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Viele Hürden auf dem Weg aus der Krise

„Der produzierende Sektor ist und bleibt der entscheidende Faktor, damit die heimische Wirtschaft in der aktuellen Krise nicht ins Bodenlose stürzt und der Wohlstand in Niederösterreich so gut wie irgendwie möglich erhalten werden kann. Insgesamt hat die niederösterreichische Industrie das Jahr 2020 angesichts der Rahmenbedingungen außergewöhnlich gut gemeistert“, so Thomas Salzer, Präsident der Industriellenvereinigung NÖ (IV-NÖ) und Helmut Schwarzl, Obmann der WKNÖ-Sparte Industrie, beim gemeinsamen, virtuellen Pressetermin am 29. Jänner 2021. Mit konkreten Maßnahmen soll die Konjunktur weiter angekurbelt werden, damit die Betriebe möglichst schnell ihren Weg aus der Krise finden.

Insgesamt hat sich die Stimmung unter den Betrieben laut den Ergebnissen der jüngsten Konjunkturumfrage der IV-NÖ deutlich gebessert. Das IV-NÖ-Konjunkturbarometer ist im vierten Quartal 2020 von -6 auf +16,6 Punkte deutlich gestiegen. Das bedeutet, dass bei den befragten 38 Industrieunternehmen seit über einem Jahr wieder eine positive Grundstimmung überwiegt. „Das ist angesichts der aktuellen Corona-Pandemie bemerkenswert und zeigt, dass die Unternehmerinnen und Unternehmer optimistisch bleiben“, erklärt Thomas Salzer, Präsident der Industriellenvereinigung NÖ (IV-NÖ).

Dennoch gebe es viele Unsicherheitsfaktoren für eine kräftige wirtschaftliche Erholung: „Dazu zählen etwa die die unklare Dauer Pandemie und der einschränkenden Maßnahmen, insbesondere durch neue Mutationen oder Verzögerungen bei der Lieferung des Impfstoffes. Diese unvorhersehbaren Entwicklungen schränken die Planungssicherheit für die Unternehmen massiv ein“, so Salzer. Je nach Branche können die weiteren Entwicklungen höchst unterschiedlich ausfallen, wie Salzer erklärt. Vieles hänge davon ab, wann die Gastronomiebetriebe wieder aufsperren dürfen. „Schließlich sind viele Industrieunternehmen Zulieferer für Gastronomie und Hotellerie“, ergänzt Helmut Schwarzl, Obmann der Sparte Industrie in der WKNÖ. Zuversichtlich stimme jedenfalls die Sparquote, die sich seit Beginn der Krise deutlich erhöht hat: „Wenn der Konsum wieder anzieht, hilft das all jenen Industrieunternehmen, die Konsumgüter produzieren“, so Schwarzl.

ZT: Mit betrieblichen Testungen und Impfungen aus der Krise.
Niederösterreich hat jedenfalls als erstes Bundesland ermöglicht, dass sich Firmen als betriebliche Impfstellen registrieren lassen können. „Das wird hervorragend angenommen und wir wollen in den Betrieben einen Beitrag leisten, damit die Bevölkerung rasch durchgeimpft wird“, erklärt Helmut Schwarzl. Dass bereits definierte Risikogruppen Vorrang bei der Impfstrategie haben müssen, stehe natürlich außer Frage. „Danach muss es aber möglichst rasch Impfmöglichkeiten für Schlüsselkräfte aus der Industrie geben, damit wichtige Geschäftsreisen wieder möglich werden“, ergänzt Salzer. Betriebliche Antigen-Schnelltests gehören in vielen Industrieunternehmen bereits zum Betriebsalltag: „Die Sozialpartner WKNÖ und AKNÖ haben seit Oktober kostenlose Tests angeboten. Große Firmen wie Schoeller Bleckmann oder ZKW und viele andere haben mit dem Arbeitsmedizinischen Zentrum sehr gute Erfahrungen gemacht. Nun können wir ab nächster Woche mit betrieblichen Teststraßen starten, die vom Bund getragen werden“, erklärt Schwarzl.

ZT: Aktuelle Situation besser bewertet als im Herbst.
Die Detailergebnisse der IV-NÖ-Konjunkturumfrage zur aktuellen Geschäftslage weisen eine deutliche Verbesserung auf seit dem dritten Quartal 2020 auf. 41 Prozent der befragten Unter-nehmen bewerteten ihre aktuelle Geschäftslage als gut, nur noch fünf Prozent als schlecht und 54 Prozent als durchschnittlich. Damit stieg der Bewertungssaldo von +12 auf +35 Pro-zentpunkte. Auch bei der Einschätzung des aktuellen Auftragsstands stieg der Saldo von +16 Prozentpunkten auf +24. Gebessert hat sich auch die derzeitige Ertragssituation: Hier stiegt der Bewertungssaldo von -10 Prozentpunkten im Vorquartal auf nunmehr +5.

