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Werkbank der Welt verlängert sich. Südostasien als Produktionsbasis zunehmend attraktiv

Es gibt zunehmend gute Gründe für Unternehmen ihre Produktion oder auch Verwaltung in die ASEAN-Staaten zu verlegen. Einerseits motivieren der Trend zur Lieferketten-Diversifizierung und der Handelstreit zwischen den USA und China zu diesem Schritt, anderseits bieten die ASEAN-Staaten viele Standortvorteile wie ein geringeres Lohnniveau und eine gute Infrastruktur. Besonders der Einstieg in Singapur kann sich lohnen, der durch verschiedenste Programme sogar gefördert wird.

Redaktion: Dirk Ruppik

Südostasien (SOA) positioniert sich zunehmend als Alternative zum Produktionsstandort China und als Zentrum für globale Wertschöpfungsketten. Ein Beleg dafür ist, dass immer mehr Firmen Ihre Produktion vom Land der Mitte nach Südostasien verlegen. Laut einer Umfrage des Forschungsinstituts Gartner in 2020 will ein Drittel der befragten Unternehmen bis Ende 2023 zumindest einen Teil seiner Produktion aus China abziehen. Beispiele sind Firmen wie Stanley Black & Decker, Dell, HP, Haspro, Samsung, Puma und Kia Motors. Samsung hat bereits seine Smartphone-Produktion in 2019 in Huizhou, China geschlossen. Zudem stellte das koreanische Unternehmen seine Computer-Produktion in 2022 in Suzhou ein. Als Hauptgrund wurde der sich verschärfende Handelskrieg zwischen China und den USA angegeben. Allerdings hat das Tech-Unternehmen in den letzten Jahre bereits einen erheblichen Teil seiner Produktion nach Vietnam verlagert und mehrere Produktionsstätten eröffnet, darunter eine in der Provinz Bac Ninh und eine in der Provinz Thai Nguyen. Dort werden verschiedene elektronische Produkte wie Smartphones, Fernseher und andere elektronische Geräte hergestellt. Laut Samsung waren besonders die günstigeren Arbeitskosten, das Potenzial an gut ausgebildeten Fachkräften und die guten Wirtschaftsbedingungen dafür entscheidend. Das Investment des Elektronikindustrie-Giganten in Vietnam beläuft sich mittlerweile auf mehr als 20 Milliarden US-Dollar (rund 19 Milliarden Euro).

Auch der deutsche Sportartikelhersteller Puma fertigt immer mehr seiner Produkte in Bangladesch, Kambodscha, Indonesien und Vietnam. Ein Grund dafür sind die von den USA für chinesische Produkte verhängten Importzölle. China und die USA haben sich gegenseitig im Handelskrieg seit 2018 mit Strafzöllen überzogen. Die USA verhängt z. B. Importzölle von zusätzlich 25 Prozent auf verschiedene Produkte chinesischen Ursprungs als Ausgleich für Verstöße gegen geistige Eigentumsrechte und erzwungenem Technologietransfer. Rund 40 Prozent aller Puma-Sportschuhe werden mittlerweile in Vietnam gefertigt. Auch andere Sportartikelhersteller wie Nike schwören zunehmend auf Vietnam. Über 50 Prozent aller Produkte des Unternehmens werden bereits in der sozialistischen Republik gefertigt. Nike schätzt vor allem die gut ausgebildeten Arbeitnehmer und die Arbeitsmoral der Vietnamesen.

Malaysia mausert sich zunehmend zum Computerchip-Hub in SOA. Der US-amerikanische Chip-Hersteller Intel investiert sieben Milliarden US-Dollar (6,65 Milliarden Euro) in eine Chip-Fabrik in Kulim, Kedah. Die Fabrik soll in 2024 eröffnet werden und dabei helfen, den weltweiten Mangel an Computerchips auszugleichen. In unmittelbarer Nachbarschaft baut Infinion eine Fabrik für Leistungshalbleiter im Wert von 1,61 Milliarden Euro, die im dritten Quartal 2024 eröffnet werden soll. Die Malaysia Investment Development Authority (MIDA) will das südostasiatische Land zu einem Bedeutenden Produzenten für Halbleiter innerhalb der globalen Wertschöpfungsketten etablieren. Die USA und ihre Verbündeten wollen unbedingt die Entwicklung der chinesischen Halbleiter- und Computerchip-Industrie behindern und alternative Fertigungsstädten in anderen Ländern und den USA aufbauen. Die Biden-Regierung hat neue Regeln im Namen der nationalen Sicherheit erlassen, die US-amerikanische Firmen an weiteren Investments in die Computerchip-Fertigung in China hindern soll (3).

