Schienengüterverkehr verzeichnet drastischen Einbruch

60% der Logistikverantwortlichen prognostizieren weitere Talfahrt

 

Während der europäische Schienengüterverkehr in den vergangenen Jahren überproportional von dem dynamischen Wirtschaftswachstum und der Zunahme des Welthandels profitieren konnte, verzeichnet die Branche infolge der weltweiten Wirtschaftskrise nunmehr einen beispiellosen Nachfrageeinbruch. Das Transportvolumen im Schienengüterverkehr verringerte sich in Deutschland nach einem leichten Plus von 2,8 Prozent im Gesamtjahr 2008 im ersten Quartal 2009 um 26%. Europaweit verzeichnete die Branche ein Minus von 36% gegenüber dem Vorjahresquartal. Auch andere Verkehrsträger, wie der Straßentransport (-14%) oder die Luftfracht (-23%), hatten im ersten Quartal 2009 schmerzhafte Verluste zu verzeichnen.

 

In der aktuellen Studie European Rail Freight Survey 2009 der internationalen Strategieberatung Booz & Company haben 250 der europaweit wichtigsten Industrie- und Logistikunternehmen diesen negativen Trend bestätigt. 60% der Befragten erwarten, dass die Nachfrage im Schienengüterverkehr im Gesamtjahr 2009 deutlich sinken wird. Fast ein Drittel geht sogar von einem Rückgang von über 10% aus. Dieser Absatzeinbruch macht sich jedoch nicht in allen Bereichen des Sektors gleichermaßen bemerkbar: Der Volumenrückgang und der daraus resultierende Preisdruck schlägt sich vor allem bei den Transporten im kombinierten Verkehr und langfristig geplanten Ganzzügen nieder. Weniger stark betroffen sind der Wagenladungsverkehr sowie kurzfristig bestellte Ganzzüge.

 

Der massive Einbruch in der Stahl- und Automobilindustrie sowie im weltweiten Containerverkehr geht vor allem zu Lasten der langfristig geplanten Züge. Aufgrund des intensiven Wettbewerbs zwischen traditionellen Staatsbahnen und vielen kleinen Privatbahnen wird der Preisdruck zudem weiter verstärkt.

 

Trotz der aktuellen Krise äußerte sich die Hälfte der Kunden darüber besorgt, dass die Kapazitäten im europäischen Schienengüterverkehr nicht für die zukünftig wieder deutlich steigende Nachfrage ausreichen könnten. Tritt dieses Szenario tatsächlich ein, so prognostizieren drei Viertel der Logistikmanager für die Phase des Aufschwungs eine Verlagerung von Transportvolumina hin zu anderen Verkehrsträgern, insbesondere der Straße.

 

Kundenzufriedenheit leidet unter verschlechterter Wettbewerbsfähigkeit

Die Zufriedenheit der Kunden mit den Anbietern im Schienengüterverkehr hat deutlich abgenommen. Lag sie 2008 auf einer Skala von eins bis sechs noch bei 2,8, so liegt sie nun nur noch bei 3,6. Der Hauptgrund hierfür liegt offensichtlich in der verschlechterten Wettbewerbsfähigkeit gegenüber der Straße. Während Spediteure die gefallenen Treibstoffpreise direkt an ihre Kunden weitergeben konnten, sind die Trassengebühren und Energiepreise für Güterbahnen im Vorjahresvergleich gestiegen. Außerdem agieren viele kleine Fuhrunternehmen und osteuropäische Anbieter derzeit mit Dumping-Preisen, um im Geschäft zu bleiben. Hinzu kommt: Die Erwartungshaltung der Kunden hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Vor dem Auftrag an einen Logistikpartner findet ein aufwändiger Selektionsprozess statt. Dabei steht trotz des schwierigen konjunkturellen Umfelds nicht ausschließlich der Preis im Vordergrund. Dieser spielt zwar mit 78% (2008: 55%) die wichtigste Rolle, aber dicht dahinter folgen mit der Qualität der Auftragsabwicklung (72%) und der Einhaltung von Lieferterminen (70%) zwei wichtige Servicekriterien.
 

Die Ergebnisse des European Rail Freight Survey 2009 zeigen den Handlungsdruck für die Akteure im europäischen Schienengüterverkehr auf. Sie müssen zügig ihre Kapazitäten und Kosten an die aktuell deutlich niedrigere Nachfrage anpassen, dürfen dabei aber das mittel- bis langfristig zu erwartende Wachstum nicht aus den Augen verlieren. Infolge der aktuellen Wirtschaftskrise kommt es auch in wichtigen Abnehmerbranchen des Schienengüterverkehrs (z.B. Stahl, Chemie, Automobil) zu Strukturveränderungen. So wird beispielsweise die Verlagerung von Produktions-stätten nach Mittelosteuropa zu neuen attraktiven Schienenverkehren führen.

 

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