Verbessert haben sich zudem die Einschätzungen zu den aktuellen Auslandsaufträgen: Hier liegt der Saldo auf +20 Prozentpunkte (nach -16 im Vorquartal) und ist damit wieder deutlich im positiven Bereich. Dabei schlägt sich auch die Verbesserung bei geopolitischen Rahmenbedingungen wieder: „Nach jahrelangem Hin und Her gibt es nun Klarheit beim Brexit und die US-Handelspolitik wird vorhersehbarer“, so Salzer. Ein großes Problem für die Unternehmen sei jedoch nach wie vor die eingeschränkte Reisefreiheit: „Die Industrie produziert für den Weltmarkt. Wir müssen zu unseren Kunden reisen können, andernfalls verlieren wir Aufträge – und das gefährdet Arbeitsplätze“, sagt Salzer.

ZT: Vorsichtiger Optimismus für die kommenden Monate.
Die Prognosen für die kommenden Monate sind laut Konjunkturumfrage ebenso etwas besser ausgefallen als zuletzt. So stieg etwa der Bewertungssaldo bei der Produktionstätigkeit in drei Monaten von -31 auf -7 Prozentpunkte. Dabei bewertete knapp jedes fünfte Unternehmen (19%) seine Produktionsstätigkeit in drei Monaten als schlecht, während zwölf Prozent von einer Verbesserung in den nächsten drei Monaten ausgehen. Bei der Produktionskapazität in drei Monaten geht die Mehrheit (80%) von gleichbleibenden Kapazitäten aus, während zwölf Prozent mit einer Steigerung und acht Prozent mit einer abnehmenden Produktionskapazität rechnen. Unterm Strich stieg der Bewertungssaldo merklich von -29 auf +5 Prozentpunkte.

Zudem rechnen die meisten Unternehmen (62%) mit gleichbleibenden Verkaufspreisen in den nächsten drei Monaten. Der Saldo stieg hier von -26 Prozentpunkte auf -6 Prozentpunkte. Mit einer Verbesserung rechnen doch nur 16 Prozent, während 22 Prozent von niedrigeren Verkaufspreisen ausgehen. Passend dazu erwartet auch nur eine Minderheit – und zwar nur drei Prozent – eine Verbesserung ihrer Ertragssituation in sechs Monaten. Knapp ein Drittel (30%) geht von schlechteren Erträgen im nächsten halben Jahr aus, weshalb der Bewertungssaldo hier mit -27 Prozentpunkten weiterhin deutlich negativ blieb. Bei der Bewertung der Geschäftslage in sechs Monaten stieg der Saldo von -24 auf -2 Prozentpunkte. Die Hälfte (50%) der Unternehmen rechnet mit einer gleich bleibenden Geschäftslage im nächsten halben Jahr.

ZT: Kurzarbeit kaum noch Thema in der Industrie.
Keine Verbesserung zeichnet sich vorerst bei der Arbeitsmarktsituation ab, wie weitere Detailergebnisse der Konjunkturumfrage zeigen: Jedes zweite Unternehmen geht von einem niedrigeren Beschäftigtenstand in den kommenden drei Monaten aus. 41 Prozent der Betriebe rechnen mit einem gleich bleibenden Beschäftigtenstand und neun Prozent rechnen mit mehr Beschäftigten. Kurzarbeit ist jedenfalls kaum noch ein Thema in der Industrie:
Bereits im Dezember gaben drei Viertel der Industrieunternehmen an, keine Kurzarbeit mehr einzusetzen.

ZT: Aktionsprogramm zur Stärkung der NÖ Industrie.
Das Konjunkturbelebungsprogramm des Landes NÖ beinhaltet viele positive Signale, um den krisenbedingten Nachfragerückgang einzudämmen. Ergänzend dazu haben die IV-NÖ und die Sparte Industrie der WKNÖ auf Basis der spezifischen Rückmeldungen der Industrieunter-nehmen ein Aktionsprogramm zur Stärkung der NÖ Industrie entwickelt.

„Was die NÖ Industrie braucht, sind krisenresiliente Infrastrukturen. Versorgungsstrategien und Notfallpläne sind essentiell, das hat auch das Beinahe-Blackout am 8. Jänner gezeigt“, so Schwarzl. Der Ausbau und die Stärkung des Stromnetzes werden immer wichtiger. „Wir haben keine Zeit mehr für die jahrelange Verzögerung von dringend nötigen Leitungen. Der Wunsch der EVN nach kleineren dezentralen Anlagen zur raschen Reaktion auf Schwankungen wird von uns sehr unterstützt“, so Schwarzl. Zusätzlich brauche es eine Strategie, wie die vielen Kleinwasserwerke und PV-Anlagen der Industriebetriebe in die Netzstabilität eingebunden werden können. Auch die Anforderungen an die IT-Infrastruktur sind – nicht zuletzt durch die Covid-19-Pandemie – enorm gestiegen. Aus Sicht der Industrie ist eine leistungsfähige und flächendeckende Breitbandinfrastruktur unausweichlich.

