Privater Waffenbesitz in Österreich: Vertrauen ist gut, Verteidigung ist besser
Seit mehreren Jahren lässt sich ein stetiger Anstieg an Schusswaffen in österreichischen Privathaushalten beobachten. Welche Gründe hinter diesem Zuwachs stecken, in welchen Situationen die Österreicherinnen und Österreicher bereit wären zur Waffe zu greifen und wie die allgemeine Meinung zur Gesetzeslage hierzulande aussieht, beleuchtet das digitale Markt- und Meinungsforschungsinstitut Marketagent in einer aktuellen Studie mit 932 Befragten im Alter von 20 bis 75 Jahren.
Fact Box
- Knapp 30% der Österreicher*innen befürworten privaten Waffenbesitz, 60% nehmen eine ablehnende Haltung ein.
- Das Hauptmotiv für Waffenbesitz ist Selbstverteidigung – für Frauen steht die Sorge vor Kriminalität im Vordergrund, für Männer der Schutz ihrer Familie.
- Unter den Waffenbesitzer*innen herrscht großes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten: rund 80% sehen sich selbst als technisch versiert, treffsicher und in der Lage eine Schusswaffe im Ernstfall sinnvoll einzusetzen.
- 86% sind der Ansicht, dass die Kontrolle über Waffen wichtiger ist als das Recht auf deren Besitz.
Selbstverteidigung als zentrales Motiv für Waffenbesitz
Mit über 120 Schusswaffen auf 100 Einwohner*innen sind die USA die unangefochtenen Weltmeister in Sachen Waffenbesitz. Auf Platz 13[1].stellt Österreich zwar noch keine Konkurrenz im Kampf um diesen fragwürdigen Titel dar, doch auch in der Alpenrepublik wird seit einigen Jahren privat immer mehr aufgerüstet. „Das zentrale Motiv für Waffenbesitz stellt für die Bürgerinnen und Bürger hierzulande die Selbstverteidigung dar, also das Bedürfnis, sich in etwaigen Notfällen verteidigen zu können. Für Frauen steht auch die Sorge hinsichtlich steigender Kriminalität und deren Folgen im Vordergrund (43%), wohingegen es Männern besonders wichtig ist, ihre Familie beschützen zu können (34%)“, erläutert Thomas Schwabl, Geschäftsführer von Marketagent. Auch die vermehrten Krisen der vergangenen Zeit gehen nicht spurlos an den Österreicherinnen und Österreichern vorüber: Beinahe jede*r Vierte sieht darin einen Grund zur Anschaffung einer Schusswaffe, bei 20% steigt generell das Sicherheitsgefühl, wenn sie eine Waffe im Haus wissen.
Top 5 Gründe für Schusswaffenbesitz* | |
Zur Selbstverteidigung | 46,0% |
Aus Sorge vor steigender Kriminalität | 33,9% |
Ich möchte meine Familie beschützen können | 30,9% |
Zum Ausüben eines Schießsports | 28,2% |
Aufgrund vermehrter Krisen | 23,5% |
*Basis: Besitzen eine Schusswaffe bzw. können sich Besitz vorstellen II n = 298 II Mehrfach-Nennung möglich
Demgegenüber stehen die Argumente jener Personen, die keine Schusswaffe besitzen und sich dies auch nicht vorstellen könnten – mit fast 68% machen sie immer noch die Mehrheit hierzulande aus. Mehr als die Hälfte der Waffengegner*innen sehen keinen Grund für eine Anschaffung und vertreten die Meinung, Schusswaffen hätten in Privathaushalten generell nichts verloren. So wie das Sicherheitsbedürfnis als Pro-Argument für Waffenbesitz genannt wird, taucht es auch als Hinderungsgrund auf. Jede*r vierte Waffenablehner*in würde sich mit einer Schusswaffe im Haus nicht sicher fühlen, 18% möchten vermeiden, dass Kinder damit in Berührung kommen.
Top 5 Gründe gegen Schusswaffenbesitz* | |
Ich sehe keinen Grund, eine Schusswaffe anzuschaffen | 58,8% |
Schusswaffen haben in privaten Haushalten nichts verloren | 54,3% |
Ich bin grundsätzlich gegen den Einsatz von Schusswaffen | 41,0% |
Ich glaube nicht an einen sinnvollen Einsatz im Ernstfall | 32,3% |
Ich kann mit einer Schusswaffe nicht umgehen | 27,4% |
*Basis: Besitzen keine Schusswaffe bzw. können sich Besitz nicht vorstellen II n = 634 II Mehrfach-Nennung möglich
Großes Vertrauen in eigene Fähigkeiten
Ins Auge stechen in diesem Zusammenhang auch Unterschiede hinsichtlich des Vertrauens in eine effektive Handhabung: Während unter den Waffenablehner*innen ein Drittel nicht an einen sinnvollen Einsatz im Ernstfall glaubt, ist die große Mehrheit der Besitzer*innen (83%) überzeugt, dass sie ihre Schusswaffe auch in Notfällen zielgerichtet anwenden könnten. Und das, obwohl fast die Hälfte der Waffenhalterinnen und -halter an einer Hand abzählen kann, wie oft sie pro Jahr mit ihrer Schusswaffe in Berührung kommen. Darunter fallen auch Trainings auf dem Schießstand, die – wenn überhaupt – für den Großteil (61%) maximal 3-mal jährlich auf dem Programm stehen.
