Vorsicht Einsturzgefahr!
Was ist nur los mit dem Musterland Deutschland? Zuerst die nicht enden wollenden Diskussionen um das Bahnprojekt Stuttgart 21. Dann die peinlichen Bauverzögerungen am neuen Berliner Flughafen. Und zu allem Übel mehren sich angesichts der klammen öffentlichen Kassen die Anzeichen, dass die Gelder, die von den prestigeträchtigen Mega-Projekten verschlungen werden, bei der dringend notwendigen Sanierung von Schlaglöchern, bröckelnden Brücken oder veralteten Gleiskörpern fehlen. Lässt sich der drohende Verkehrsinfarkt in Deutschland eigentlich überhaupt noch verhindern?
Die Erfahrungen der letzten Monate lassen Schlimmes erahnen: Allein auf der Leverkusener Autobahnbrücke wurden im Dezember so viele Risse gezählt, dass das viel befahrene Teilstück der Autobahn A1 über den Rhein für den Lkw-Verkehr gesperrt werden musste. Transporteure, die benachbarte Industrieunternehmen wie Bayer, Ford oder Lanxess bedienen, werden nun schon seit etlichen Wochen zu kilometerlangen Umwegen gezwungen. Doch auch auf den Ausweichstrecken ist die notorische Überbelastung deutlich sichtbar. Manche Verkehrstrassen sind ebenfalls veraltet. Für den Lkw-Verkehr sind sie deswegen leider auch nur noch sehr eingeschränkt befahrbar.
Marode Brücken fast überall
Notstandsmeldungen, wie sie aus der Rheinmetropole kommen, sind leider nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Aus fast allen Regionen der Republik mehren sich seit geraumer Zeit die Klagen, dass die Brücken aus den 1950-er bis 70-er Jahren der zunehmenden Belastung durch den Güterverkehr nicht mehr Stand halten. Die von den deutschen Landesverkehrsministerien eingesetzte Daehre-Kommission beziffert das Problem: Über eine Laufzeit von 15 Jahren müssten jährlich mindestens 4,2 Milliarden Euro in die Hand genommen werden, um der veralteten deutschen Straßeninfrastruktur wieder auf die Sprünge zu helfen, heißt es in dem von den Verkehrsexperten Ende Dezember verfassten Abschlussbericht über die „Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“.
Eine stolze Summe, denn längst nicht nur beim Straßenbau klafft ein eklatantes Finanzierungsproblem. Damit auch die Sanierung maroder Eisenbahnbrücken, bröckelnder Schwellen oder der von den Güterbahnen dringend geforderte Netzausbau weiter vorangetrieben werden können, stimmen Experten von Bund, Ländern und Verbänden überein, dass der Bund pro Jahr mindestens noch einmal Milliarden Euro pro Jahr locker machen müsste, um die teilweise prekären Engpasssituationen im deutschen Schienenverkehr einigermaßen wirkungsvoll zu beheben.
Endlosdiskussionen nützen hier nichts mehr. Es braucht dringend Lösungen, mit denen verhindert werden kann, dass Staatsgelder in Milliardenhöhe weiter in Großbaustellen versickern. Es braucht auf der anderen Seite klare Finanzierungskonzepte, mit denen sich wenigstens die dringlichsten Sanierungs- und Ausbauinvestitionen ohne weitere Verzögerungen stemmen lassen.
Der österreichische Weg, den Etat für Verkehrsinfrastrukturprojekte über die jährlichen Einnahmen aus der Pkw-Vignette aufzustocken, ist bestimmt nicht der schlechteste Weg. Immerhin versetzt er die Verkehrspolitiker in der Alpenrepublik in die vorteilhafte Ausgangssituation einer klaren finanziellen Planungsgrundlage.
Nur, ob es in Deutschland realistisch ist, eine von in- und ausländischen Autofahrern gleichermaßen finanzierte, zusätzliche Verkehrsabgabe in dem durch die marode Infrastruktur bedingten Zeitrahmen verkehrspolitisch durchzusetzen? Das bleibt in Anbetracht der bevorstehenden Bundestagswahl – nicht zuletzt aber auch wegen der bärenstark aufgestellten deutschen Autolobby – mehr als fraglich.
Das einzige, was derzeit sicher erscheint, ist, dass sich die Experten der Logistikbranche auch in knapp drei Monaten bei der Münchener Leitmesse transport logistic noch eingehend mit diesem Thema beschäftigen werden …
Quelle: LE Magazin 01-2013