Verladende Wirtschaft hält an Shortsea-Konzepten fest

Rasant steigende Treibstoffpreise und Vorgaben zur Reduzierung von Schiffsemissionen in Nord- und Ostsee werden bis 2015 zu erheblichen Preissprüngen in der Containerschifffahrt führen, prognostizierten Reedereien und Logistikfachleute auf dem 8. Shortsea-Dialog in Bremen. Damit droht dem Verkehrssystem in Europa ein erhebliches Rückverlagerungsrisiko von bislang per Schiff transportierten Frachtmengen zurück auf die Straße. Wir müssen mit 800.000 LKW mehr rechnen. Davon geht das Bremer Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) aus.

Steigende Bunkerpreise und die Notwendigkeit, Schiffsflotten auf umweltfreundliche Antriebe umzurüsten oder in neue Schiffe zu investieren, sind Treiber der Kostenexplosion.

Aus technischer Sicht sei es bis 2015 kaum möglich, Schiffe umzurüsten oder eine Versorgungsinfrastruktur für den umweltfreundlicheren Gasantrieb zu schaffen, sagte ISL-Direktor Professor Dr. Burkhard Lemper vor 140 Teilnehmern auf dem vom Shortsea Shipping Inland Waterway Promotion Center (SPC) veranstalteten Fach-Kongress. Da die so genannte SECA-Regelung (Sulphur Emission Control Areas) nicht zurückgenommen würde, müssten die Schifffahrtsunternehmen Förderungen erhalten, mit denen sie zusätzliche Kosten abfangen könnten, führte Lemper aus.

"Transporte werden nie mehr billiger", machte Torsten Westphal, geschäftsführender Gesellschafter des Befrachtungsunternehmens Arkon Shipping aus Haren deutlich und brachte die sich zuspitzende Situation in der Schifffahrt auf den Punkt: "Es ist mir ein Rätsel, wie wir Schiffe bauen und finanzieren sollen, die diese Anforderungen erfüllen." Nach der Krise wäre es nahezu unmöglich, von schiffsfinanzierenden Banken Geld zu bekommen. "Ich habe Angst um das maritime Cluster Norddeutschland", sorgt sich Westphal mit Blick auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Entwicklung.

Das Schifffahrtsunternehmen, das etwa 2,3 Millionen Jahrestonnen bewegt, experimentiert derzeit mit alternativen Antriebsformen, zu denen Sky-Sails gehören, aber auch mit LKW-Motoren betriebene Schiffstypen, die die auf Straßen geltende Euro-5-Norm erfüllen. Westphal geht davon aus, dass der in der Industrie praktizierte CO2-Handel auch in der Seeschifffahrt kommen wird. Dem wachsenden Kostendruck begegnet Arkon mit dem in der Branche bewährten "Slow Steaming" und einer Routenplanung, die Leerfahrten vermeidet.

Trotz der wachsenden Herausforderungen setzt die verladende Wirtschaft bei der Versorgung von Produktionswerken und Absatzmärkten in Europa zunehmend auf Shortsea-Verkehre, die Binnenschiff und küstennahe Seeschifffahrt in Transportketten einbeziehen. Denn die Umweltbilanz des Verkehrsträgers fällt äußerst positiv aus: Umgerechnet auf die Transportmenge pro Container verursacht einer Containerschiff zehnmal weniger C02 als der LKW, verursacht keine Staus und kann als Zwischenlager genutzt werden.

"Wir wollen, dass unsere Produkte mit einem guten Gewissen genossen werden", sagte der für Europa verantwortliche Logistikmanager von Kraft Foods, Jürgen Otersen, mit Blick auf die CO2-Ziele des mit 49,2 Milliarden US Dollar Umsatz zweitgrößten Nahrungsmittelkonzerns der Welt. Kraft Foods hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2015 mindestens 1000 Tonnen CO2 im Jahr einzusparen, 25 Prozent weniger Energie zu verbrauchen und die Logistikkosten um 20 Prozent zu senken. "Was in die Umwelt einzahlt, zahlt auch in die Kasse ein", so Otersen, der zurzeit für 125 Kraft Foods Produktionswerke und 117 Lagerhäuser in Europa innovative Logistikpartner sucht, die Lebensmitteltransporte in Sachen Nachhaltigkeit optimal gestalten können.

