Über 300 Gäste bei der Verleihung am 17. November 2011

Gestern Abend, 17. November, wurde in Anwesenheit von mehr als 300 Gästen der Internationale Mechatronik-Preis (MEC) 2011 in der Raiffeisenlandesbank OÖ in Linz verliehen. Ausgezeichnet wurden die besten mechatronischen Studienarbeiten in fünf Kategorien. Neben den Preisen für die besten Diplom-/Masterarbeiten und Dissertationen wurde eine Auszeichnung für die beste Abschlussarbeit an einer oberösterreichischen HTL sowie der Preis der OÖ. Industrie für die Arbeit mit dem höchsten industriellen Nutzen verliehen. Ein weiterer Höhepunkt des Abends war die Ehrung von KommR DI Herbert Steinwender für seinen Einsatz für das Industrielle Symposium Mechatronik und für das Internationale Forum Mechatronik. Mit einem Vortrag zum Thema „Mechatronik und Lebenswissenschaften, eine Symbiose?“ begeisterte Prof. DI Dr. Werner Baumgartner, Institutsvorstand für Zelluläre Neurobionik an der RWTH-Aachen die Teilnehmer der Preisverleihung. Biologisch inspirierte Mechatronik der Superlative offenbarte der Flug des SmartBirds, der Firma Festo. Mit einer Flügelspannweite von beträchtlichen zwei Metern erhob sich das ultraleichte, aber leistungsstarke Flugmodell alleine durch seinen Flügelschlag in die Luft.

Junge Leute für die Technik begeistern
Der MEC wurde von der Industriellenvereinigung OÖ (IV OÖ), dem Mechatronik-Cluster (MC), dem Österreichischen Ingenieur- & Architektenverein Landesverein Oberösterreich (ÖIAV OÖ) und dem Austrian Center of Competence in Mechatronics (ACCM) initiiert, um den Stellenwert der Mechatronik und die beachtlichen Leistungen, die auf diesem Gebiet erbracht werden, ins Rampenlicht zu rücken. Mechatronik ist mittlerweile als Disziplin nicht nur etabliert, sondern auch zu einem maßgeblichen Faktor für die wirtschaftliche und ingenieurwissenschaftliche Entwicklung geworden. „Ohne Mechatronik ist die moderne Technik heute kaum mehr vorstellbar“,  erklärt Dr. Joachim Haindl-Grutsch, Geschäftsführer der IV OÖ: „Nicht umsonst ist die Mechatronik das zentrale Stärkefeld der oberösterreichischen Industrie. Durch die hier herrschende Vernetzung von Bildung, Forschung und Produktion sowie die Verflechtung von universitärer und betrieblicher Forschung kann es österreichweit als Best-practice-Beispiel gesehen werden. Diese Funktion als Know-how-Drehscheibe hervorzuheben, ist ein weiteres Ziel des MEC.“ DI (FH) Christian Altmann, Leiter des Mechatronik Clusters, erklärt: „Oberösterreich muss – wenn es als Produktionsstandort in der Zukunft bestehen bleiben will – eine ausreichende Anzahl an qualifizierten Technikern/Mechatronikern für Unternehmen und F&E Einrichtungen zur Verfügung stellen.“ Durch Aktivitäten wie dem MEC solle die Wichtigkeit der Thematik Technik und im Speziellen der Mechatronik einer breiten Öffentlichkeit bewusst gemacht werden.

