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Alles auf Schiene bei der Straße?

In Sachen Infrastruktur gibt es in Österreich noch einiges zu tun, sowohl bei der Straße, als auch bei der Schiene und den begleitenden Netzwerken. So ist etwa hinsichtlich Telematik zwar ein bisschen was getan worden, aber noch enormes Potenzial vorhanden. Vielleicht sollten sich die Verantwortlichen den Termin des ITS Kongresses im Kalender eintragen – wir tun es auf jeden Fall!   Redaktion: ANGELIKA THALER, PAUL CHRISTIAN JEZEK

Transitrouten sind mancherorts verstopft, was auf Lieferungen wartende Kunden ebenso verärgert wie Individualreisende, die neben den LKW im Stau stehen. Die Verlagerung der Güter auf die Schiene stellt sich aber oft schwierig dar, da dem Personenverkehr der Vorzug gegeben wird. Hier eine intelligente Vernetzung zu finden und freie Kapazitäten oder Alternativrouten sinnvoll zu nutzen, ist nur ein gutes Beispiel für die Vorteile IT-gestützter Verkehrstechnologien. ITS – Intelligent Transport Systems – ist ein Überbegriff für ein ganzes Bündel an Technologien und Möglichkeiten, um den Verkehrsfluss zu optimieren. 

 

ITS Vienna 2012

Seit der Auftaktveranstaltung 1991 in Paris findet der ITS Kongress rotierend zwischen Europa, Asien und Amerika statt – dieses Jahr ist Wien an der Reihe. Unter dem Motto „smarter on the way“ widmen sich von 22. bis 26. Oktober 2012 auf Einladung des BMVIT etwa tausend Fachvorträge den drei Hauptaufgaben der Branche: Maßnahmen für mehr Effizienz, Sicherheit und Umweltverträglichkeit im Verkehr zu finden. Neben den Vorträgen wartet auf die Besucher und Teilnehmer eine begleitende Industrieausstellung, die sich sehen lassen kann: 300 Firmen aus 65 Ländern zeigen ihre neuesten Entwicklungen zu Fahrerassistenz, Navigation, Standardisierungen und Verkehrsmanagement. Vor allem aber können österreichische Unternehmen hier beweisen, dass sie mit ihrem Know-how der Konkurrenz in nichts nachstehen. (AT)

 

 

Was sich aktuell bei der Straßen- und Schieneninfrastruktur tut 

Zu tun gibt es in Sachen Infrastruktur immer und überall: Zum Beispiel auf Österreichs stärkstbefahrener innerstädtischen Autobahn, der A 23 Südosttangente Wien. Den Auftakt umfangreicher Maßnahmen machte noch im Vorjahr die Generalerneuerung der Hanssonkurve. Der Bau aus den 1970er-Jahren zwischen dem Knoten Inzersdorf und dem Verteilerkreis Favoriten war und ist mit täglich rund 145.000 Fahrzeugen einer enormen Belastung ausgesetzt – „die Arbeiten waren jedoch so angelegt, dass der Verkehr immer mit allen drei Spuren pro Fahrtrichtung aufrecht erhalten werden konnte“, sagt Asfinag-Chef Alois Schedl im Gespräch mit dem Logistik express. Schon rund ein halbes Jahr nach Sanierungsbeginn konnten umfangreiche Optimierungen bei Baudauer und Baustellenlänge erzielt werden. Gleich nach der Hanssonkurve schließt direkt an die A 2 Süd Autobahn die Hochstraße Inzersdorf an. Der auf Stelzen stehende Tangentenabschnitt „Tausendfüsser“ wurde bereits Ende der 1960er-Jahre errichtet. Die hohe Verkehrsfrequenz und das stattliche Alter haben merkbare Spuren hinterlassen. Damals für 45.000 Fahrzeuge gebaut, passieren heute rund dreimal mehr Fahrzeuge diesen Bereich. Spurrinnen und ein Schaukelgefühl beim Drüberfahren trüben den Fahrkomfort. Bis zum Jahr 2016 wird dieser Bereich zur Gänze neu errichtet und gestaltet. „Ab Juli werden heuer Vorarbeiten unter der Brücke durchgeführt, um dann ab März 2013 unter Aufrechterhaltung des vollen Verkehrs die Hochstraße Inzersdorf neu zu errichten“, kündigt Schedl an.                                   
 