Erfolgreich sind dabei Ansätze wie sie Bernd Bertram, Geschäftsführer von Unifeeder Germany aus Hamburg, auf dem ShortSea-Dialog des SPC präsentierte. Die Reederei, die 2010 mit 37 Schiffen 1.800 000 TEU transportiert hat, setzt im Shortsea-Verkehr auf 45-Fuß große Container, Boxen, die nicht dem Standard der Seeschifffahrt entsprechen, aber dafür exakt die gleichen Innenmaße besitzen wie ein LKW, der 33 Europaletten laden kann. "In Zukunft stehen wir nicht im Wettbewerb mit anderen Unternehmen im Seeverkehr, sondern mit der Straße", begründete Bertram das Invest in die übergroßen Boxen, von denen er 2010 doppelt so viele transportiert hat wie im Jahr zuvor.

Ein klares Bekenntnis zum Shortsea-Verkehr ohne "Wenn und Aber" forderte Felice Patti vor den Transport- und Logistikdienstleistern auf dem Bremer Fachkongress: "Haben Sie Mut. Gehen Sie mit gestärktem Selbstbewußtsein an Shortsea-Konzepte heran." Patti ist Chef der Europa-Logistik des Automobilzulieferers Tenneco, dem US-Weltmarktführer für Katalysatoren und Rußpartikelfilter. 360 Millionen US-Dollar Logistikkosten fallen bei Tenneco im Jahr an, zwei Drittel davon gehen allein in den Transport. Patti hat vorgerechnet, was ihn ein Container – abhängig vom Warenwert – am Tag kostet: Bei einem Warenwert von einer Millionen US-Dollar sind dies 274 Euro pro Tag, bei einem Warenwert von 15.000 Euro kaum mehr als vier Euro pro Container. Wer glaubt, dass Patti aufgrund vermeintlich kürzerer Laufzeiten den LKW im Europaverkehr bevorzugt, wurde von dem Tenneco Logistikmanager eines Besseren belehrt: Während die Laufzeit eines LKW vom spanischen Werk in Irun nach St. Truiden in Belgien 48 bis 60 Stunden dauere, sei das Shortsea-Schiff nur 38 Stunden unterwegs. Selbst mit großzügig gerechneten zehn Stunden für den Vor- und Nachlauf zu und von den Häfen Bilbao und Zeebrugge sowie drei Stunden für das Containerhandling sei das Schiff nicht langsamer und auf einer Strecke von 1167 Kilometern deutlich wirtschaftlicher und umweltfreundlicher. Patti: "Wir haben gerechnet und diese Lösung für gut befunden."

Auch die Kali + Salz AG, mit 60 Millionen Jahrestonnen weltweit führender Anbieter von Düngemitteln und Salzen, forciert eine breiten Verkehrsträgermix, der wirtschaftliche und umweltfreundliche Transporte sichert: "Wir fordern unsere Dienstleister zu Kreativität bei der Gestaltung von Transportketten auf", sagte Susanne Richter, Maritime Referentin bei K+S.

"Wir sind sehr zuversichtlich, dass sich die Shortsea-Verkehre in Europa aufgrund Ihrer überragenden ökonomischen und ökologischen Vorteile auch vor dem Hintergrund wachsender Umweltauflagen weiterhin positiv entwickeln wird", resümierte SPC-Geschäftsführer Markus Nölke am Ende des 8. Shortsea-Dialogs. Dass das Thema in der verladenden Wirtschaft und bei Transport- und Logistikdienstleistern angekommen ist, zeigt die Resonanz auf die Veranstaltung: im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Teilnehmerzahl verdoppelt.

Der 8. Shortsea-Dialog wurde mit Unterstützung des Bremer Senators für Wirtschaft und Häfen und der Europäischen Kommission durchgeführt. Mitveranstalter war die europäische Shortsea-Initiative PROPS (Promotional Platform for Short Sea Shipping and Intermodality).

Quelle: MyLogistics
Portal:  www.logistik-express.com

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