| | |

Ausbildung Transportwirtschaft 4.0

Die Österreichische Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft (ÖVG) und der Damen Logistik Club widmeten sich Anfang April 2017 der Ausbildungsfrage. Auch am e-Day der WKO war eine Lern-Quiz-App für Lehrlinge Topthema. In zahlreichen Erklärungen kam zum Ausdruck, wie vielfältig die Probleme der Wirtschaft hinsichtlich der Personalrekrutierung sind. Beim Versuch die unterschiedlichen Zugänge zum Thema auf einen Nenner zu bringen, kamen auch nicht gemachte Hausaufgaben zum Vorschein. Ein Punkt davon die Frage nach leistungsgerechter Entlohnung, denn: „If you pay peanuts, you get monkeys!”

Der ranghöchste Logistiker im Lande, Franz Schwammenhöfer/BMVIT meint, vier Euro Stundenlohn im Radtransportgewerbe ist Greenwashing. Aber ein Container-Disponent mit hoher Ausbildung und zwei Fremdsprachen bekommt in Vollzeitbeschäftigung auch gerade mal 1.467 Euro netto/Monat (aktuelles Stellenangebot). Sind die Unternehmen zu geizig oder der Finanzminister zu gierig?  Offenbar zwei Fragen, für die es mindestens zwei richtige Antworten gibt.

Lernst Du noch oder „APPst“ Du schon?

Neue Fördermittel ab 2017 für die Ausbildung von Lehrlingen
Bundesinnungsmeister-Stellvertreter Ing. Andreas Kandioler der Mechatroniker stellte am e-Day der WKÖ ein Lern-Quiz zur Vorbereitung auf die Lehrabschlussprüfung vor. Kandioler, auch Innungsmeister in Niederösterreich bringt damit auf den Punkt, welchen Kurs die Berufsqualifizierung längst angesteuert hat.

Laut einer aktuellen AMS Umfrage gibt es in der Industrie eine signifikante Zunahme der Wissensintensität für die meisten Berufe und gleichzeitig eine Verkürzung der Halbwertszeit des einmal erlangten Wissens.

Vielleicht mit ein Grund, warum die Wirtschaftskammer jährlich den „Hightec-Lehrling“ auslosen lässt. Aber das ist nur eine von zahlreichen Veranstaltungen, die den Lehrberuf vor den Vorhang holen und junge Menschen in die digitale Berufswelt begleiten soll. Bei „EuroSkills“ kann man sich als Lehrling sogar international mit Gleichgesinnten matchen. Auch die Lehrbetriebe haben die Möglichkeit, öffentlich zu zeigen, was sie drauf haben und warum sich jemand gerade für ihr Ausbildungsangebot erwärmen soll.

Den „Staatspreis Beste Lehrbetriebe – Fit for Future“ veranstaltet das Wirtschaftsministerium. Um wirklich Karriere mit Lehre machen zu können, will Minister Mitterlehner zeigen, wo in Österreich die besten Ausbildungsplätze versteckt sind. Was aber ist ein toller Arbeitsplatz, ein „Great Place to Work“? Die allgemein gültige Sprachweise lautet, ein GPTW ist dort, wo man denen vertraut, für die man arbeitet, stolz ist auf das was man tut und Freude an der Zusammenarbeit mit anderen hat. Es kann auch nicht schaden, wenn Respekt und Wertschätzung im Betrieb gelebt wird und am Ende des Monats eine faire Entlohnung am Konto ankommt. Dass alle Bemühungen um Aus- und Weiterbildung absolut sinnvoll und notwendig sind, wird von zahlreichen Studien, Befragungen und Untersuchungen belegt. Alle artikulieren die wachsende Not der Wirtschaft, die zunehmend Probleme hat, ihren Fachkräftebedarf zu decken.

