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WMS in sieben Tagen: Voraussetzungen und Vorgehensweise für ein Go-Live

Manchmal muss es schnell gehen – und ein Warehouse-Management-System in kürzester Zeit implementiert werden. Das kann innerhalb von einer Woche in der Tat gelingen, wenn gewisse Voraussetzungen gegeben sind und die Vorgehensweise die richtige ist. Notwendig für den Erfolg ist ein cloudbasiertes WMS mit zahlreichen Standard-Funktionalitäten, das schnell bereitgestellt und konfiguriert werden kann.

Autor: Ilja Tremasow-Schäfer

Die Implementierung eines Warehouse Management Systems (WMS) kann sich über Monate erstrecken – oder aber in sieben Tagen erfolgen. Denn manchmal haben Unternehmen nicht die Zeit für ein monatelanges Softwareprojekt, etwa, wenn neue Kunden eine professionelle Lagerverwaltung voraussetzen und noch keine vorhanden ist, wenn Container von neuen Lagermandanten, die eingelagert werden sollen, schon auf dem Weg sind oder wenn im Online-Geschäft auf einmal massiv mehr Bestellungen fehlerfrei abgewickelt werden müssen. Dann muss schnell eine Software aufgesetzt werden, die die Bedürfnisse erfüllen kann. Damit ein WMS in einer Woche eingeführt werden kann, sind einige Voraussetzungen notwendig:

  1. Es muss ein Standard-WMS mit einem hohen Funktionsumfang vorhanden sein, so dass viele Anforderungen durch eine einfache Konfiguration umgesetzt werden können und keine aufwändige Spezifikation notwendig wird.
  2. Eine Cloud-Lösung macht VPN-Verbindungen, Firewall-Einstellungen und Serverarchitekturen überflüssig. Ein WMS in der Cloud kann innerhalb weniger Stunden bereitgestellt und eingerichtet werden, auch die Hardware ist schneller verfügbar.
  3. Wichtig ist, dass sich Kunde und Softwareanbieter verstehen und ein einheitliches Verständnis und Wording entwickeln.
  4. Die Berater des Software-Anbieters müssen die Prozessanforderungen verstehen und in der Lage sein, sie in Software zu übersetzen – ganzheitlich und nicht in Einzelteilen, da in logistischen Prozessen alles miteinander verknüpft ist: Man kann erst einlagern, wenn man weiß, wie man auslagert. Schnittstellen, Datenkonstellation, Prozesse, Hardware, bauliche Gegebenheiten – alles muss mit dem WMS in Einklang gebracht werden.
  5. Auf Kundenseite spielt der Key User die zentrale Rolle. Er begleitet die Auswahl und Einführung des Tools und benötigt ein breites Verständnis. Bestehende Prozesse muss er in das neue WMS transferieren und die Belegschaft im neuen Tool schulen können. Wird der Key User akzeptiert, gestaltet sich der Change Process einfacher.

Die Vorarbeiten

Ein typisches WMS-Einführungsprojekt erfolgt nach einem gewissen Vorgehen – es ist aber flexibel genug, um sich individuell an die Kundensituation anpassen zu lassen. Am Anfang der Zusammenarbeit sollten eine Erstanalyse und eine Live-Demo des WMS stehen. In der Erstanalyse, für die sich ein Video-Meeting anbietet, werden die Ausgangssituation, die Rahmenbedingungen und grundsätzliche Prozesse besprochen. Der Kunde legt seine Schmerzpunkte dar und die Software wird vorgestellt. Sind alle offenen Fragen geklärt, werden die Anforderungen oder Ausschreibungsunterlagen, zu denen Prozessbeschreibungen oder Lastenheft gehören, ausgewertet. Um das Angebot erstellen zu können, müssen bestimmte Daten wie Mengengerüst oder Anzahl der User vorliegen.

Für die Implementierung sind weitere Informationen wie Lagerlayout, Artikelstammdaten und die grundsätzlich gewünschten Prozesse notwendig. Wenn es aus logistischer Sicht sinnvoll ist, bereits vorhandene Standardprozesse zu nutzen, reicht die Basiskonfiguration aus und es kann mit dem Test der Prozesse begonnen werden.

Ratsam ist es, direkt nach der Einrichtung eine Schulung der Key-User anzubieten. Ein Selbststudium ist über die Online-Hilfe möglich. Es hat sich gezeigt, dass „learning by doing“ die besten Ergebnisse zeitigt. Das Ziel ist, dass die Key-User in die Lage versetzt werden, das operative Personal im Lager selbst zu schulen. Wenn die Software leicht zu erlernen ist und eine intuitive Bedienbarkeit ermöglicht, sind kaum Schulungen nötig. Bei vielfältigen Produktspezifikationen und Mengen ist ein Feinkonzept sinnvoll bzw. notwendig. Der Kunde und der Softwareanbieter erarbeiten darin die abzubildenden Prozesse, Schnittstellen, Stammdaten und das Projektvorgehen. Wichtig ist dabei, auch zusammen im System arbeiten zu können, so dass das Verständnis von Anforderungen und Möglichkeiten von Anfang an verbessert werden kann.

