viastore integriert neues Automatiklager von Keimfarben in SAP

Farbe bekannt

 

Ohne die Keimfarben GmbH & Co KG wäre die Fassade des Weißen Hauses in Washington wahrscheinlich nicht so dauerhaft weiß. Denn das mittelständische Unternehmen aus Diedorf bei Augsburg mit 400 Beschäftigten hat sich weltweit einen hervorragenden Ruf als Hersteller hochwertiger Farbsysteme für Fassaden und Innenräume erarbeitet. Zum Portfolio zählen auch mineralische Putze und Spachtelmassen, Naturstein-Instandsetzungssysteme, Wärmedämm-Verbundsysteme sowie Lösungen für Betoninstandsetzung und -oberflächenschutz. Um auch künftig sicherzustellen, dass die hochwertigen Mineralfarben aus Diedorf pünktlich auf Baustellen, bei Handel, Handwerk und Keim-Vertriebsgesellschaften im In- und Ausland eintreffen, investierte das Unternehmen in ein automatisches Palettenlager, das in die bestehenden SAP-Prozesse integriert wurde. Generalunternehmer war die viastore systems GmbH aus Stuttgart.

 

Neben der hohen Produktqualität hat Keimfarben eine zweite wichtige Kernkompetenz: die hohe Lieferbereitschaft. „Wenn ein Handwerker auf dem Gerüst steht und noch einen Eimer einer ganz bestimmten Farbe braucht, muss er den auch innerhalb kürzester Zeit erhalten“, schildert Wolfgang Listle, Produktionsleiter bei Keimfarben, die Herausforderung. „Ruft der Kunde vormittags an, bekommt er seine Ware, ob lagerhaltig oder nicht, am nächsten Tag, wenn das erforderlich ist.“ Um die wirkliche Herausforderung hinter dieser Logistikleistung zu erkennen, muss man etwas genauer hinter die Kulissen blicken.

 

 

Jeder Farbton individuell gefertigt

Die Grundlage für die Keim’schen Mineralfarben schuf der Handwerker und Forscher Adolf Wilhelm Keim bereits 1878 mit der Erfindung der Silikatfarbe. Hierbei handelt es sich um eine Mischung aus flüssigem Kaliumsilikat (Wasserglas) und anorganischen Farbpigmenten. Das Resultat war eine lösemittelfreie Farbe, die mittlerweile weltbekannt ist wegen ihrer Qualität, Dauerhaftigkeit, Schutzfunktion und Lichtechtheit. Heute noch existieren Originalanstriche aus dem 19. Jahrhundert wie die Fassaden des Gasthauses „Weißer Adler“ in Stein am Rhein oder der Rathäuser in Schwyz, Traunstein oder Oslo aus dem 19. Jahrhundert. Daran ist zu erkennen, dass höchste Qualität und Nachhaltigkeit feste Bestandteile der Unternehmensphilosophie sind. Beeindruckende Referenzen belegen das. Dazu zählen neben dem Weißen Haus das Arlington Museum in den USA, Stift Melk in Österreich, die Tate Modern Gallery in London, Schloss Nymphenburg in München, der Frankfurter Römer, die Porsche Arena in Stuttgart oder das Schloss Bellevue, der Amtssitz des Bundespräsidenten in Berlin.

 

Die Keimfarben-Produkte werden bei Neubauprojekten, aber insbesondere in der Renovierung und im Denkmalschutz eingesetzt. „Das erhöht natürlich die Anzahl der individuellen Farbtöne und -schattierungen“, erläutert Produktionsleiter Wolfgang Listle. „Aus diesem Grund ergibt es keinen Sinn, alle Farben in allen Abtönungen und Varianten am Lager vorzuhalten.“ Das Unternehmen liefert Beschichtungssysteme für ganz unterschiedliche Anwendungen innen und außen. „Es sind schon sechs ‚weiße’ Basisfarben, die dann abgetönt werden“, sagt Listle weiter. „Allein bei den Beschichtungen kämen wir dann auf eine Anzahl von mehr als 50.000 Farbtonvarianten, von denen die meisten über einen längeren Zeitraum nicht gebraucht werden würden.“