Nur ausgezeichnete Projekte sind zugelassen
Bis Ende August konnten die BewerberInnen aus dem In- und Ausland ihre mit „Sehr gut“ beurteilten Diplomarbeiten bzw. Dissertationen aus dem Bereich Mechatronik einreichen. Aus rund 40 Arbeiten wurden von einer internationalen Fachjury in einem mehrstufigen Verfahren die besten Arbeiten ausgewählt. Der Beiratssprecher des Mechatronik-Clusters, Geschäftsführer Wolfgang Rathner (Fill GmbH) bestätigt als Mitglied der Jury: „Wie jedes Jahr war es schwierig die Preisträger auszuwählen. Das Niveau der eingereichten Arbeiten war sehr hoch“. Neben der MEC-Trophäe erhielten die Ausgezeichneten auch ein Preisgeld in der Höhe von EUR 1.000 (für das beste HTL-Projekt), EUR 1.500 (für die Kategorie Diplom-/Masterarbeiten), EUR 3.000 (für die Kategorie Dissertationen) sowie EUR 3.000 (für den Preis der OÖ. Industrie). Zusätzlich bekommen alle PreisträgerInnen eine kostenlose Jahresmitgliedschaft des Österreichischen Ingenieur- & Architektenvereins Landesverein Oberösterreich (ÖIAV OÖ) und die Möglichkeit, die prämierte Arbeit im Zuge einer Veranstaltung des ÖIAV umfassend zu präsentieren.

Die Preisträger
Erster Preis der Kategorie „Bestes Matura- Abschlussklassenprojekt an oberösterreichischen Höheren Technischen Lehranstalten mit definiertem Ausbildungsschwerpunkt Mechatronik“:

Den Preis für das beste Abschlussklassen-/Maturaprojekt einer oberösterreichischen HTL erhielten Hannes Neumaier aus Mittersill in Salzburg und Paul Riedl aus Aschach bei Steyr. Die Grundlage der Projektarbeit mit dem Titel  „AAM – Automatische Axialschlagmessung“, lag im Umstand, dass bei der Fertigung von Wälzlagern alle Außenringe des Lagers auf Axialschlag vermessen werden müssen. Derzeitig erfolgt diese händisch unter Zuhilfenahme einer Messuhr. Der Mitarbeiter muss dabei gleichzeitig die einzelnen Ringe um 720° drehen und den Ausschlag auf der Skala ablesen. Trotz voller Konzentration waren Messfehler bislang nie ganz auszuschließen. Ziel der Arbeit war es, eine vollautomatische Axialschlagmessung zu realisieren. Die Initiative zu diesem Projekt ging von der SKF Österreich AG, Steyr aus, die im Bemühen um eine laufende Qualitätsverbesserung Unsicherheitsfaktoren bei der Wälzlagerfertigung eliminieren wollte.

Erster Preis der Kategorie „Beste Diplom/Masterarbeit an Fachhochschulen aus Österreich sowie dem Ausland“

Mit der Berechnung von gefügten mechanischen Strukturen befasst sich DI Gerhard Prechtl in seiner Arbeit zum Thema „Effiziente Berücksichtigung der nichtlinearen Reibkräfte in Fügestellen modal reduzierter Strukturen. Überall dort, wo mechanische Teile miteinander durch Schraub-, Niet- oder Klebeverbindungen verbunden werden, treten so genannte Fügestellen auf. In diesen Fügestellen kommt es zu Kontakt und Reibung, zwei Zustände, die das Verhalten der betrachteten Struktur maßgeblich beeinflussen. Gerhard Prechtl nützt in seiner Diplomarbeit, die unter Betreuung von Herrn Dipl. Ing. Dr. Wolfgang Witteveen und in Zusammenarbeit mit Magna Powertrain entstanden ist,  zwei neuartige Ansatzfunktionen und erreicht damit, dass die in den Fügestellen auftretende Reibung mit hoher Ergebnisqualität und geringen Berechnungszeiten ermittelt werden kann. Ein sehr einfaches Berechnungskriterium zur Festlegung der notwendigen Anzahl dieser Ansatzfunktionen und ein rechenzeiteffizientes Modell machten dies möglich.

