Analystenkommentar

Testflüge am Vulkanhimmel ein Gag: Frost & Sullivans Consulting Analyst, Max Sukkhasantikul, kommentiert den Zusammenbruch des Flugverkehrs aufgrund des Vulkanausbruchs
 

London, 19. April 2010 – Die europäische Luftfahrtindustrie ist seit 15. April durch die vulkanische Asche, die von Island herüberweht, lahm gelegt, und das Naturschauspiel resultiert in einer en masse-Annullierung von Flügen im europäischen Flugraum. Die sofort eingeführten Sicherheitsvorkehrungen haben einen direkten Einfluss auf die europäische Flugindustrie und die damit reisende Bevölkerung. Auf eine solche Situation ist die Industrie nicht vorbereitet, was dazu führt, dass die betroffenen Fluglinien nach Schätzungen der Internationalen Flug-Transport-Vereinigung (IATA) derzeit kollektiv mehr als 200 Millionen US-Dollar pro Tag verlieren. Max Sukkhasantikul, Consulting Analyst bei Frost & Sullivan, glaubt, dass diese Schätzung nicht der Realität entspricht, da allein British Airways bereits ca. 40 Millionen US-Dollar pro Tag verliere, Airlines ausserhalb Europas, wie z.B. Emirates, ca. 10 Millionen US-Dollar verlieren. Die fünf US-Carriers, die in Europa operieren, koste t die Vulkanasche zusammen täglich ca. 20 Million US-Dollar.

 

Das Flugverbot wurde deshalb ausgesprochen, weil die vulkanische Asche die Sicherheit eines Flugzeuges gefährden kann, indem die Maschinen beeinträchtigt werden und evtl. nicht korrekt funktionieren und Fluginstrumente nicht korrekte Daten liefern, die die Piloten dazu bringen, Entscheidungen auf Basis dieser falschen Daten zu treffen. Sukkhasantikul geht davon aus, dass der unmittelbare Effekt der Flugannullierungen in Europa 27 Prozent der europäischen Flüge, zumeist in Skandinavien und Grossbritannien, betroffen hat. Seither hat sich die Zahl der gestrichenen Flüge am vierten Tag der Aschewolke auf 84 Prozent über 24 Länder hinweg erhöht. Langsam bessert sich die Situation: 50 Prozent des Flugverkehrs ist wieder planmässig, aber die Auswirkungen sind noch immer wie am zweiten Tag der Aschewolke, dem 16. April, als bis zu 60 Prozent der Flüge gestrichen wurden.

 

Das Flugverbot wurde heute aufgehoben, nachdem die Fluggesellschaften mehr und mehr Druck auf die Regierungen ausüben, den Flugverkehr wieder zuzulassen. Sukkhasantikul glaubt, die Öffentlichkeit wird getäuscht durch Nachrichten von so genannten Testflügen, z.B. von KLM, Lufthansa und British Airways, aus denen hervorgehe, dass die Flugsicherheit durch die Vulkanasche nicht gefährdet war. Derartige Flüge haben in der Realität jedoch nichts mit Testflügen zu tun, sondern seien vielmehr ein Gag, denn die Flüge hatten keinerlei Testausrüstung an Bord und mussten ohnehin auf diesen Strecken geflogen werden. British Airways flog beispielsweise ein Flugzeug nach Cardiff, welches aufgrund von notwendigen Wartungsarbeiten sowieso dorthin geflogen werden sollte. Die Testflüge von Lufthansa und KLM galten lediglich der ‘Umorganisation’ von Flugzeugen, damit der Flugverkehr nach der Krise so gut und schnell wie möglich wieder aufgenommen werden kann.

 

Wissenschaftler haben in Fluglaboratorien Untersuchungen durchgeführt, die noch immer beunruhigende Ergebnisse geliefert haben und die das bestehende Flugverbot noch immer rechtfertigen. Sukkhasantikul erläutert, dass das Legat des bestehenden bürokratischen Systems, solch eine Situation zu handhaben, immer noch in der Verantwortung der Regierungen liege, ein Flugverbot auzusprechen oder nicht. Die Möglichkeit der Regierungen, das Flugverbot für politische Zwecke, angesichts der öffentlichen Proteste aufgrund der so genannten ‘Testflüge’, aufzuheben, sei ein Grund zur Sorge, da es die öffentliche Sicherheit gefährden könnte. Ein neues Risikobewertungssystem, welches auf Fakten und wissenschaftlichen Daten und nicht auf den Gags der Airlines beruht, könnte als sicherere Möglichkeit für dieses Problem betrachtet werden.

 

Natürlich sind die Auswirkungen der Vulkanasche auf die Flugindustrie real und massiv. Während die grossen Fluggesellschaften die Auswirkungen des finanziellen Ausfalls überstehen können, werden es die kleineren und weniger etablierten Fluglinien sein, die am meisten darunter zu leiden haben, da sie keine ausdehnbaren Kreditfazilitäten haben. Sukkhasantikul geht davon aus, dass Fluglinien wie Lufthansa und Air France-KLM am längeren Hebel sitzen, da sie Anteile – jeweils 23,1 Prozent bzw. 11,6 Prozent – am Multi-Milliarden-Dollar-Unternehmen Amadeus, dem weltweit führenden Technologieanbieter in der Reisebranche, halten. Beide Fluglinien haben Pläne, ihre Anteile dieses Jahr zu verkaufen, um einen finanziellen Puffer für die Auswirkungen des Vulkans zu haben, was mehreren Hundert Millionen US-Dollar entsprechen würde.

 

Während die Fluglinien spezielle Flüge wo immer möglich organisiert haben, arbeiten die europäischen Regierungen zusammen an kurzfristigen Übergangslösungen. Grossbritannien hat mit Spanien ein Abkommen vereinbart, ihre ein- und ausreisenden Passagiere und Fracht über Spanien zu transportieren und dann auf dem Landweg weiter zu bringen. Inmitten des Chaos verfolgt die Luftfahrtindustrie Möglichkeiten von Hilfsprogrammen von Regierungen, ähnlich wie es mit dem Finanzsektor vor nicht allzu langer Zeit gehandhabt wurde. Sukkhasantikul ist der Meinung, derartige Hilfsprogramme seien durchführbar, allerdings schwieriger zu rechtfertigen, da nicht nur die Luftfahrtindustrie als einzige betroffen sei. Die gesamte europäische Wirtschaft, also auch andere Industrien, könnten derartige Hilfsprogramme nötig haben. Was die positiven Auswirkungen des Vulkanausbruchs betrifft, so hat er dafür gesorgt, dass Aktivisten, die sich für die Eindämmung der Luftfahrtbranche einsetzen, nunmehr bele gen können, dass die Luftfahrtindustrie einen massiven Einfluss auf die Weltwirtschaft hat.

 
Quelle:  Frost & Sullivan

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