Zu Unsicherheiten im Umgang mit der Waffe führt dies allerdings nicht, ganz im Gegenteil herrscht auffällig großes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. So bezeichnen sich jeweils rund 80% der heimischen Waffenbesitzer*innen als technisch versiert, treffsicher und in der Lage Revolver und Co. im Ernstfall sinnvoll und zielgerichtet einzusetzen. Bei näherer Betrachtung der Geschlechterstruktur wird deutlich, dass vor allem Männer großes Selbstvertrauen bezüglich ihrer Fähigkeiten an der Waffe zeigen, während Frauen ihr Können deutlich bescheidener bewerten.
In Anbetracht dieser kühnen Selbsteinschätzung ist es nicht weiter verwunderlich, dass sich die Österreicherinnen und Österreicher in der Theorie auch nicht davor scheuen würden, in einer Notsituation von ihrer Schusswaffe Gebrauch zu machen. Jede*r zweite Waffenbefürworter*in gibt an, wenn nötig auf das Gegenüber zu schießen, sollte er oder sie mit einer Waffe bedroht werden. Als Opfer eines Überfalls könnte sich jede*r Dritte vorstellen einen Schuss abzufeuern und im Falle eines Einbruchs ins eigene Heim jede*r Vierte. Was in der Theorie nach effektiver Selbstverteidigung klingt, könnte an der praktischen Umsetzung scheitern: 9 von 10 Personen geben an, ihre Schusswaffe stets vorschriftsgemäß ein- und aufbruchssicher verschlossen aufzubewahren, was die Frage aufwirft, wie rasch diese bei Auftreten eines unerwarteten Ernstfalls tatsächlich einsatzbereit wäre.
Politische Gräben in Hinblick auf die Gesetzeslage
Die Grundsatzfrage nach der Akzeptanz von privatem Waffenbesitz spaltet die Bevölkerung, wobei die Gruppe der Ablehner*innen (59%) beinahe doppelt so groß ist wie die der Befürworter*innen (29%). Deutliche Differenzen lassen sich zwischen den politischen Lagern erkennen: Während fast die Hälfte der Respondent*innen, die sich selbst rechts der Mitte verorten, pro Waffenbesitz votiert, lehnt die überwiegende Mehrheit der eher linksgerichteten Befragten dies ab (74%).
Einigkeit herrscht dagegen bei der Frage, was wichtiger ist: das Recht auf Waffenbesitz oder die Kontrolle über Waffen. In eindeutiger Mehrheit sprechen sich 86% der österreichischen Befragten für Kontrolle aus, was darauf hindeutet, dass die USA wohl in der kommenden Zeit noch nicht um ihren Titel als Weltmeister im Waffenbesitz zu fürchten brauchen.
[1] Laut Small Arms Survey 2017
Studiensteckbrief:
- Methode: CAWI | Marketagent Online Access
- Instrument: Online-Interviews über die Marketagent reSEARCH Plattform
- Erhebungszeitraum: 25.10.2023 – 31.10.2023
- Sample-Größe: n = 932 Netto-Interviews
- Kernzielgruppe: Personen im Alter zwischen 20 und 75 Jahren | Inzidenz: 100%
- Quotensteuerung: Sample repräsentativ für die österreichische Bevölkerung
About Marketagent
Marketagent sieht sich gleichermaßen als Pionier und Innovationsführer der digitalen Markt- und Meinungsforschung in Österreich. Mit einem Fokus auf quantitative und qualitative Consumer Research Projekte realisiert Marketagent jährlich über 1.300 Studien an den Standorten Baden, Wien, Maribor und Zürich. Das Herzstück unseres Instrumentariums ist ein 3 Mio. Personen umfassendes Online-Panel, welches im Januar 2010 als erster Access Pool der D-A-CH-Region ISO-zertifiziert und im Jänner 2022 nach der aktuellsten ISO Norm 20252 rezertifiziert wurde. Zu unseren Kunden zählen nationale und internationale Top-Unternehmen wie die Telekom Austria AG, Bank Austria, McDonald‘s, Spar, die Österreichische Post AG, Generali oder Hervis. Die Themenfelder und Forschungsschwerpunkte sind vielfältig und decken sämtliche Bereiche der Markt- und Meinungsforschung ab.
Kontakt:
Mag. Andrea Berger
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