Erster Preis der Kategorie „Beste Diplom/Masterarbeit an österreichischen Universitäten sowie der Scientific Community des ACCM“

Der erste Preis in der Kategorie „Beste Diplom/Masterarbeit an österreichischen Universitäten sowie der Scientific Community des ACCM gewann DI Patrick Hölzl. In seiner Diplomarbeit "Industrieller Einsatz von Methoden der digitalen Bildverarbeitung und Nahbereichsphotogrammetrie zur Qualitätssicherung von Stahlcoils", geht es um den Einsatz der Optoelektronik bei der Wicklung von Stahlblech-Coils. Viele Industriezweige wären heute ohne den Einsatz von gewalzten Blechen undenkbar. Das 0,5 bis 3mm starke Blech wird nach dessen Herstellung für den Transport und zur besseren Handhabbarkeit zu Rollen, in der Industrie "Coils" genannt, aufgewickelt. Durch Fehler im Aufwickel-Prozess oder durch unsachgemäßen Transport können sich einzelne Blechlagen zueinander verschieben. Überschreitet diese Verschiebung einen bestimmten Wert, dann steigt das Risiko einer Beschädigung beim Handling der Coils und führt zu einem erhöhten Materialausschuss.

Im Zuge der heute ausgezeichneten Arbeit von DI Patrick Hölzl wurde ein berührungsloses Messsystem entwickelt, das in der Lage ist, Verschiebungen der Windungen von weniger als einem Millimeter festzustellen. Durch eine Laserlinie, die schräg auf die Stirnseite der Coils projiziert und von einer Digitalkamera erfasst wird, kann das Höhenprofil des Coils berechnet und so die Verschiebung der einzelnen Windungslagen dargestellt werden. Bei unzulässig hohen Werten schlägt das Messsystem Alarm. Der MEC 2011 ist nach dem "NRW Young Scientist Award 2009" für DI Patrick Hölzl nun schon die zweite große internationale Auszeichnung.

Erster Preis der Kategorie „Beste Dissertation an österreichischen Universitäten sowie der Scientific Community des ACCM“
Der MEC für die beste Dissertation ging an DI Dr. Andreas Steinböck, M.Sc. In seiner Dissertation von „Modelbasierter Regelung und Optimierung eines kontinuierlichen Brammenwärmofens“ stellt Andreas Steinböck eine neue Temperaturregelung vor, die die  lokalen Ofentemperaturen automatisch den jeweiligen Produktanforderungen anpasst.  Brammenwärmöfen sind Wärmeöfen in der Stahlindustrie, die Brammen (flache bis maximal 40 cm starke im Strangguss hergestellte Stahlblöcke) für das spätere Auswalzen zu Dickblechen auf die gewünschte Materialtemperatur bringen. Diese Temperatur liegt bei 1050 bis 1200 Grad und muss möglichst exakt eingehalten werden. Hätten alle Brammen gleiche Abmessungen und wären die gleichen Solltemperaturen gefordert, wäre eine automatisch Temperaturregelung relativ einfach. In der Realität hat man es aber mit Brammen unterschiedlicher Größe und mit unterschiedlichen Temperaturanforderungen zu tun. Erschwerend kommt hinzu, dass die Brammentemperaturen aufgrund der extremen Bedingungen im Ofen nicht gemessen werden können und der Prozess als solcher sehr kostenintensiv ist, denn der Energieverbrauch eines einzigen Brammenwärmofens entspricht etwa dem Gesamtenergiebedarf einer Stadt mit 25.000 Einwohnern. Zur Lösung dieses anspruchsvollen Problems hat Andreas Steinböck ein genaues mathematisches Ofensimulationsmodell und eine darauf aufbauende, modellprädiktive und Echtzeit-fähige Regelung entwickelt, sowie eine maßgeschneiderte Implementierung in der objektorientierten Programmiersprache C++ vorgenommen. Die neue Ofentemperaturregelung  von DI Dr. Steinböck ermöglicht eine hochgenaue und energieeffiziente Brammenerwärmung. Sie läuft seit ihrer Inbetriebnahme bei den Dillinger Hüttenwerken im Februar 2011 zur vollsten Zufriedenheit. Im Vergleich zur bisherigen Regelung erzielt das neue System eine Kosteneinsparung von rund 10 Prozent, eine höhere Durchsatzrate und einen verminderten CO2-Ausstoß von 9500 t jährlich.