ZT: Fachkräftemangel könnte sich verschärfen.
Beim Thema Fachkräfte sehen die Industriebetriebe ebenfalls dringenden Handlungsbedarf. „Modellhochrechnungen des Industriewissenschaftlichen Instituts von 2019 zeigen, dass es einen zusätzlichen Bedarf von 1.800 bis knapp 2.000 Fachkräften in der niederösterreichischen metalltechnischen Industrie geben wird. Deshalb ist den Unternehmen Aus-, Weiterbildung und Qualifikation so wichtig.“, so Schwarzl, der auch Bildungssprecher der IV-NÖ ist. In einer Blitzumfrage der NÖ Industrie wurde abgefragt, wie sich die derzeitige Situation mit „Distance Learning“ für Lehrlinge auswirkt. „Die Rückmeldungen waren katastrophal, es gab keine positive Antwort. Vehement gefordert wurde die Rückkehr zum Präsenzunterricht, da die negativen Auswirklungen zu schweren Versäumnissen in der Ausbildung führen“, erklärt Schwarzl. Ein weiteres Problem wird 2021 sein, dass es kaum Schulabbrecher gibt, die traditionell jedoch einen Gutteil der neuen Lehrlinge ausmachen. Zudem ist es in der aktuellen Situation schwieriger, auf die Bedürfnisse der Jugendlichen einzugehen. Aus Sicht der Unter-nehmen kommt auch die Berufsorientierung zu kurz, wenn Lehrlingsmessen und Tage der offenen Tür in der bewährten Form nicht möglich sind. „Auch in Krisenzeiten suchen die Unternehmen händeringend nach Lehrlingen, um für den Aufschwung gerüstet zu sein. In der Industrie gibt es für die zukünftigen Fachkräfte zudem überdurchschnittlich hohe Verdienst- und Karrierechancen“, so Schwarzl. „Es muss oberste Priorität haben, in den Schulen wieder zum Normalunterricht zu kommen, damit einerseits Schülerinnen und Schüler an ihre Zukunft glauben können und es nicht zu noch mehr psychischen Belastungen kommt und andererseits das Interesse an Lehrberufen wegen eines einfacheren Aufstiegs in die nächste Schulstufe nicht völlig verebbt“, sagt dazu Salzer.

Positiv zu bewerten ist aus Sicht der Industriebetriebe die Investitionsprämie als Unterstützung beim Weg aus der Krise. „Die Investitionsprämie ist ein hilfreiches Instrument und daher ist es erfreulich, dass der Projektstart für die Investitionen ausgedehnt wurde. Untersuchungen aus bisherigen Wirtschaftskrisen zeigen, dass Unternehmen, die in F&E investieren, widerstandsfähiger sind und sich rascher wieder erholen“, so Schwarzl. „Um die heimischen Unternehmen und ihre Beschäftigten weiter zu unterstützen, wäre zudem eine Verlängerung der Frist zwischen Antragstellung und Projektabschluss sowie eine Anhebung der Obergrenze sinnvoll“, ergänzt Salzer.

Befragungsmethode der IV-NÖ-Konjunkturumfrage:
Bei der Befragung, die die IV-NÖ quartalsweise in Auftrag gibt, haben dieses Mal 38 Unter-nehmen mit insgesamt 20.419 Beschäftigten teilgenommen. Der Befragungszeitraum umfasste den 10. Dezember 2020 bis 13. Jänner 2021. Das Konjunkturbarometer ist der Mittelwert aus der Beurteilung der gegenwärtigen und zu-künftigen Geschäftsentwicklung bei den befragten Unternehmen. Bei den Detailergebnissen der Konjunkturumfrage der IV kommt die folgende Methode zur Anwendung: Den Unternehmen werden drei Antwortmöglichkeiten vorgelegt: positiv, neutral und negativ. Errechnet wer-den die (beschäftigungsgewichteten) Prozentanteile dieser Antwortkategorien, danach wird der konjunktursensible „Saldo“ aus den Prozentanteilen positiver und negativer Antworten unter Vernachlässigung der neutralen gebildet. Diese Werte werden auch für die grafische Darstellung der Ergebnisse herangezogen.

Pressefotos und Grafiken in Kürze unter:
https://niederoesterreich.iv.at/de/presse/

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