Schlimmste Krise der Binnenschifffahrt in der Nachkriegszeit

Die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise hinterlässt ihre unmittelbaren Spuren in der Binnenschifffahrt: Die Beförderungsleistung auf deutschen Flüssen und Kanälen sank im ersten Quartal 2009 um knapp 25 Prozent auf 12 Milliarden Tonnenkilometer im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die transportierte Menge ging dabei um über 19 Prozent zurück. Die größten Einbußen gab es in den Produktgruppen "Eisen, NE-Metalle", "Erze, Metallabfälle", "Düngemittel" und "Steine und Erden". Auch der Containerverkehr verzeichnet im ersten Quartal einen Rückgang von über 25 Prozent auf 415.000 TEU. Eine konjunkturelle Erholung ist derzeit noch nicht in Sicht. Nach zwei sehr guten Jahren für die deutsche Binnenschifffahrt geraten daher immer mehr Partikulierunternehmen in Zahlungsschwierigkeiten. Der Bundesverband der Bundesverband der Deutschen Binnenschiffahrt e.V. (BDB) spricht deshalb bereits von einer der schwersten Krisen der Binnenschifffahrt in der Nachkriegszeit.

Nach Überzeugung des BDB sind die schrumpfenden Mengen im Güterverkehr sowie die rapide sinkenden Frachtraten aber kein Anzeichen für ein strukturelles Problem in der Binnenschifffahrt, sondern allein die Folgen eines verkehrsträgerübergreifenden konjunkturellen Einbruchs. Gerade die Tatsache, dass auch die Güterbahn mit erheblichen Umsatzeinbrüchen von voraussichtlich rund 1 Mrd. Euro im Gesamtjahr zu kämpfen hat und derzeit über 40.000 Waggons auf den Abstellgleisen stehen, zeigt, dass keineswegs nur die Binnenschifffahrt unter den wirtschaftlich schwierigen Bedingungen leidet. "Es ist nicht zu erkennen, dass es sich um Probleme handelt, die speziell dem Binnenschifffahrtsmarkt zu eigen sind", teilt BDB-Präsident Dr. Gunther Jaegers dem Bundesverkehrsministerium daher in einem Schreiben an die Parlamentarische Staatssekretärin Karin Roth (SPD) mit. Trotz der derzeit schwierigen Lage sei zudem mittelfristig davon auszugehen, dass mit Einsetzen der konjunkturellen Erholung heute im Hafen liegender Schiffsraum von der verladenden Wirtschaft schrittweise wieder benötigt werde, so der Präsident weiter.

Nach Analyse der Marktsituation und der einschlägigen europäischen Vorschriften kommt der BDB deshalb zu der Überzeugung, dass die Voraussetzungen einer "schweren Marktstörung" im Sinne der EU-Richtlinie 96/75/EG derzeit nicht gegeben sind. Darüber hinaus beurteilt der BDB auch die aus der Feststellung einer schweren Marktstörung resultierenden, europaweit greifenden Handlungsmöglichkeiten skeptisch: "Es ist offensichtlich, dass die Instrumentarien der EU-Richtlinie 96/75/EG und der EU-Verordnung 718/99 nicht geschaffen wurden, um auf weltweit wirkende konjunkturelle Schwierigkeiten zu reagieren, sondern um strukturelle Hindernisse in der Binnenschifffahrt zu beseitigen. Denkbare Maßnahmen wie etwa die Abwrackung von Schiffsraum oder das Reaktivieren der sog. „Alt-für-Neu“-Regelung würden in der derzeitigen Marktlage kaum einen spürbaren Nutzen zeigen", erklärt der BDB-Präsident. Der BDB hat sich deshalb gegenüber dem Bundesverkehrsministerium dafür ausgesprochen, auf die Anmeldung einer "schweren Marktstörung" bei der EU-Kommission zunächst zu verzichten.

In der Trockengutschifffahrt sind strukturelle Hemmnisse nach Überzeugung des BDB nicht gegeben. Anders wird die Lage zukünftig in der Binnentankschifffahrt zu beurteilen sein: Bis Ende des Jahres 2018 müssen nahezu sämtliche unter das ADNR fallende Produkte in Doppelhüllentankschiffen transportiert werden. Dies hat zu einer – durchaus gewollten – Welle von Schiffsneubauten geführt, ohne dass jedoch in vergleichbarem Maße alter Einhüllenschiffsraum vom Markt genommen wurde. Diese Lage, die jedoch eine Sondersituation darstellt, muss laut BDB mit der Bundesregierung und der EU-Kommission separat erörtert werden.

Quelle: MyLogistics

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