VW-Dieselskandal: Thermofenster laut EuGH unzulässig

Mit dem heute verkündeten Urteil bestätigte der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass es sich beim sogenannten „Thermofenster“ um eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zur Typengenehmigung von Kraftfahrzeugen handelt. Das Thermofenster ist eine Software, die die Funktionsfähigkeit des Abgasrückführungssystems innerhalb eines Temperaturfensters regelt. Nur bei einer Außentemperatur zwischen 15 Grad und 33 Grad Celsius ist die Abgasrückführung und damit die Abgasreinigung voll wirksam. Die Ausnahmeregelungen zum Motor- und Unfallschutz könnten zwar zur Anwendung kommen, allerdings nur unter sehr eingeschränkten und wohl unwahrscheinlichen Bedingungen. In den 16 Sammelklagen des VKI ist diese weitere Abschalteinrichtung daher aus Sicht des VKI bei der Bemessung des Schadenersatzes zu berücksichtigen.

Der EuGH führt aus, dass eine Einrichtung, die die Einhaltung der Grenzwerte für Stickstoffoxidemissionen nur innerhalb eines Thermofensters gewährleistet, grundsätzlich eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Unionsrechts darstellt. Der EuGH weist dabei darauf hin, dass im EU-Unionsgebiet Umgebungstemperaturen von weniger als 15 Grad üblich sind und die Grenzwerte auch bei Temperaturen deutlich unter 15 Grad einzuhalten sind. Nur dann, wenn dadurch schwerwiegende unmittelbare Risken für eine Beschädigung des Motors oder für einen Unfall vermieden werden sollen, könnten die Dinge anders zu beurteilen sein. Dabei ist aber wesentlich, dass eine Abschalteinrichtung, wenn sie unter normalen Bedingungen den überwiegenden Teil des Jahres funktionieren müsste, jedenfalls unzulässig ist. Daher kann eine solche Abschalteinrichtung nicht notwendig sein.

Der EuGH stuft die Vertragswidrigkeit eines Fahrzeuges mit einer verbotenen Abschalteinrichtung außerdem im Sinne der Verbraucher als nicht geringfügig ein. Dieses Urteil zu der aus dem Softwareupdate resultierenden Abschalteinrichtung bedeutet Rückenwind für alle 10.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der an allen Landesgerichten anhängigen 16 Sammelklagen, die der Verein für Konsumenteninformation (VKI) im Auftrag des Bundesministeriums für Soziales, Pflege, Gesundheit und Konsumentenschutz (BMSGPK) und der Bundesarbeitskammer (BAK) und mit Unterstützung des Prozesskostenfinanzierers Omni Bridgeway im Herbst 2018 eingebracht hat. Denn nun gibt es ein weiteres Argument dafür, dass die Käuferinnen und Käufer zu viel für ihre Fahrzeuge mit mehreren unzulässigen Abschalteinrichtungen bezahlt haben. Bei der Schadensbemessung wird dieser Umstand daher zu berücksichtigen sein. Das Thermofenster-Problem ist bisher auch nicht behoben. Eingeklagt wurden in den Sammelklagen 20 Prozent des Kaufpreises.

Hinzu kommt, dass nach den kürzlichen Äußerungen des Generalanwaltes Rantos in einem anderen Vorlageverfahren beim EuGH bei der Schadensbemessung im Zusammenhang mit Abschalteinrichtungen ein Abschreckungseffekt zu Lasten des schuldigen Herstellers zu berücksichtigen ist. Außerdem ist nach Rantos auch immaterieller Schadenersatz wegen des Verstoßes gegen Unionsrecht möglich.

VW zeigt sich in Österreich – anders etwa als beim kürzlichen 227 Millionen Euro Vergleich in Großbritannien – bisher überhaupt nicht bereit, die Betroffenen angemessen zu entschädigen. Das kann auch im Lichte der Urteile in anderen europäischen Sammelverfahren nur weiterhin als massive Verzögerungstaktik verstanden werden. Dass Schadenersatz zusteht, wurde zuletzt etwa in Sammelverfahren in Italien und Spanien in erster Instanz geurteilt. Dort wurden jeweils rund 3.000 Euro zugesprochen.

„Die EuGH-Entscheidung ist eine weitere Ohrfeige für VW im Dieselskandal. Wir sind gerade auch im Lichte dieser Entscheidung zuversichtlich, entgegen aller Verzögerungstaktik von VW angemessenen Schadenersatz für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der VKI-Sammelklagen zu erreichen, welche seit Jahren um ihr Recht kämpfen. Auch für alle anderen mehr als 300.000 Betroffenen in Österreich soll klargestellt werden, wie viel Schadenersatz VW zu leisten hat“, kommentiert Mag. Thomas Hirmke, Leiter des Bereichs Recht im VKI.

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