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„Friends on the Road“ Trottel der Nation?

Die Begriffe Verursacherprinzip und Verursachungsprinzip – also das Kostenzurechnungsprinzip – werden in der Umweltdebatte innerhalb der Logistik oft vermischt. Daraus entwickeln sich ganz eigenartige, am Thema vorbei laufende Diskussionen, die letztlich mit der Sache nichts mehr zu tun haben.  

Autor: Peter Baumgartner

Ein typisches Beispiel ist die Forderung nach einer flächendeckenden Maut. Sie soll den Verkehrsweg von der Straße auf die Schiene bringen und die „Verursacher“ von Straßenschäden – die Trucker – zur Kasse bitten. Ein Schuss ins Knie, wenn nicht begleitende Maßnahmen getroffen werden. Denn allein durch eine zusätzliche Maut wird im Sinne der Umwelt kein einziger Transport effizienter und kein Lkw wird deshalb von der Straße verschwinden  – ganz im Gegenteil. So sinnbefreit kann nur argumentieren, wer zum Beispiel unter dem Artenschutz der Verfassung steht.

Aber auch andere Eigenheiten lassen sich feststellen, betrachtet man Logistikdebatten aus der Vogelperspektive: Es gibt Berufsgruppen, die haben ein Imageproblem und es gibt welche, die haben überhaupt kein Image. Letztere können praktisch nichts Recht machen. Egal wie gut sie ihren Job machen oder wie wichtig sie für die Gesellschaft sind, sie werden immer die „Trottel der Nation“ sein.

In der Logistik führen die Berufskraftfahrer die Trottel-Skala mit großem Vorsprung an. Schuld daran, so die Betroffenen, sind hauptsächlich die Medien, die nur den Fahrer auf „rollenden Zeitbomben“ und als Stauverursacher sehen oder ihn einfach als „Täter“ abstempeln und zur allgemeinen Bedrohung erklären. Kein Wunder, dass kaum noch qualifizierte Fahrer auf den „Bock“ steigen wollen.

Johannes Hödlmayr, Vorstand der Hödlmayr International AG, plädiert dafür, dass der Lkw-Fahrer vom Image her einmal dort landen möge, wo der Pilot ist und die gleiche Wertschätzung erfährt. Ein frommer Wunsch, der wie andere Imageaktionen auch ins Leere läuft, wenn sich nicht grundlegende Änderungen bei der Auslegung des Verursacherprinzips finden.

Schweiz vergibt Award für sinnlose Fahrten
Ohne die Medien in Schutz nehmen zu wollen, oberflächlich betrachtet, gibt es tatsächlich Anlass zur Kritik am Fahrerberuf. Aber nach dem Verursacherprinzip ist der Kraftfahrer nur selten „schuld“. An dieser Stelle soll nicht näher eingegangen werden auf auslösende, negative Faktoren wie zum Beispiel: Lärmverursacher, Luftverpester, Schrott-LKW, Arbeitszeitüberschreitungen, zu wenig Pausen usw. Alle genannten Faktoren tragen in der Konsequenz zur Imageverschlechterung eines Truckers bei, machen ihn aber nicht zum Verursacher.

Genauer hinterfragt soll an dieser Stelle das Thema „sinnlose Fahrten“ werden und ob Lkw- Fahrer (oder ihre Chefs) die Verursacher sind. Das Problem wird den Truckern umgehängt – wofür sie mit ihrem Image bezahlen – und fällt praktisch nie in den Verantwortungsbereich derselben. Dennoch ist es ein Problem mit sehr weitreichenden Folgen und es ist praktisch über das ganze Unionsgebiet verteilt. Die Schweizer Alpen-Initiative hat den Verursachern solcher Fahrten sogar einen eigenen Award namens „Roter Teufelstein“ gewidmet.

Konsument, Industrie und das Dilemma mit der Verpackung
Auslöser von „sinnlosen Fahrten“ ist in zunehmendem Maß jedoch der Konsument selber. Man denke nur an die leichtfertige Bestellung per Mausklick, die dann einen Tsunami von Retoursendungen auslöst und halb leere Pakete im Kreis wandern lässt. Manche Online-Händler versuchen die Hohlräume zu nutzen und legen Werbematerial bei – das von den Empfängern gar nicht wahrgenommen wird und umgehend im Müll landet. Ein absolut perfektes Lehrstück, wie man nicht nur Hohlräume transportiert, sondern auch noch nutzlose Tonnage.

