahren können bis zu einer endgültigen Klärung der Rechtslage sehr lange dauern. Und ohne gerichtliche Klarstellung müsste Österreich an Russland weiterzahlen. Wir reden da von mehr als 30 Milliarden Euro. Dieses Risiko einzugehen, rate ich der österreichischen Bundesregierung sicher nicht! Von den Kosten für die Beschaffung von Ersatz-Gasmengen am Weltmarkt gar nicht zu reden.

Hat sich die OMV und haben Sie sich als OMV-Chefverhandler für den Gasbereich in den vergangenen Jahrzehnten um alternative und verlässliche Gas-Lieferanten ernsthaft bemüht?

Aufmerksame Medienbeobachter wissen um die politischen Probleme beim Nabucco-Pipeline-Projekt. Die EU war nur halbherzig dabei und die USA wollten Nabucco, womit iranisches Gas über die Türkei nach Europa transportiert werden sollte, aus strategischen Gründen unterbinden. Auch bei der Versorgung mit LNG waren wir – damals wie im Projekt Nabucco – federführend aktiv und haben im Hafen Krk (Kroatien) das Terminal geplant, dass übrigens seit 2021 – leider ohne österreichische Beteiligung – in Betrieb ist. Wir haben uns wirklich um Alternativen zum Russen-Gas bemüht. Aber für Lieferverträge braucht man Partner, die nicht nur liefern können, sondern es auch wollen.

Warum hat die OMV nicht mit Norwegen verhandelt? Oder früher die Gasfelder im Schwarzen Meer zur Versorgung Österreichs aufbereitet?

Wir haben 1986 mit Norwegen langfristige Lieferverträge abgeschlossen, die bis heute gelten. Das norwegische Gas war damals um rund 30 Prozent teurer als das russische Gas, deswegen wurde nur eine „bescheidene“ Menge kontrahiert. Die Vorkommen im Schwarzen Meer liegen in sehr großer Tiefe und die Gasförderung wäre zu Marktpreisen nicht rentabel gewesen. Auf der anderen Seite hat die Industrie wegen der Wettbewerbsfähigkeit auf günstige Gaslieferungen gedrängt. Oberösterreich ist ja als Industriebundesland Nummer 1 davon besonders betroffen.

Derzeit bezieht Österreich rund 70 Prozent seines Gas-Bedarfes aus Russland. Und Russland liefert – trotz Sanktionen, trotz Ukraine Krieg, trotz der Warnungen der USA und der EU. Auch Ungarn, die Slowakei und Italien sind stark auf russische Gaslieferungen angewiesen. Gibt es dazu tragfähige Alternativen?

Ich sehe aufgrund meiner jahrzehntelangen Erfahrung auf den internationalen Energie- und Gasmärkten keine tauglichen Alternativen zum Russen-Gas. Ein einseitiger Ausstieg würde zig-Milliarden Euro kosten und die Energieversorgung für Haushalte und Betriebe weiter verunsichern.

kürzlich wurde von Regierungsseite vorgeschlagen, dass die Gashandelstochter der OMV aus dem Konzern ausgegliedert werden soll. Ist das ein taugliches Modell, mit dem Ziel, die Gas-Versorgung Österreichs auf Dauer zu stabilisieren?

Davon halte ich überhaupt nichts. Erstens braucht so ein Organisationsprozess Zeit. Zweitens wird dann alles noch bürokratischer und drittens bleiben ja die Lieferquellen/Gasfirmen und die Netze gleich. Viertens bleibt auch die Wettbewerbssituation unverändert. Und wenn es die ausgegliederte Firma am Markt gibt, ist der Krieg in der Ukraine möglicherweise schon zu Ende. Also sehe ich in einer ausgegliederten Gashandelsfirma keinen Vorteil.

Was sind ihre Experten-Empfehlungen an die Regierung?

Mehr Sachlichkeit und Realismus – und weniger Ideologie. Endlich ein klares und eigenständiges Energiekonzept der Europäischen Union. Mehr Verlässlichkeit und weniger Verunsicherung. Ohne Russen-Gas wird Österreich auch langfristig nicht auskommen.

Rückfragehinweis:
Initiative Wirtschaftsstandort OÖ
Prof. Gottfried Kneifel
IWS-Geschäftsführer
0664/4432858
www.iwsooe.at

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