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Was wäre die Wirtschafts- Welt ohne Standards?

Die Postkutsche nahm alles mit, was reinpasste, das Mehl kam in Säcken und der Ladenbesitzer wusste alle Preise auswendig. Dafür gab es aber nur 30 Produkte insgesamt und davon war eines aus Schokolade. Heute hat ein großer Supermarkt 300 Produkte aus aller Welt mit und aus Schokolade, von den anderen Tausenden Artikeln ganz zu schweigen. Wie lange wäre die Kassenschlange da wohl ohne Barcode-Scanner? Redaktion: Angelika Thaler

Leser über 40 werden sich vielleicht noch erinnern, was für eine Sensation es war, als im Jahr 1983 die ersten Scannerkassen Österreichs installiert wurden. Johann Meier, heute Director Logistics Software LBASE, Imtech ITC Austria GmbH, kann sich noch lebhaft erinnern: „Ich war für die Einführung der Scannerkassen bei einem Dogro (Zumtobel) in Vorarlberg zuständig. Das Sortiment umfasste rund 140.000 Artikel – und etwa zwei Drittel davon hatten keine Strichcodes. Was haben wir gemacht? Im Lager einen Etikettendrucker installiert und die Codes selbst ausgedruckt und aufgeklebt. Als nächsten Schritt haben wir dann schon die ausgedruckten Etiketten den Lieferanten mitgegeben, damit die sie aufkleben.“ Echte Pionierarbeit musste auch in den Köpfen der Mitarbeiter geleistet werden, für die der Umgang mit den Handscannern natürlich komplettes Neuland darstellte, denn „die Mitarbeiter hatten Angst, dass der Laser ihnen das Handgelenk durchschneidet“, berichtet er.

Erst umfassende Schulungen zum Umgang mit dem ungewohnten Arbeitsgerät und die Erkenntnis, dass es so viel schneller ging, brachten die Wende. Damit die gescannte Schokolade aber auch wirklich als 100 g Vollmilch und nicht als 300 g Ganznuss auf der Rechnung steht, war intensive Vorarbeit nötig: Schon 1977 begann EAN – heute GS1 – mit der Vergabe von Systemlizenzen, der Grundlage für die artikelgenaue Erfassung der Waren am POS mittels EAN-Code. Meier: „EAN Austria übernahm die wichtige Kommunikation zwischen Großhändlern, Lieferanten und Produzenten und stellte den Datenfluss her.“

Langer Weg
Wenigen ist bewusst, wie viele Informationen sich hinter einem Strichcode verbergen. Damit aber jeder weltweit diese Informationen auch auslesen und verarbeiten kann, müssen sie einheitlich sein – und hier kommen die Standards ins Spiel. „Irgendwann kam die Idee, schon im Voraus von Lieferanten über neue Nummern – beispielsweise aufgrund einer besonderen Weihnachtsverpackung für ein Produkt – informiert zu werden. Angesichts rasanter technischer Weiterentwicklungen war der logische nächste Schritt, Rechnungen, Lieferscheine usw. elektronisch zu übermitteln, nachdem die gelieferte Ware gescannt wurde, anstatt alles zu faxen oder gar per Post zu senden“, denkt Meier zurück. Doch welche Daten werden übermittelt? Was steht alles in einem Lieferschein? Um hier eine einheitliche Richtlinie zu schaffen, wurde 1987 das internationale Datenformat EANCOM® geschaffen. Meier: „Das hat super funktioniert, bis auf drei Großkonzerne, die anfangs noch ihre eigenen Standards verfolgten – Spar, Metro und REWE.“ Die Problemlösung lieferte abermals EAN-Austria, indem sie eine Art Mailbox einrichteten, wo sowohl Lieferanten, als auch Händler ihre Informationen zwecks zentralen Datenaustauschs hinterlegten. Wenig später einigte man sich glücklicherweise auf einen gemeinsamen Standard.

Unverzichtbar
Ein Blick in den Supermarkt der Gegenwart zeigt, dass Waren heutzutage aus aller Welt kommen. Von der beliebten Banane über den Kaffee bis hin zu Shrimps, allein die Lebensmittel stammen von allen Kontinenten. Die Informationen und Daten reisen dabei ebenfalls rund um den Globus. „Als der Greißler die Äpfel nur vom Bauern um die Ecke erhielt, ging das noch ohne viel Aufwand. Aber bei der heutzutage üblichen Vernetzung muss alles normiert sein, sonst gerät der Datenverkehr ins Stocken“, verdeutlicht Meier. Denn – so der Zeitzeuge weiter: „hältst du dich nicht an diese Standards, macht auch keiner mit dir Geschäfte, der Aufwand und der Kostendruck sind dafür viel zu hoch.“ GS1 Austria, 2005 aus EAN-Austria umbenannt, ist eine Non-Profit-Organisation, die ein weltweit eindeutiges Identifikationssystem für Standorte, Artikel, Versandeinheiten und alles andere, für den globalen Handel nötige, zur Verfügung stellt. Besonders praktisch ist dabei GS1 Sync, die neue Plattform zum elektronischen Austausch von Produktdaten. Vor 30 Jahren war eine Scannerkassa eine Sensation, heute gibt es sie in fast jeder kleinen Trafik. Wo wird die Technik wohl in weiteren 30 Jahren stehen? Wie die Zukunft auch aussehen mag, GS1 wird live dabei sein. (AT)

Quelle: LOGISTIK express Fachzeitschrift 4/2014

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