Außer den Konsumenten zählt auch die verladende Industrie zu Verursachern von sinnlosen Fahrten. Sie schickt den Frächter und mit ihm den „dummen“ Lkw-Fahrer mit Aufträgen auf die Reise, die an Sinnlosigkeit nicht mehr zu überbieten sind. Die Rede ist von Gütern, die so verpackt sind, dass sie dreißig und mehr Prozent Luft beinhalten. Auch wenn es dem Frächter – dank Computer gestützter Optimierungsprogramme – gelingt, den Lkw bis auf den letzten Zentimeter auszulasten, verbleiben immer noch große Hohlräume. Den größten „Roten Teufelstein“ dürften wohl Luftpolster Verpackungssysteme verdienen, die wahrscheinlich auch Auslöser für das Verlangen nach „Monstertrucks“ und „GigaLiner“ sind.

Extrem hinderlich auf dem Weg zur intelligenten Verpackung und damit zur Vermeidung von „sinnlosen Transporten“ ist das Lagerdenken. Soll sich ja niemand getrauen, sich Gedanken über die Aufgabe des jeweils anderen im Spiel zu machen. Schön im „Kastl“ bleiben, lautet die Losung – auch wenn buchstäblich Millionen Euro auf der Straße verstreut werden.

Kunden kaufen Verpackung und weniger die Produkte, sagt die Motivforscherin Helene Karmasin dazu und sie drückt damit genau das aus, worauf Hersteller achten, damit sie ihr Produkt verkaufen können. Da kann eine Verpackung schnell auch einmal so groß oder noch größer sein, als das eigentliche Produkt. Mit Informationspflicht auf der Verpackung oder Produktschutz hat das dann nichts mehr zu tun und der Trucker weiß gar nicht, dass er hinter seiner Fahrerkabine hauptsächlich sinnlos Verpackung durch die Gegend transportiert.

Oft kommt es auch vor, dass die Industrie ihren Kunden einfach etwas vorgaukelt und zum Beispiel „große“ Waschmittelkartons auf die Reise um den Globus schickt, die zwar exakt das angegebene Gewicht beinhalten, aber auch ein Drittel Luft.  Dass die Hülle um das Produkt auch eine logistische Herausforderung ist und oftmals zur Logistikkatastrophe führt, die der Trucker ausbaden muss, fällt dabei unter den Tisch und kein Mensch kümmert sich darum. Kein Umweltschützer, kein Konsumentenschützer und schon gar kein Verkehrspolitiker hat anscheinend Interesse daran, sich mit den Löchern im Logistik-Käse zu beschäftigen  oder diese gar zu hinterfragen. Da ist es doch viel einfacher, auf den Lkw-Fahrer einzudreschen, wenn mal wieder die Straßen überlastet sind.

Die Kunden haben sich daran gewöhnt und fragen auch nicht nach. Man will ja nur ein schön verpacktes Produkt, möglichst schnell vor der Haustüre und billig soll es auch sein. Und zahlen muss der Kunde zumindest als Steuerzahler ohnehin immer irgendwie. Die Holländer haben für Steuerzahler deshalb ein Wort, dass dessen Schicksal  sehr gut beschreibt: „Belastingbetaler“.

Für alle daraus resultierenden Verkehrsprobleme gibt es einen anerkannten „Schuldigen“ (Trucker) und alle sind zufrieden. Warum zum Beispiel das Waschpulver ARIEL seine Verpackung mit einem Drittel Luft teilen muss, lässt sich vielleicht noch mit einer Opfergabe an den gleichnamigen Luftgeist aus der Mythologie erklären. Bei PERSIL oder ähnlichen Produkten wird es schon schwieriger, plausible Erklärungen für „sinnlose Transporte“ provozierende Verpackungen  zu finden.

Wasser statt Kohle  
Betrachtet man das Binnenschiff als Verpackung, was im Schweizer Zollrecht durchaus der Fall sein kann, findet man ebenfalls genügend Hohlräume, die es zu füllen gäbe, um „sinnlose Fahrten“ zu vermeiden. Wenn auch in einer größeren Dimension, spielt  Lufttransport in der Schiffslogistik eine ebenso entscheidende Rolle, wie in der Straßenlogistik.

Karl Nowak von der Robert Bosch GmbH.
erklärt, dass derzeit weltweit 40 % Luft in den beladenen Containern transportiert wird. Dazu kommt noch die globale Leercontainerproblematik mit durchschnittlich 20 % leeren Boxen, die repositioniert werden müssen, weil es kaum paarigen Verkehr gibt. Berücksichtigt man, wie rar und teuer Frachtraum von Schiffen ist, wird schnell klar, welche Problemeisberge da die Flüsse und Weltmeere entlang schwimmen. Mit der raschen Zunahme der Schiffsgröße, haben sich nämlich „sinnlose Transporte“ etabliert, die Unsummen kosten und dramatische Auswirkungen auf die Umwelt haben.

