Strategien gegen den Protektionismus

Es steht schlecht um die wirtschaftliche Frühjahrstimmung: Eine zweite große Insolvenz- und Entlassungswelle scheint – unmittelbar in der heißen Phase des Bundeswahlkampfs – unvermeidlich.

Die Versuchung ist groß, vor diesem Hintergrund zu populistischen Maßnahmen wie dem Protektionismus zu greifen. Bereits jetzt versucht die Europäische Union, durch eine zunehmende Abschottung der Heimatmärkte die Volkswirtschaften zu stärken. Experten sind übereinstimmend der Meinung, dass diese Politik zu einer nachhaltigen Störung der Weltwirtschaft führen und den Abschwung nicht abmildern, sondern verlängern wird. Wie aktuelle Untersuchungen von BrainNet belegen, reagieren bereits viele Unternehmen mit einer Änderung ihrer Global Sourcing Strategien auf diese Entwicklung.

Brainnet kommt zu dem Ergebnis, dass Protektionismus in Krisenzeiten als naheliegendes Hilfsmittel erscheint, jedoch den Welthandel nachhaltig beschädige. Auch die lang anhaltende Depression nach der Weltwirtschaftskrise vor achtzig Jahren sei zu einem erheblichen Teil durch protektionistische Maßnahmen verschärft worden. Die derzeitige Entwicklung verlaufe ähnlich: Bewusste Währungsauf- und Abwertungen oder Handelsbeschränkungen für bestimmte Rohstoffe, die beispielsweise das US-Konjunkturpaket für Stahl und Eisen vorgibt, sollen kurzfristig die Volkswirtschaft stützen und die Ängste der Bürger verringern.

So haben die Regierungen Westeuropas und Nordamerikas auch ihre Schutzzoll-Politik in den letzten Jahren und Monaten immer mehr ausgeweitet: Die EU-Verordnung zur Einführung eines Antidumpingzolls wurde erst im Januar verschärft. Sind die Importeure nicht offiziell bewertet, fallen beispielsweise 85 Prozent Strafzoll auf chinesische Waren wie Verbindungselemente aus Eisen und Stahl an. „Die Abschottung des Heimatmarktes ist auch in China, Indien und Russland derzeit ein beliebtes Instrument, um der Krise psychologisch zu begegnen – schließlich suggeriert das den Bürgern Handlungskompetenz. Tatsächlich führen solche populistischen Entscheidungen aber zu dramatischen Verlusten für global agierende Unternehmen, was den letzten Schritt in die globale Depression beschleunigt", sagt Sven T. Marlinghaus, Partner und Managing Director bei BrainNet. "Daher müssen Unternehmen jetzt dringend mit individuellen Strategien reagieren, um ihre Position als Global Player zu sichern."

Local-for-Local-Ansatz gewinnt in der Krise an Bedeutung
Deutsche Unternehmen sind nicht nur Exportweltmeister, sondern auch bereits global mit Fertigungsstandorten in den wichtigen Absatzmärkten vertreten. Es gelte nun, diese Standorte weiter auszubauen. Tatsächlich agieren immer mehr Konzerne in ihren Beschaffungs- und Absatzmärkten als lokale Anbieter und richten ihre Produktions- und Absatzstrategien stärker an einem solchen "Local-for-Local"-Ansatz aus. Allerdings bestünde noch Verbesserungsbedarf beim Einkauf, der noch lange nicht global aufgestellt sei: Laut BrainNet-Studien will fast ein Drittel der befragten Unternehmen in den kommenden fünf Jahren seinen globalen Lieferantenstamm weiter ausbauen, ein weiteres Drittel konzentriert sich bereits auf eine "Local-for-Local"-Strategie.

"Eine kritische Prüfung der eigenen Sourcing-Strategien ist in deutschen Unternehmen dringend notwendig: Obwohl viele Großunternehmen rund 60 bis 70 Prozent ihrer Umsätze im Ausland tätigen, liegt die Global Sourcing Quote oft nur bei 20 bis 30 Prozent. Denn der Einkauf wird oftmals noch zentral je Warengruppe gesteuert, sprich aus Deutschland und nicht vor Ort“, erläutert Marlinghaus. "Unternehmen müssen jedoch mit strategischen Einkäufern in den relevanten Beschaffungsmärkten präsent sein. So sollten zum Beispiel Einkäufer für Elektronikbauteile unbedingt lokale Dependancen in Asien einrichten, da sich vor Ort Risiken besser einschätzen lassen und preislich und qualitativ bessere Konditionen erzielt werden können.

"Wir werden in den nächsten Jahren sowohl eine deutliche Verlagerung der Beschaffungsvolumina als auch neue Beschaffungsstrategien sehen. Auf diese politisch und ökonomisch bedingten Veränderungen gilt es sich dringend vorzubereiten", schließt Marlinghaus.

Quelle: MyLogistics

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