Bei großen Baumaßnahmen Synergien zu schaffen, macht nicht nur Sinn, es ist auch ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor. So wird im Zuge des Neubaus der Hochstraße bei der Unterführung Pfarrgasse auch bis April diesen Jahres ein Tunnel für die ÖBB errichtet. Rund um die Arbeiten auf der Hochstraße selbst erfolgen auch im Umfeld dieses Tangentenabschnittes umfassende Neugestaltungen. Von Fußgängerunterführungen bis Lärmschutzeinrichtungen für die Anrainer werden viele weitere Maßnahmen umgesetzt und so gestaltet, dass sich alle Einrichtungen unter dem Tausendfüsser durch architektonische Elemente gut in die Umgebung eingliedern. Nach der To-Do-Liste für die nächsten Jahre befragt, nennt Schedl u. a. die S10 in Oberösterreich Richtung Norden, die S7 = Fürstenfelder Schnellstraße, die Tunnelkette Klaus, weitere Maßnahmen für die Pyrhn-Autobahn sowie die Fortsetzung der Westautobahn-Generalsanierung. „Neue Wege bei der Entwicklung von Bauvorhaben gehen wir u. a. mit der funktionalen Ausschreibung zur Beteiligung privater Unternehmen, die wir vor kurzem das erste Mal mit dem Modell „PPP Ostregion“ getestet haben.“

 

Viele Experten bestätigen grundsätzlich, dass sich die österreichische Straßeninfrastruktur in einem vergleichsweise guten Ausbauzustand befindet. Die Erhaltung und der weitere Ausbau des Straßennetzes sollten durch die Einnahmen der ASFINAG gedeckt sein. „2010 haben wir einen Überschuss von 330 Millionen Euro nach Steuern erwirtschaftet, 2011 sollten es rund 390 Millionen gewesen sein“, kommentiert Schedl, der so ehrlich ist, zu letzterem Faktum anzufügen, dass dem „dank sehr günstiger Baupreise“ so ist. Insgesamt muss die langfristig bedeutende ressourcenschonende Wirkung von kilometerabhängigen Benutzungsentgelten gesehen werden: Ohne die Gesamtbelastung der PKW-Fahrer zu erhöhen, könnte via Telematik der Verkehr so gesteuert werden, dass die Straßenressourcen besser genützt werden. Bei einer kilometerabhängigen LKW-Maut wäre kurz- und mittelfristig darauf zu achten, dass die Wettbewerbsfähigkeit heimischer Transportbetriebe nicht durch eine weitere Standortverschlechterung gegenüber Konkurrenzländern beeinträchtigt wird. 

 

„Ein Vergleich mit Österreichs Nachbarländern zeigt, dass die Mautbelastung der heimischen Transportwirtschaft besonders hoch ist“, kommentiert Mag. Alexander Klacska, WKÖ-Obmann der Bundessparte Transport und Verkehr. „Mit 50 Euro Budget für Maut kommt man etwa in Deutschland 323 km weit, in Ungarn kann man sogar fünf Tage unterwegs sein. In Österreich schafft man mit 50 Euro Mautgebühr dagegen nur 144 km.“

 

Wie sehr ist die Schiene auf Schiene?

Die vergleichsweise beruhigende Perspektive der Asfinag kann die Bahn nicht für sich in Anspruch nehmen. Das Schienenbenützungsentgelt, das die ÖBB ihren Bau- und Infrastrukturgesellschaften überweisen müssen, deckt vielleicht die laufenden Instandhaltungskosten des bestehenden Schienen- und Signalnetzes. Auf diese Weise lassen sich aber weder neue Strecken, noch die teuren, jedoch unumgänglichen Tunnelbauten finanzieren. Der Ausbau der Weststrecke wird derzeit forciert fortgesetzt, was sich schon jetzt in wesentlich kürzeren Fahrzeiten insbesondere zwischen Wien und Linz niederschlägt. Die Südstrecke soll ab 2025 durch den Bau des Semmering- und des Koralmtunnels wesentlich kürzere Fahrzeiten von Wien nach Villach ermöglichen und den Industrieraum rund um Graz intensiver an den Norden sowohl von Italien als auch von Österreich selbst anbinden.