 

Damit wird der Farbton für jede Kundenbestellung individuell hergestellt. „Nach gleichem Rezept und nach gleicher Methode wie früher – nur die Anlagen sind etwas moderner“, schmunzelt er. Das macht die Fertigung von Farbtönen eher zu einer kundenspezifischen Manufaktur. Von allen Projekten, die jemals mit Farben von Keim beschichtet worden sind, liegen in Diedorf Rezepturen und Proben vor. „Falls zum Beispiel am Rathaus in Traunstein ein Teil der Fassade ausgebessert werden muss, können wir damit den originalen Farbton erstellen“, schildert Wolfgang Listle. „Damit ist der Originalfarbton auch bei Ausbesserung oder Sanierung wirklich original.“ Um das zu erreichen, setzen seine Meister auf moderne Computerprogramme, deren Ergebnisse sie zusätzlich visuell mit den Originalproben vergleichen. Bis zu 200 Tonnen Farbe gehen in Spitzenzeiten so durch die Fertigung und zum Kunden – am Tag. Dabei wird die Farbe nicht einfach, wie etwa im Baumarkt, nur mit Pasten gemischt, sondern mineralische Pigmentpulvermischungen werden individuell angesetzt. „Eine Luftblase in einer automatisch dosierten Paste würde den Farbton verändern“, sagt Wolfgang Listle. „Das wäre mit unseren Qualitätsansprüchen nicht zu vereinbaren.“

 

Neues APL sorgt für mehr Raum

Dieser Anspruch, die hohe Produktqualität individuell und originalgetreu herzustellen und innerhalb dieser kurzen Frist den Kunden zu liefern, stellt die wirkliche Herausforderung an die Intralogistik dar. Zumal Diedorf der einzige Keimfarben-Standort ist, an dem Silikatfarben hergestellt werden. Das Werk Alteno in Brandenburg produziert Mineralputze und ist gleichzeitig Vertriebsstandort für die Silikatfarben – so, wie auch die Niederlassungen in Köln und Hannover. Damit ist der Spezialist für mineralischen Bautenschutz ganz nah am Kunden. Denn auch hier können die Farben ganz nach Wunsch abgetönt werden – die Abtönkonzentrate und die weißen Basisfarben werden aus Diedorf beigesteuert. Diese Kundennähe gilt nicht nur für Deutschland, sondern weltweit. Dafür sorgen elf Tochterfirmen in Europa und in den USA.

 

Das Werk in Diedorf wurde 1989 gebaut und 1994 zum ersten Mal erweitert. Zehn Jahre später waren die Kapazitäten wieder erschöpft. Vor allem der Lagerbereich platzte aus allen Nähten. Aus diesem Grund beauftragte die Keimfarben GmbH & Co KG den Stuttgarter Intralogistik-Spezialisten viastore systems mit einem zweigassigen automatischen Palettenlager (APL), das direkt an die Produktion angebunden und neben die bestehenden konventionell bedienten Lagerbereiche gebaut wurde. viastore lieferte das System, das aus dem Lagersilo, den Regalbediengeräten viapal, der Fördertechnik und der SAP-Integration besteht, als Generalunternehmer.