Gute Gründe für Unternehmen nach SOA zu wechseln

Neben dem US-Handelskrieg und den Auswirkungen der Corona-Pandemie mit der Notwendigkeit der Diversifizierung von Lieferketten, existieren viele andere Gründe für Unternehmen ihre Produktion von China in die ASEAN-Staaten (Brunei, Kambodscha, Indonesien, Laos, Malaysia, Myanmar, die Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam) zu verlagern. In den letzten Jahren sind die Lohnkosten in China stark gestiegen (2) während sie in den meisten ASEAN-Staaten noch niedrig liegen. Die Vorteile der südostasiatischen Staaten sind insbesondere die Nähe zu China und anderen wichtigen Märkten wie Indien und Australien. Zudem wurden viele Freihandelsabkommen u. a. mit China, Japan, Korea, Australien und innerhalb der ASEAN-Staaten (ASEAN Freihandelsabkommen (AFTA)) geschlossen.

Das ASEAN-China-Freihandelsabkommen (3) fördert seit 1. Januar 2010 den Handel zwischen ASEAN und China und hat zu einer enormen Steigerung des Handelsvolumens geführt. Viele ASEAN-Länder haben in den letzten Jahren erhebliche Investitionen in ihre Infrastruktur getätigt, um die Handels- und Logistikverbindungen zu verbessern. Dies umfasst den Ausbau von Häfen, Flughäfen, Straßen- und Schienennetzen sowie die Entwicklung von Sonderwirtschaftszonen. Die ASEAN-Staaten sind natürlich nicht homogen in ihrer Wirtschaftsleistung und den genannten Faktoren. Daher sollten Unternehmen sich genau mit dem jeweiligen Land und den Standortfaktoren beschäftigen. Die Freihandelsabkommen haben große Auswirkungen auch für deutsche Unternehmen, da nur Firmen, die eine lokale Wertschöpfung von 40 Prozent erzielen von der vereinbarten Reduktion der Einfuhrzölle profitieren. Einerseits wurden die Beschaffungskosten für Rohstoffe und Vormaterialien aus China für Produktionsaktivitäten in ASEAN gesenkt und anderseits können in den ASEAN hergestellte Waren seit 2010 günstiger nach China exportiert werden.

Singapur ist wichtigster Exportmarkt und Regionalstandort in den ASEAN

Singapur gilt traditionell als Einstiegsland für deutsche Unternehmen in Südostasien. Im Stadtstaat waren in 2022 laut GTAI rund 2000 deutsche Unternehmen registriert. Die Löwenstadt wird häufig als Sprungbrett für den umliegenden südostasiatischen Markt, Australien und Neuseeland genutzt. Einige Firmen steuern von Singapur aus auch ihre Geschäfte in Südasien, dem Mittleren Osten oder sogar weltweit (4). Laut dem Geschäftsführer der Auslandshandelskammer Singapur Dr. Tim Philippi lohnt sich eine Niederlassung in Singapur besonders, wenn man nicht nur ein Land in den ASEAN im Auge hat, sondern die ganze Region.

Deutsche und österreichische Unternehmen können via Singapur in neue Infrastrukturprojekte im ASEAN-Raum einsteigen. Dabei existieren verschiedenste Möglichkeiten für die Finanzierung. Mit Hilfe der Konnektivitätsinitiative Global Gateway will die EU Schwellen- und Entwicklungsländern helfen, ihre Infrastruktur nachhaltig auszubauen. Weiterhin existieren im Stadtstaat viele Holdings die Projekte von Betreiberfirmen in den ASEAN finanzieren. Im Februar 2022 wurde die South East Asia Manufacturing Alliance des The Singapore Economic Development Board (EDB) and Enterprise Singapore (ESG) gestartet. Durch die Initiative sollen ausländische Unternehmen ihre Fertigung in Industrieparks etablieren, die Singapur in verschiedenen südostasiatischen Staaten betreibt. Dadurch erhalten auch deutsche und österreichische Firmen die Möglichkeit eine Produktionsstelle in SOA zu unterhalten. Durch die South East Asia Manufacturing Alliance erhalten interessierte Unternehmen eine stärkere Rechtssicherheit und Transparenz sowie eine langjährige Expertise und Vernetzung mit ASEAN-Staaten.

Literatur

1) U.S. Issues Final Rules to Keep Chip Funds Out of China, Ana Swanson, 22.09.2023, New York Times
2) China Monatliches Einkommen, CEIC DATA
3) China-ASEAN – Attraktive Perspektiven, Mathias Müller, Rödl & Partner
4) Hub Singapur: Deutsche Spezialtechnik für Südostasien, Marcus Hernig, 10.03.2022 Germany Trade & Invest (GTAI)

Quelle: LOGISTIK express Ausgabe 4/2023

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