Werbung für die Ausbildung ist eine Sache. Es wird von der öffentlichen Hand aber auch viel Bares zur Ausbildungsförderung ausgegeben. Auch wenn es für einige Unternehmen viel zu wenig ist. Betriebswirtin Romana StekoPapousek, MBA von Steko Trans meint, man müsste viel mehr und besser fördern. Denn die Ausbildung ist nun mal für viele Betriebe eine Preisfrage und muss sich letztlich auch lohnen. Im neuen Lehrlingspaket (ab Juli 2017) sind auch bereits neue Fördermittel enthalten. So werden zum Beispiel alle Vorbereitungskurse zur Lehrabschlussprüfung und Sprachkurse für Lehrlinge im Auslandspraktikum kostenlos.

Ausbildungsoffensive: Forschung zum Selbstzweck
Neben der Öffentlichkeitsarbeit und den Fördermaßnahmen, gibt es noch eine dritte Ebene zur Ausbildungsoffensive: Schier unzählige Forschungs- und Entwicklungskonzepte. Sie sollen helfen, den Bedarf, die Qualität und Information der Ausbildung zu planen. Fast möchte man schon meinen, die Ausbildung ist im Schwitzkasten der Forschung. Kaum ist ein Konzept veröffentlicht, wird schon ein anderes Forschungsergebnis hinterher gejagt. Das Stakkato der Veröffentlichungen, in Abhängigkeit einer Förderindustrie, lässt kaum  Zeit, einmal ein Ergebnis zu hinterfragen – geschweige denn, es mit Leben zu erfüllen. Es scheint, die Zahl der Klicks auf das Forschungsergebnis rechtfertigt schon deren Förderung und nicht die praktische Umsetzbarkeit.

Forschung zum Selbstzweck stellt eben keinen Anspruch auf praktischen Nutzen dar, sondern dient der Finanzierung der eigenen Arbeit. Der Grund, warum das seitens der Fördergeber konsequent ignoriert wird, liegt wahrscheinlich darin, weil die Fördervergabe und das Förderziel auf mitunter völlig unterschiedlichen Verwaltungsebenen angesiedelt sind. Wenn man sich fragen muss, warum das Verkehrsministerium Projekte fördert, deren Ziele im Bildungsministerium angesiedelt sind, dann wird die Diskussion schnell philosophisch. Die Förderkriterien können daher gar nicht zielgerichtet sein, denn als gelernter Österreicher weiß man, dass es zum Beispiel eine Kommunikation zwischen zwei Ministerien – Regierung hin oder her –  nicht gibt. Zwischen EU und nationalen Fördergebern schon gar nicht. Da kann es schon vorkommen, dass „Projekte“ doppelt gefördert werden und am Ende trotzdem nur viel Papier dabei herauskommt. Würde man die Unsummen an Projekt-Fördergeldern, oder noch schlimmer, die Förderung eines Projektes zum Projektvorhaben, direkt in die Betriebe und Schulen leiten, hätte man zwar ein paar Wissenschaftler weniger, aber dafür eine nachhaltige Lehrlingsförderung. Man könnte jetzt entgegnen, dass sei eine nicht belegbare Behauptung. Wenn aber die ÖBB sagt, sie schaffen es nicht, aus 1.500 Bewerbern 500 Lehrlinge zu rekrutieren, dann brauchen wir keine neue Studie, sondern wohl mehr und bessere Ausbildung an der Basis. Wenn eine Reederei 180 Schiffe unter ihrer Flagge hat, aber keine Binnenschiffer ausbildet, dann brauchen wir wohl mehr Reeder die Lehrplätze anbieten und nicht solche, die sich für Förderungen an Cluster-Projekten beteiligen. Wenn 30 Lkw am Montag den Parkplatz ihrer österreichischen Spedition verlassen haben und stattdessen dort 30 Pkw mit slowakischen Kennzeichen stehen, dann können wir uns neben der Projektförderung die Ausbildungsförderung und gleich auch die Bildungspolitik ersparen.