 

Das APL ist etwa 70 Meter lang, 22 Meter hoch und bietet um die 3.000 Stellplätze. Auf Euro-Paletten werden hier die verschiedenen weißen Innen- und Außenfarben gelagert, die später an den Kunden ausgeliefert oder bedarfsbezogen mit den Farbkonzentraten abgetönt werden. Ebenfalls auf Euro-Paletten im APL gelagert werden Abtönkonzentrate und gängige Farbtöne der Keimfarben-Farbpalette. Zudem befindet sich noch Handelsware im APL. All diese Waren werden als Ganzpalette ausgelagert – angebrochene Paletten werden nicht mehr zurückgelagert, sondern in den manuellen Lagerbereich für Kleinmengenbestellungen verbracht. „Früher haben wir aus Platzgründen kaum auf Vorrat produzieren können, nicht einmal die Standardprodukte. Das bedeutete, dass wir die Maschinen immer wieder je nach Auftragssituation umrüsten mussten und so viel Zeit verloren und Kosten verursacht haben“, erklärt Produktionschef Listle.

 

Im manuellen Lager werden zudem Putze, weitere Beschichtungssysteme, Untergrundbehandlungen und auch Handelswaren untergebracht, die das Sortiment von Keimfarben ergänzen. 80 Prozent der Ware kommt aus der eigenen Produktion. In der Winterzeit, wenn es auf dem Bau etwas ruhiger zugeht, produziert Keimfarben die Farbpulver für die Abtönkonzentrate. Diese werden in IBC (Intermediate Bulk Container) verpackt, die die Grundfläche einer CP-1-Palette haben. Diese IBC lagern ebenfalls im APL und werden nach Bedarf der Produktion zugeführt. Zudem dient das APL als Puffer für individuell gefertigte Waren, deren Liefertermin erst später ist. „Das ist vor allem bei unseren Tochtergesellschaften der Fall“, sagt Wolfgang Listle.

 

Durchgängige Lagerprozesse

Die Waren, die für das APL vorgesehen sind, kommen direkt aus der Produktion. Nachdem die Farben in Eimer abgefüllt worden sind, werden diese automatisch auf den Euro-Paletten gestapelt. Ein Lagermitarbeiter setzt diese Paletten dann mit dem Stapler auf einen Kettenförderer, der sie zu einer Folienschrumpfanlage transportiert, um die Ladung zu sichern. „Eine besondere Herausforderung war hier, dass die Palettenfüße frei bleiben“, erklärt viastore-Projektleiter Ludger Schmitz. „Denn erstens befindet sich der Barcode auf dem mittleren Palettenfuß – der muss automatisch gelesen werden können. Zweitens muss die Gabel des automatischen Regalbediengeräts die Palette problemlos greifen können – was nicht geht, wenn der Freiraum mit Folie ausgefüllt ist.“ Diese Herausforderung haben die Fachleute gelöst, indem die Palette beim Schrumpfvorgang etwas angehoben wird und die Folie damit nur an den Ecken anliegt. Von dieser Anlage gelangt die Palette dann auf einen Querverfahrwagen, der sie schließlich zum Übergabeplatz bringt, an dem sie das RBG viapal übernimmt und im APL einlagert. Die Auslagerung erfolgt nach dem gleichen Prinzip – nur auf der gegenüberliegenden Seite des APL. „Damit haben wir die Ein- und Auslagerung komplett voneinander entkoppelt und können den neu gewonnenen Raum optimal nutzen“, betont Wolfgang Listle.

 