„Preis der oö. Industrie für die Arbeit mit dem höchsten industriellen Nutzen“
Den Preis der oö. Industrie, ausgewählt aus allen Einreichungen, erhielt DI Dr. Christian Kloss. Im Rahmen seiner Dissertation "LIGGGHTS – A New Open Source DEM Code applied to the Corex Process" entwickelt Christian Kloss eine neue Software zur Simulation des Strömungsverhaltens von Schüttgütern. Auf Schüttgüter trifft man tagtäglich. Müsli, Mehl, Reis, Sand, Waschmittel oder Grillkohle, sie alle sind Schüttgüter. In Forschung und Industrie ist das Verhalten von Schüttgütern in vielen Bereichen, wie Stahlherstellung, chemische Industrie, Pharmazie, Bergbau, Landwirtschaft, Kunststoffherstellung, Bauindustrie, bis hin zur Weltraumforschung relevant.

Um Schüttgutprozesse in Forschung und Industrie regeln und betreiben zu können, ist es essentiell, das Verhalten von Schüttgut detailliert untersuchen zu können. Nach dem Erfassen der Eigenschaften des Schüttgutkorns, wie Größe, Gewicht oder Oberfläche, setzt die Software LIGGGHTS an. Das besondere an "LIGGGHTS" ist, dass sie auf einer von den Sandia National Laboratories, New Mexico entwickelten Software aufbaut und als „Open Source Software“ kostenfrei genutzt werden kann. Dadurch gelang es, eine weltweite Community von hochkarätigen Wissenschaftlern und Ingenieuren in die Verbesserung, Weiterentwicklung und Validierung der Software zu involvieren. Die Software "LIGGGHTS" wird mittlerweile weltweit von dutzenden Konzernen, Forschungsinstituten und Universitäten genutzt und weiterentwickelt, darunter klingende Namen, wie BASF, Procter & Gamble, die Russische Akademie der Wissenschaften, die University of Hong Kong, das Beijing Institute of Technology, das deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt oder die NASA, sowie dutzende weitere Institute und Unternehmen. Wenn etwa die Mars Science Laboratory-Mission am 25.11.2011 startet und im August 2012 den Mars erreichen wird, dann wird bei der Landung des Mars Rovers das Know-how von Dr. Christoph Kloss zum Einsatz kommen, denn die NASA nutzte "LIGGGHTS", um das Einsinken des Rovers in die Marsoberfläche zu berechnen.

Übersicht der Preisträger
Bestes Matura- Abschlussklassenprojekt an oberösterreichischen Höheren Technischen Lehranstalten mit definiertem Ausbildungsschwerpunkt Mechatronik
AAM – Automatische Axialschlagmessung – Hannes Neumaier, Paul Riedl (HTL Steyr)
Beste Diplom/Masterarbeit an Fachhochschulen aus Österreich sowie dem Ausland
Effiziente Berücksichtigung der nichtlinearen Reibkräfte in Fügestellen modal reduzierten Strukturen – DI(FH) Gerhard Prechtl (FH OÖ Campus-Wels)
Beste Diplom/Masterarbeit an österreichischen Universitäten sowie der Scientific Community des ACCM
Industrieller Einsatz von Methoden der digitalen Bildverarbeitung und Nahbereichsphotogrammetrie zur Qualitätssicherung von Stahlcoils – DI Patrick Hölzl, JKU Linz
Beste Dissertation an österreichischen Universitäten sowie der Scientific Community des ACCM
Modellbasierte Regelung und Optimierung eines kontinuierlichen Brammenwärmofens, DI Dr. Andreas  Steinböck, M.Sc. (TU Wien)
Preis der oö. Industrie für die Arbeit mit dem höchsten industriellen Nutzen
"LIGGGHTS – A New Open Source DEM Code applied to the Corex Process" – DI Dr. Christoph Kloss  (JKU Linz)

Quelle: Clusterland Oberösterreich GmbH

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