 

Umso mehr ließ zuletzt ÖBB-Chef Christian Kern aufhorchen, als er freiwillig einen Milliarden-Beitrag zur Budgetsanierung anbot. Die Bundesbahn fahre seit 18 Monaten einen Sparkurs mit beachtlichen Ergebnissen. Das Konzernergebnis werde bei minus 28 Mio. liegen, weniger als ein Zehntel des Verlusts für 2010 von 330 Mio. Damit werde der Plan, für 2011 den Verlust auf -49 Mio. zu reduzieren, übererfüllt. (Genaue Zahlen werden erst im April bekanntgegeben.) Das führt Kern auf den Erfolg der Kostensenkungsprogramme zurück. Alle Teilkonzerne seien operativ positiv, auch der Güterverkehr. Für 2012 wird eine schwarze Null angestrebt, 2013 soll die Bahn Gewinne einfahren. Somit könnte die Bundesbahn das Budget in den nächsten fünf Jahren mit rund zwei Milliarden Euro entlasten, wovon 500 Millionen im Unternehmen bleiben sollten. (Dürfe man diese halbe Milliarde nicht einbehalten, würde das nämlich „irgendwann einmal das Ende der Zahlungsfähigkeit der ÖBB bedeuten“.) Rund 750 Millionen sollen aus dem operativen Betrieb (2012 bis 2016) kommen, durch die Abschaffung betriebsbedingter Frühpensionen ab 2012 würden dem Bund 525 Mio. bis 2016 erspart, durch die Abschaffung der Deckelung der Energieabgabe profitiere der Bund mit 145 und durch die Besteuerung der Mitarbeiterfahrtvergünstigungen mit etwa 80 Mio. Euro. 

 

Konkrete Infrastrukturprojekte, die gestrichen oder verschoben werden könnten, nannte der Bahnchef bis dato nicht. Bis auf eines: Auf die Elektrifizierung der Strecke durch das Marchfeld nach Bratislava habe man bereits verzichtet. „Wir möchten speziell auf die notwendige Anschlussbahnförderung hinweisen, die keinesfalls beeinträchtigt werden darf“, sagt LAbg. DI Roman Stiftner, Präsident der BVL Österreich und WKÖ-Fachverbandsgeschäftsführer für Bergbau, Stahl und NE-Metallindustrie, im Gespräch mit dem Logistik express. „Derzeit sind etwa 15 Millionen Euro für diese Förderung budgetiert. Diese relativ kleine Summe kann viel bewirken und darf den Sparzwängen der Regierung nicht zum Opfer fallen.“ Er freue sich „über jeden Tunnel, der finanzierbar ist“, die BVL argumentiert jedoch absolut realistisch und aktualitätsbezogen. „Mit einem Bruchteil der Investitionssummen für Großprojekte könnte eine Vielzahl kleiner Projekte durchgeführt werden, deren Nutzen im Verhältnis zu den Kosten oft höher wäre.“ Summa summarum geht es Stiftner in Zeiten wie diesen darum, „jedes Infrastrukturgroßprojekt nach dem aktuellen und zu erwartenden Bedarf zu bewerten, nach sachlichen Kriterien zu evaluieren und im Hinblick auf die wirtschaftliche Situation die Umsetzung gegebenenfalls zu verschieben“.