Zwei-/Dreifach-Lagerung

Bereits seit 1995 nutzt Keimfarben SAP. „Sämtliche Geschäftsprozesse sind in SAP integriert“, sagt Listle. Nicht zuletzt dadurch erreicht das Unternehmen seine hohe Produktqualität und Lieferbereitschaft. Denn SAP sorgt hier für ein hohes Maß an Transparenz. „Deshalb war es für uns wichtig, auch das APL in SAP abzubilden. Aus meiner Sicht ist viastore das einzige Unternehmen am Markt, das über eine so hohe Intralogistik-Kompetenz in Verbindung mit einer so hohen SAP-Kompetenz verfügt.“ Peter Auderer, SAP-Projektleiter bei viastore, ergänzt: „Die Produktionsprozesse von Keimfarben sind komplett in SAP integriert, ebenso die bestehenden Lagerbereiche. Aus diesem Grund war es der richtige Weg, auch die Automatikanlage ins SAP LES zu integrieren.“ Dafür entwickelten die SAP-Spezialisten eigens einige Features, um SAP auch für Automatikanlagen effizient nutzen zu können. Weil Keimfarben beispielsweise mit der Euro- und der CP-1-Palette zwei Ladehilfsmittel mit unterschiedlich großen Grundflächen verwendet – die Euro ist 1.200 x 800 mm, die CP 1 ist 1.000 x 1.200 mm groß – passen auf ein Regalfeld entweder drei Euro oder zwei CP-1-Paletten. „Diese Zwei-/Dreifach-Lagerung muss in SAP abgebildet werden, damit es zu keinen Konflikten bei der automatischen Einlagerung kommt“, erklärt Peter Auderer. „Nicht dass der Lagerplatz in SAP noch als verfügbar gemeldet ist, das RBG aber nicht einlagern kann, weil hier schon eine CP-1-Palette steht.“ Die Kommunikation mit der Gerätesteuerung auf Fahrbefehlsebene übernimmt ein sogenannter Lagersteuerrechner, den viastore entwickelt hat. „viastore hat beispielsweise auch die SAP-Kommissionierdialoge so vereinfacht, dass wir die Paletten per einfachen Tastendruck oder Scan aus dem APL abrufen können – ohne uns durch Menübäume klicken zu müssen“, berichtet Wolfgang Listle. „Die einfache Bedienung insgesamt und die intensive Betreuung durch die viastore-Mitarbeiter hat maßgeblich dazu beigetragen, dass unsere Mitarbeiter das neue System innerhalb von zwei Wochen akzeptiert haben und damit wie selbstverständlich arbeiteten.“

 

Kommissionierung auf den Punkt

Die Zusammenstellung eines Auftrags aus den unterschiedlichen Lagerbereichen und der Produktion erfolgt dank der hohen Integration in SAP und der daraus resultierenden Transparenz recht einfach. Sobald die Bestellung eingeht, gibt SAP einen Auftrag an die Produktion weiter und druckt gleichzeitig die Lieferpapiere sowie einen Barcode-Label. Die Fertigstellung der individuell abgetönten Farbe definiert dabei den Abholzeitpunkt für den Speditionsdienstleister. In der Zwischenzeit holt der Kommissionierer anhand der Listen die erforderlichen Waren aus den manuell bedienten Lagern, konsolidiert sie an den Versandrampen und macht sie gemeinsam mit den individuell gefertigten Produkten versandfertig. Erst wenn der Lkw verladebereit auf dem Hof steht, geht der Mitarbeiter mit dem Barcode-Label zum APL, scannt diesen, die erforderlichen Produkte aus diesem Lagerbereich werden ausgelagert und zum Lkw gebracht. „Das APL arbeitet so zuverlässig“, schildert Wolfgang Listle, „dass wir mit diesem Vorgang die Bestellung erst im letztmöglichen Moment abschließen. Das spart uns enorm viel Platz auf der Bereitstellfläche an den Rampen.“ Mit dem Projektverlauf ist der Produktionsleiter sehr zufrieden. „Ich habe keine Idee, wo es hätte noch glatter verlaufen können“, sagt er.

 

Die große Fassadenfläche des APL-Silos hat übrigens neben dem effektiven Schutz gegen Wind, Wetter und Temperaturunterschiede noch eine ganz andere Aufgabe. Sie ist das größte Schaufenster des Unternehmens. Denn auf großen Farbfeldern sind die Produkte zu sehen, die im Inneren des Gebäudes lagern. Zur besseren Ansicht für die ICE-Reisenden zwischen München und Stuttgart – die Trasse führt unweit am Lager vorbei – werden die Farbkästen nachts beleuchtet.

 

 

Quelle:  viastore systems

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