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Social Media: Fluch oder Segen?

„Karriere mit Social Media ist für ALLE interessant“, sagt der liebe Herr Herausgeber. „Also MACH‘ was dazu!“ Gesagt, geschrieben. Denn es IST für ALLE interessant. 

Eine Branche kann die Business-Netzwerke jedenfalls nicht besonders gut leiden: Das sind die Personalberater vulgo Headhunter. Denn immer mehr Unternehmen suchen neue Mitarbeiter immer häufiger im Internet. Ein großes Logistikunternehmen beispielsweise informiert unter dem Titel „Social Media Recruiting“ im Twitter-Hauskanal über offene Stellen und betreibt eine Karriereseite auf Facebook. „Zwei Mitarbeiter durchforsten Business-Plattformen wie Xing oder LinkedIn und sprechen Kandidaten gezielt an“, sagt der Personaldirektor. Und weil das so gut läuft, würden „klassische Recruiting-Instrumente“ reduziert: „Wir besetzen etwa ein Fünftel unserer Vakanzen über unsere Social-Media-Aktivitäten.“

Die Personalchefs, auch und gerade in der Logistikbranche, schätzen also die direkte Ansprache und die umfassenden Informationsmöglichkeiten über Kompetenzprofile, wie sie etwa Xing mit gut vier Millionen Nutzern bietet. Die Datenbanken großer Personalberatungsfirmen sehen dagegen alt aus – im doppelten Sinne: „Es ist völlig illusorisch, auch nur 5000 Kandidatenprofile aktuell zu halten.“ Profile der Business-Netzwerke hingegen füllen und aktualisieren die Nutzer selbst, die Unternehmen hatten noch nie Zugriff auf so viele und so gute Daten. Selbst der Mittelstand, traditionell eher abwartend, sucht Personal vermehrt über das Web 2.0 – und das Wissensmonopol der Headhunter wankt.

Vom flotten Video zur Bewerbung
Bei der Suche nach Absolventen und Young Professionals spielen Social Media und Online-Plattformen demnach eine immer größere Rolle: „Wir suchen und präsentieren uns da, wo unsere Kandidaten sind: im Netz.“ Die Recruiter tummeln sich im Internet und kommen so mit potenziellen Mitarbeitern in Kontakt. Wichtig ist dabei die Frage, ob das Unternehmen von der Web-Gemeinde positiv wahrgenommen wird. Gute Firmen locken deshalb auf die jeweilige Unternehmens-Homepage, wo sich zielgruppengerecht aufbereitete Inhalte finden sollten – bis hin zu Mitarbeitervideos im Youtube-Stil. Denn vom Klick auf das Internetangebot bis zur Bewerbung ist es dann nur noch ein kleiner Schritt …  Als „wichtigste Weiterentwicklung der letzten Jahre“ betrachtet Steve Wheeler, Associate Professor für Lerntechnologien an der Universität Plymouth, den Social Media-Bereich. Deren Entstehung stellt für Wheeler keine Revolution, sondern einen vorläufigen Höhepunkt in der Geschichte der Verständigung dar. Als erste Errungenschaft, auf der alles weitere basiert, betrachtet der Wissenschaftler die Entwicklung der Sprache. Darauf aufbauend habe der technische Fortschritt – vom Telegrafen über Rundfunk und Fernsehen bis zum heutigen World Wide Web – den Kommunikationsradius zunehmend erweitert.

„All dies sind immer nur neue Versionen sprachlichen Austauschs und verschiedene Wege, unsere Erkenntnisse und Ideen mit anderen zu teilen.“ Mit Ausnahme einiger wichtiger Interna, die nicht nach außen dringen dürften, spreche für Firmen alles dafür, die neuen Kommunikationskanäle zu nutzen. „Unternehmen können Botschaften über Social Media viral verbreiten, um die eigene Geschäfts-idee optimal zu vermarkten“, gibt Wheeler ein Beispiel. Auch Einschränkungen gegenüber Angestellten hält der Brite für verfehlt: „Die Fähigkeit, sich ein professionelles Netzwerk zunutze zu machen, ist eine der wertvollsten, die ein Mitarbeiter mitbringen kann.“

How to do it
Dass es auch auf das RICHTIGE Instrument ankommt, weiß Thorsten Petry, Professor für Organisation und Personalmanagement an der Hochschule RheinMain. Er hat eine Studie zur Nutzung von Social Media im Recruiting durchgeführt und weist darauf hin, dass die Firmen und die Kandidaten im Netz unterschiedliche Kanäle nutzen – und zum Teil aneinander vorbeifunken. „Derzeit scheint ein Hauptproblem darin zu liegen, dass die Unternehmen vor allem Facebook, Xing und Twitter nutzen, die Kandidaten hingegen Twitter eher vernachlässigen und Facebook überwiegend privat nutzen. Die wollen dort nicht von Firmen kontaktiert werden, sondern mit ihren Freunden Privates teilen. „Während bei den Studierenden und auch den jungen Arbeitnehmern Facebook, die VZ-Netzwerke und YouTube mit überwiegend privater Nutzung dominieren, nutzen Berufserfahrene soziale Medien eher für die Karriere. Xing und das internationale Pendant LinkedIn sind bei ihnen besonders gefragt. Interessant ist, dass die Unternehmen YouTube als Kanal zum Recruiting noch gar nicht richtig entdeckt haben. Twitter dagegen wird von den Firmen weitaus stärker genutzt als von allen Kandidatengruppen.

Von daher sollten die Unternehmen die Auswahl der genutzten sozialen Medien noch einmal überdenken, wenn sie ihre Bekanntheit steigern und sich als Arbeitgebermarke positionieren wollen, um interessante Mitarbeiter zu finden. Petry: „Wenn Unternehmen dafür soziale Medien benutzen, bezeichnet man das als Social Employer Branding bzw. Social Media Recruiting. Dabei werden neue Talente über soziale Kontakte – z. B. von den eigenen Mitarbeitern – gewonnen. Allerdings nutzen die Unternehmen das Potenzial, das in den Netzwerken der eigenen Mitarbeiter schlummert, noch viel zu wenig.“ Dabei gebe es gerade für kleine und mittlere Unternehmen interessante Chancen. Diese leiden ja oft darunter, nicht bekannt genug zu sein. Das lässt sich auch durch eine Facebook-Seite nicht einfach ändern. Die Wahrscheinlichkeit, jemanden zu finden, der zum Unternehmen und zur Region passt, dürfte dagegen hoch sein, wenn man über die eigenen Mitarbeiter sucht oder suchen lässt. Petry: „Natürlich funktioniert so ein Recruiting nur, wenn die eigenen Mitarbeiter aktiv und freiwillig auf offene Stellen in ihren Profilen hinweisen.“

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