 

Apropos Flugzeuge

Volkswirtschaftlich ist auch der Flughafen Wien als Verkehrsknotenpunkt speziell für die Ostregion unseres Landes von eminenter Bedeutung. So ist die Expansion der heimischen Wirtschaft nach Osteuropa durch die dichten Flugverbindungen von Austrian Airlines in diese Region erheblich erleichtert worden. Der Verkauf der AUA an die Lufthansa birgt daher nach wie vor das Risiko, dass der Wiener Flughafen seine Bedeutung als Umsteigezentrum nach Osteuropa verliert, wird doch die Verlegung eines Teils dieser Flüge nach München für die Lufthansa eine beachtenswerte Option sein. (Eine Verlegung nach Frankfurt scheint dagegen schon deshalb eher ausgeschlossen, weil der Luftraum über dieser Stadt schon heute definitiv an seinen Kapazitätsgrenzen angekommen ist.) Immerhin hat der Flughafen Wien im Vorjahr mit 21,1 Millionen Passagieren einen neuen Rekord erreicht, das entsprach einem Plus zu 2010 von 7,2 Prozent. 2012 werde aber wohl nur mehr ein Passagierwachstum von null bis ein Prozent bringen, bleiben die beiden Flughafenvorstände Julian Jäger und Günther Ofner am Boden. Gründe seien die schwächelnde Konjunktur und das Sparprogramm der AUA, die immer noch die Hälfte aller Passagiere am Wiener Flughafen transportiert. 

 

Das „Schlüsselprojekt“ für heuer ist die Inbetriebnahme des Skylinks, der Anfang Juni starten soll. Der neue Pier ist die Basis dafür, die Kapazität des Flughafens auf 30 Millionen Passagiere aufzustocken, im ersten Jahr ist er aber noch kein großes Geschäft, rechnet Ofner vor: Die operativen Kosten werden bei 30 bis 35 Mio. liegen, dazu kommen ein Zinsaufwand von 20 und Abschreibungen von 40 Mio. Diesen gut 90 Mio. an Kosten stehen erwartete Erträge (für ein gutes halbes Jahr) von 20 Mio. Euro gegenüber. Immerhin habe Skylink dem Flughafen geholfen, schmerzlos mit dem Personalüberschuss umzugehen: 300 bis 400 Mitarbeiter wurden von alten Jobs auf Skylink „umgeschichtet“, in Summe blieb die Zahl der Mitarbeiter bei rund 4.500 unverändert. Insgesamt soll 2012 dem Flughafen Wien ein Umsatzplus bringen, die Investitionen werden sich auf 160 Mio. Euro belaufen, kündigten die Vorstände an. Bis 2015 werden nur mehr 590 statt 650 Mio. Euro investiert – prominentestes „Opfer“ des Sparstiftes wird die Parkgarage für Limousinen.

 

Was der Infrastrukturbereich bringen soll

Österreich verfügt bekanntlich über ein eigenes Ministerium zum Thema. Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses war zwar bekannt, was sich die Ressortchefin vorstellt, nicht jedoch, ob dies auch 1:1 in das letztgültige Sparpaket der Regierung einbezogen wurde. „Die Sparvorschläge sind ein ausgewogener Mix aus Einmaleffekten und nachhaltig wirkenden Strukturreformen“, pries Infrastrukturministerin Doris Bures „ihren“ Beitrag. „Bis 2016 wird der Staatshaushalt durch dieses Paket um 1,5 Milliarden entlastet“. 

 

Während durch Veränderungen bei den Infrastrukturprojekten insgesamt rund eine Milliarde lukriert werden kann, soll der Frühpensionierungsstopp laut Bures 2016 das Budget insgesamt um 525 Mio. entlastet haben. Dass die Effekte aus dem Frühpensionierungsstopp kumulativ wirken, sei kein Nachteil, sondern Beweis für eine effektive, generationenwirksame Strukturmaßveränderung, die das Budget nachhaltig entlaste. Damit erfülle man nicht nur jahrelange Forderungen der OECD nach Strukturreformen zur nachhaltigen Budgetstabilisierung in der Eurozone. Auch Österreichs Top-Bonität sei nur über Strukturanpassungen zurückzugewinnen, so die Infrastrukturministerin.  (PJ)

Quelle:  Logistik express Zeitschrift, Ausgabe 1/2012 (ePaper)  

 

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