Je nach Komplexität, Dringlichkeit und definiertem Projektziel kann dieses Vorprojekt wenige Tage oder mehrere Wochen in Anspruch nehmen. Das Ergebnis ist ein detailliertes Feinkonzept, das die Prozesse im Lager von Wareneingang bis Warenausgang beschreibt. Gehen Prozesse und Anforderungen über die vorhandene Funktionalität im WMS hinaus, werden diese vom Softwareanbieter bewertet, kalkuliert und in einem weiteren Angebot nachgereicht.

Die Umsetzung

Nach Abschluss des Feinkonzeptes und der Definition möglicher Erweiterungen, Änderungen oder völlig neuer Standardprozesse beginnt die Umsetzung. Dabei kommen agile Entwicklungs- und Dokumentationsmethoden und entsprechende Tools zum Einsatz: Anforderungen werden in User-Stories beschrieben und die Entwicklung in zweiwöchigen Sprints geplant. Fertige Entwicklungen werden dem Kunden am Ende der Sprints in der Testumgebung bereitgestellt.

Nun wird ebenfalls die Integration in die IT-Landschaft umgesetzt: Das WMS soll als zentrales System der Lagerlogistik mit anderen Systemen Informationen und Daten austauschen. Dafür werden Standard-Schnittstellen bereitgestellt. Außerdem muss der Kunde die notwendige Hardware wie Tablets für die Arbeiten im Lager anschaffen. Wichtig ist außerdem, dass eine flächendeckende Internetverbindung über WLAN oder SIM-Karte sichergestellt wird.

Die Testings und der Go-Live

Im nächsten Schritt testet der Anbieter die Software, was idealerweise bereits automatisiert erfolgen kann. Die Anwender prüfen die Einzelfunktionen und schließlich erfolgen zusammenhängende Tests durch die User, wofür eine entsprechende Vorarbeit notwendig ist. Diese Durchführung der Tests muss allein erfolgen, da das Unternehmen später mit der Software arbeiten wird. Für die Aussagekraft der Tests ist es dabei elementar, vollständige Use Cases zu nutzen – inklusive diverser, auch seltener Sonderfälle, denn diese werden mit Sicherheit am Tag des Go-Live auftreten. Dazu gehören unter anderem alle Geschäftsprozesse mit realistischen Daten, mögliche Prozessstörungen mit fehlenden Labels oder fehlender Ware oder Bediener- oder Hardwarefehler. Auch Massentests mit mindestens einem Tagesvolumen an Arbeitsdaten und Scantests sollten erfolgen. Die Tests enden schließlich mit der Abnahme des Systems durch den Kunden.

Nun wird die Inbetriebnahme vorbereitet: Die Testdaten im Produktivsystem werden entfernt und die Bestandsdaten übernommen – das geht einfach und sicher über einen Wareneingang im System. Nun ist eine Leerplatzinventur durch den Kunden sinnvoll, außerdem sollten stichprobenartig systemisch übernommene Bestände gegen die realen vorhandenen geprobt werden. Bei größeren Abweichungen kann ein Abgleich der Bestände in den Systemen helfen. Eventuell ist eine vollständige Inventur auf Lagerplatzebene notwendig. Sobald alle Unstimmigkeiten behoben sind, kann der Go-Live beginnen.

Produktivbetrieb

Mit dem Roll-out ist das Projekt nicht abgeschlossen: Denn nach der Inbetriebnahme ist vor der Optimierung. Im Produktivbetrieb ist zwar der Key-User der erste Ansprechpartner für Fragen zum WMS. Ein externer Softwareanbieter sollte hier aber mit Consultants und Support beratend zur Seite stehen. Er unterstützt nun zum Beispiel dabei, zusätzliche Standardprozesse zu nutzen, Roll-Outs an anderen Standorten durchzuführen oder weitere Mandanten einzuführen.

Fazit: Ein standardisiertes WMS aus der Cloud, eine hohe Kompetenz beim Softwareanbieter und ein engagierter Key User beim Kunden sind drei wichtige Voraussetzungen, damit eine Lagerverwaltungssoftware in kurzer Zeit live gehen kann. So kann das WMS schnell bereitgestellt und die Implementierung in enger Abstimmung erfolgen. Test und Änderungen können systematisch im bereitgestellten System laufen, so alle Szenarien geprüft werden. Der Implementierung schließt sich dann die Optimierung an. (RED)

Quelle: LOGISTIK express Ausgabe 5/2023

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