Käpt’n Computer? Lernziele sind immer anwendbares Wissen
Zunehmend bekommt man den Eindruck, dass die herkömmliche Bildungspolitik und die Aus- und Weiterbildung vor dem Hintergrund der Industrie 4.0 ohnehin ein Thema von auslaufendem Wert ist. Stichwort IKT (Informations- und Kommunikationstechnologie). Für die Transportwirtschaft bedeutet das eine autonome Fortbewegung von Lkws, Schiffen, Schienenfahrzeugen und Flugzeugen. Alle Verkehrsmittel werden zu Rohrleitungen. Fahrer werden nicht mehr gebraucht. Das ist nicht Science Fiction, sondern teilweise schon Realität und in naher Zukunft nur eine Frage des Wie, nicht mehr des Ob. Die herkömmlichen Ausbildungsmodelle werden dann aber tatsächlich obsolet. Auch die vielen bunten Projektbroschüren sind dann für die Rundablage. Wer sich heute mit dem Gedanken spielt, Lkw-Fahrer oder Schiffskapitän zu werden, sollte sich lieber überlegen, ob er (oder sie) nicht Lehrzeit in das Programmieren von fahrerlosen Lkw oder Schiffen investieren soll. Denn ziemlich sicher wird der Lehrling von heute nicht mehr selber mit dem Lkw in die Pension fahren und auf der Kommandobrücke wird Käpt’n Computer sitzen.

Aus- und Weiterbildung ist kein Gordischer Knoten

Digitale Kompetenz vorausgesetzt
Vorläufig werden in Österreich noch 11 Berufsfelder zu den sogenannten Mangelberufen gezählt. Das bedeutet, dass wie in Deutschland, etwa 50 Berufe nur noch unter erheblichen Schwierigkeiten mit entsprechendem Fachpersonal besetzt werden kann. Fachkräfte für die Logistik befinden sich in Österreich noch nicht auf der Liste. Wohl aber nahezu alle Berufe im IT-Bereich – auch die, die in der Logistik gebraucht werden. Und genau hier liegt ein zentrales Problem von wachsender Brisanz.

Schon fast alle Berufe sind von der Digitalisierung durchdrungen und kaum noch ein Beschäftigter kann sich der Digitalisierung in seiner Branche entziehen. Man denke nur an den Automechaniker, der fast schon zum Computerfachmann mutiert ist und in naher Zukunft vielleicht mit weißem Mantel, statt mit Blaumann zu Werke gehen wird. Die digitale Kompetenz ist also ein absolut dringendes Ausbildungsthema.  Das hat auch die Bundesregierung realisiert und in der „Digital Roadmap“ festgeschrieben, kein Kind soll künftig ohne digitale Kompetenzen die Schule verlassen. Das führt aber auch dazu, dass die Ausbildner zunehmend ein Problem bekommen. Christian Schöndorfer vom Bildungsministerium kennt schon Schüler, die den Lehreraccount ausspionieren und für ein Upgrading der Noten 50 Euro kassieren. Train the Trainer ist also ein Gebot der Stunde. Die Ausbildung wird immer professioneller und anspruchsvoller. Die Beherrschung neuer und moderner Technologien sind wesentliche Voraussetzungen für Fachkräfte im Ausbildungsbereich.

Letztlich wird man nicht umhin kommen, den Auszubildenden weiterhin auch einen „altmodischen“ Ausbildungsplatz zur Verfügung zu stellen. Derzeit ist es noch vielfach so, dass die Wirtschaft glaubt, künftige Mitarbeiter wachsen auf Bäumen und man muss nur warten, bis sie herunter fallen. Oder man lässt ausbilden und hofft dann „absahnen“ zu können. Einen Ausbildungsplatz brauchen die Lkw-Fahrerin, der Schiffsjunge und auch der künftige IT-Experte. Leider werden Ausbildungsplätze aber immer weniger – trotz Förderung. Vor 60 Jahren hat man zum Beispiel noch 60 Meter lange Schiffe gebaut die genug Raum für zwei Ausbildungsplätze geboten haben. Heute baut man 135 Meter lange Schiffe, die keinen einzigen Auszubildenden aufnehmen können. Dabei weiß jeder Reeder, wenn der Nachwuchs nicht fließt, sitzt der Dampfer auf dem Trockenen.   (PB) Peter Baumgartner

E-Paper: E-Paper
E-Paper: PDF Download

 

Ähnliche Beiträge