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Tag gegen Lebensmittelverschwendung: Meldepflicht für Supermärkte startet. LEH nur für 7% der Lebensmittel-Abfälle verantwortlich

Handel spendet jährlich 20.000 Tonnen Lebensmittel an Sozialmärkte und Tafeln. Sozialeinrichtungen müssen rechtlich und finanziell gestärkt werden.

Heute, am 29. September, ist der Tag gegen Lebensmittelverschwendung. Der von den Vereinten Nationen (UN) initiierte Tag soll auf das globale Problem der Lebensmittelverschwendung aufmerksam machen, denn Essen im Müll belastet das Klima und den Planeten. Die Vermeidung von Lebensmittelverschwendung ist nicht nur aus ökologischer Perspektive sinnvoll, sie bringt auch erhebliche ökonomische Vorteile.

Novelle zum Abfallwirtschaftsgesetz bringt Meldepflicht für Lebensmittelmärkte

Österreich hat sich im Rahmen der UN-Nachhaltigkeitsziele zur Halbierung der vermeidbaren Lebensmittelabfälle in Haushalten und im Handel bis 2030 verpflichtet. Gemäß einer im Mai dieses Jahres verabschiedeten Novelle des Abfallwirtschaftsgesetzes müssen Händler künftig einmal im Quartal melden, wie viele Lebensmittel sie weggeworfen haben und wie viele Lebensmittel gespendet wurde.

Rainer Will Handelsverband

Betroffen sind Lebensmittelhändler ab einer Verkaufsfläche von 400 m² bzw. fünf Verkaufsstellen, das sind rund 900 Unternehmen in Österreich. Die Meldungen werden vierteljährlich erfolgen, erstmals für das vierte Kalenderquartal 2023 bis zum 10. Februar 2024. Die Zahlen werden anschließend vom Klimaschutzministerium (BMK) veröffentlicht.

Österreichs Handel schon bisher Vorreiter

„Lebensmittel sind kostbar und dürfen keinesfalls verschwendet werden“, sagt Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will. „Darum setzt der Handel schon seit vielen Jahren freiwillige Initiativen, um die Vermeidung von Lebensmittelverschwendung und die Weitergabe an Sozialorganisationen aktiv zu fördern. Supermärkte haben schon bisher nicht mehr verkäufliche, aber noch genießbare Lebensmittel an Tafeln und andere Sozialeinrichtungen weitergegeben. Maßnahmen, die in anderen europäischen Ländern gesetzlich vorgeschrieben werden mussten, sind in Österreich seit vielen Jahren gelebte Realität.“

Im Rahmen der Initiative „Lebensmittel sind kostbar“ werden laut Klimaschutzministerium (BMK) vom Handel 20.000 Tonnen Lebensmittel jährlich an soziale Organisationen weitergegeben. Darüber hinaus werden 10.000 Tonnen an nicht mehr verkäuflichen Lebensmitteln zur Futtermittelherstellung verwertet. „Wir sind im internationalen Vergleich ein absoluter Vorreiter“, betont Will. „Lebensmittel werden nur dann entsorgt, wenn sie nicht mehr für den Verzehr geeignet sind und auch nicht mehr zu Futtermitteln verarbeitet werden können.“

Meldepflicht bringt mehr Bürokratie, wenig Nutzen

Für die großen Lebensmitteleinzelhändler und teilweise auch Lebensmittelgroßhändler ändert sich durch die gesetzliche Meldepflicht kaum etwas: Sie melden bereits seit 2017 freiwillig, wie viele Lebensmittel weitergegeben werden und welche entsorgt werden müssen. Für kleinere Nahversorger entpuppt sich die Initiative aber als weitere bürokratische Belastung: „Die großen Lebensmitteleinzelhändler können mit dieser zusätzlichen Meldepflicht gut leben. Allerdings belastet das Klimaministerium nun auch hunderte österreichische Nahversorger mit einem zusätzlichen Verwaltungsaufwand. Das ist eine Themaverfehlung und das grundsätzliche Problem wird damit nicht gelöst“, erklärt Handelssprecher Will im Namen der betroffenen Lebensmittelhändler.

Handel nur für 7 % der Lebensmittelabfälle verantwortlich

Denn das Hauptproblem liegt anderswo: Laut jüngsten Zahlen stammen 60 % der Lebensmittelabfälle aus privaten Haushalten und 17 % aus der Gastronomie sowie von Großküchen. „Im Vergleich dazu ist der Handel nur für knapp 7 % verantwortlich. Daher braucht es endlich entsprechende Anreize und Sensibilisierungsmaßnahmen beim Endverbraucher“, so Rainer Will. „Eine wichtige Maßnahme wäre, den Kampf gegen Lebensmittelabfälle zum integralen Bestandteil der Lehrpläne zu machen.“

Sozialeinrichtungen müssen finanziell und rechtlich gestärkt werden

Da die Verteilung von Lebensmitteln im öffentlichen Interesse liegt, sollte diese auch von staatlicher Seite weit stärker unterstützt werden. In Österreich passiert dies zurzeit nur in minimalem Ausmaß, der Großteil kommt von privaten Spendern. Die größten vier heimischen Lebensmitteleinzelhändler spenden Jahr für Jahr Waren in dreistelliger Millionenhöhe an die Sozialeinrichtungen. Durch verbesserte Bestellsysteme werden die abzuholenden Lebensmittel im LEH mengenmäßig immer kleiner, der Aufwand der Abholung für Tafeln und Sozialeinrichtungen ist für den Output aber vergleichsweise hoch. Die Bundesregierung hat den Sozialeinrichtungen beim jüngsten Lebensmittelgipfel 10 Mio. Euro an Sofort-Unterstützung versprochen. Die Ausgestaltung und der Modus sind noch immer offen.

Aus rechtlicher Sicht sind Tafeln und Sozialmärkte hierzulande als Inverkehrbringer zum Endkonsumenten zu sehen – mit allen lebensmittelrechtlichen Pflichten. Ihre Möglichkeiten, die Vorgaben hinsichtlich Qualitätskontrollen und Lebensmittelsicherheit einzuhalten, sind jedoch nicht mit jenen von Lebensmittelhändlern zu vergleichen. In Nachbarländern wie Italien gibt es daher die gesetzliche Regelung, dass Sozialorganisationen nicht für Mängel von Produkten haftbar gemacht werden können, die sie nach bestem Wissen weitergegeben haben. Eine ähnliche Lösung braucht es auch in Österreich.

Gefordert ist aber auch mehr Rechtssicherheit für Händler: In Österreich ist der Handel steuer- und lebensmittelrechtlich gezwungen, bei der Weitergabe von Lebensmitteln in einem Graubereich zu agieren. So müssen Lebensmittel vor der Weitergabe als Verderb deklariert werden, um die Vorsteuer anwenden zu können. Bedingung dafür wäre allerdings, dass die Waren nicht mehr verkäuflich/verkehrstauglich sind. Damit dürften sie aber auch nicht mehr über Sozialeinrichtungen in Verkehr gebracht werden. Dieser rechtliche Graubereich muss klarer geregelt werden, worauf der Handelsverband schon seit Jahren pocht.

Rückfragen & Kontakt:
Handelsverband
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