Leider ist es auch so, dass die nasse Infrastruktur längst nicht mit der Entwicklung im Schiffsbau wächst. Die Folge ist, dass zum Beispiel Binnenschiffe sechstausend und mehr Tonnen sinnlos zig-Kilometer weit bis zum nächsten Wendeplatz transportieren müssen, nur weil sie sonst nicht den Kurs ändern könnten. Ähnlich verhält es sich mit den Brückenbauwerken, die nicht schnell genug an größere Schiffe angepasst werden können. Schon beladene Schiffe haben Probleme diese Brücken zu passieren. Damit jedoch ein ungeladenes Schiff solche Stellen passieren kann, muss es zuerst Unmengen Wasserballast aufnehmen, bis die entsprechende Durchfahrtshöhe erreicht wird. In solchen Fällen wird nicht nur sinnlos Luft, sondern auch unsinnigerweise Wasser im 4-stelligen Tonnenbereich über hunderte von Kilometer transportiert.

Statistik vs. Effizienz im Güterverkehr
Geht es darum, Aussagen über die Fahrzeugproduktivität zu machen, hat die Statistik belastbare Daten zur Hand. Aber das reicht nicht aus. So weiß man ziemlich genau, dass rund ein Viertel aller Lkw-Fahrten in der EU von leeren Fahrzeugen durchgeführt wird. Der Hafen Hamburg nimmt an, dass allein den Hafen betreffend, jährlich eine Million leere Container per Lkw ankommen oder verlassen. Zumindest die Bedeutung über die Kenntnis des Beladungsfaktors hat sich schon herumgesprochen, denn an der Optimierung der vorhandenen Infrastruktur führt kein Weg vorbei.

Effizient beladene Fahrzeuge führen zu weniger Fahrzeugkilometern bei gleicher Tonnage. Folglich ist auch die Umweltbilanz besser. Findige Unternehmen entwickeln daher Ideen und Lösungen, wie der Beladungsfaktor optimiert werden kann. Die Erfolge sind auch durchaus respektabel. Absolut keine statistischen Angaben existieren jedoch über den Hohlraum, der in einzelnen Frachtstücken transportiert wird. Folglich ist jede statistische Aussage im Güterverkehr und die daraus abgeleitete politische Handlungen sinnlos. Allein die Kenntnis, ob ein Fahrzeug beladen oder leer ist und wie hoch der Beladungsfaktor ist, sagt noch nichts über die tatsächliche Effizienz des Transportes aus. Den tatsächlich optimalen Beladungsfaktor eines Transportes, bestimmt allein die Industrie oder die verladende Wirtschaft. Ohne die Mitwirkung der Industrie und der verladenden Wirtschaft, werden selbst das beste Transportmanagement und die beste Verpackungslogistik auf ein Verwalten von Misswirtschaft reduziert.

Verantwortung der Verkehrspolitik
Transport von warmer Luft oder Leerfahrten wirken wie Verkalkungen im Blutkreislauf. Verkehrsträger können die Güter nicht mehr effizient und ressourcenschonend transportieren. Anstatt die Kostenwahrheit immer nur bei der Transportwirtschaft einzufordern, braucht die Transportlogistik endlich Rückendeckung von der Verkehrs- und Wirtschaftspolitik, damit die Laderaumverfügbarkeit nicht durch Industrie und verladende Wirtschaft verplempert wird. Wenn die Verkehrspolitik verlangt, dass die Straßenschäden von den Verursachern zu zahlen sind, dürfen die Verlader nicht aus ihrer Verantwortung entlassen werden. Sie sind es, die mit „Lufttransporten“ sinnlosen Verkehr verursachen und den Transporteuren die Möglichkeit zur optimalen Nutzung der Infrastruktur nehmen. Eine Kostenwahrheit, die alle Verursacher mit einbezieht, muss daher das Ziel haben, dass die wertvolle Verkehrsinfrastruktur und der begrenzt verfügbare Laderaum ausschließlich für reale Waren und nicht für Marketingspinnereien genützt werden kann.  Was noch helfen könnte eine optimale Transportlogistik zu erreichen? Zuckerbrot und Peitsche!

Der „Staatspreis Smart Packaging“ versucht es mit Zuckerbrot. Nur wer Verpackungen so gestaltet, dass sie einerseits den notwendigen Produktschutz gewährleisten und anderseits auf das unbedingt erforderliche Mindestmaß an Volumen, Gewicht und Umweltkosten reduziert werden, kann Gewinner werden und erhält die begehrte Trophäe. Jetzt bräuchten wir nur noch die Peitsche. [PB]

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