Containerschifffahrtsmärkte: Licht am Ende des Tunnels

Auch wenn sich die Weltwirtschaft allmählich aus ihrer schwersten Krise seit Jahrzehnten zu erholen scheint und mit dem wieder anziehenden internationalen Handel auch die Nachfrage in der Containerschifffahrt zu Wachstum zurückkehrt, befindet sich dieses Schifffahrtssegment insgesamt nach wie vor in einer tiefen Krise. Zwar gab es zur Jahreswende 2009/2010 in der Linienschifffahrt positive Nachrichten über hohe Kapazitätsauslastungen und deutlich steigende Frachtraten, aber insgesamt ist der Markt noch von einem deutlichen Überangebot an Tonnage gekennzeichnet, das sich in der Zahl inaktiver, beschäftigungsloser Containerschiffe niederschlägt.

Nach Angaben von AXS-Alphaliner waren Anfang 2010 Containerschiffe mit einer Kapazität von 1,5 Mio. TEU ohne Beschäftigung. Dies ist aber deutlich weniger, als dies noch Mitte 2009 für Anfang 2010 erwartet wurde und die Zahlen sind seitdem weiter gesunken. Die Gründe für diese letztlich positive Entwicklung sind vielfältig:

Einerseits hat sich das Flottenwachstum deutlich verlangsamt, d.h. es wurden im Verlauf des Jahres 2009 mehr als 200 Containerschiffe weniger angeliefert und in Fahrt gesetzt, als dies laut Orderbuch der Werften zunächst geplant war. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Verschiebungen der Ablieferungstermine. Andererseits erreichte die Verschrottung von Containerschiffen im vergangenen Jahr bislang ungesehene, allerdings vom ISL auch bereits relativ früh prognostizierte Höhen. Insgesamt wurden in 2009 mehr als 200 Containerschiffe mit fast 390.000 TEU zur Abwrackung verkauft. Gleichzeitig wurde in Reaktion auf die Überkapazität und in Kombination mit wieder anziehenden Bunkerölpreisen schnell und umfassend die Strategie des Slow- bzw. des Ultra-Slow-Steaming umgesetzt. Dadurch haben die Linien große Teile der Tonnage im Einsatz gehalten und Bunker- durch Kapitalkosten ersetzt, auch weil letztere aufgrund des Vorhandenseins der Schiffe letztlich "vernachlässigbar" waren. Insgesamt dürften in den vergangenen Monaten durch diese Strategie bereits bis zu 400.000 TEU vom Markt genommen worden sein, die ansonsten zusätzliche unbeschäftigte Kapazität dargestellt hätten.

Die Nachfrage in der Containerschifffahrt hat im Jahr 2009 die Talsohle durchschritten und ist auf einen lebhaften Wachstumspfad zurückgekehrt. Dennoch musste in 2009 erstmalig in der Geschichte der Containerschifffahrt über den Zeitraum eines Kalenderjahres ein Umschlagrückgang verzeichnet werden. Mit 10-11 Prozent fiel dieser Rückgang dabei leicht negativer aus als erwartet. Dennoch lassen der Basiseffekt des schwachen ersten Halbjahres 2009 sowie die positiven Konjunkturprognosen des Internationalen Währungsfonds bereits im Jahr 2010 eine Rückkehr zu ansehnlichen Wachstumsraten erwarten. Im Basis-Szenario wird von einem Anstieg des weltweiten Behälterumschlags in einer Größenordnung von 8 Prozent ausgegangen.

In einer aktuellen Studie ("Entwicklung der Nachfragelücke in der Containerschifffahrt nach Größenklassen", ISL, März 2010) hat das ISL – Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik, Bremen – die vorliegenden aktuellen Informationen zur Flotte, zum Orderbuch und zum Markt zusammengestellt und plausible Entwicklungsszenarien für den Abbau der aktuell bestehenden Nachfragelücke abgeleitet bzw. weiterentwickelt. Bislang sind Bauaufträge für Containerschiffe mit Stellplätzen für rund eine halbe Million TEU storniert worden. Zwar werden weitere Stornierungen erwartet, aber das Flottenwachstum wird sich im Jahr 2010 tendenziell wieder beschleunigen. Auch zukünftig werden sich stornierte Neubauaufträge und die Verschrottung älterer Einheiten entlastend auf das Flottenwachstum auswirken. Letzterer Faktor läuft jedoch nach dem Rekordverschrottungsjahr 2009 tendenziell aus und auch die verzögerte Ablieferung der Neubauten verliert angesichts der nun einsetzenden Ablieferungen aus früheren Quartalen verschobener Bauaufträge an Bedeutung bzw. kehrt sich langfristig sogar um. Insgesamt erwartet das ISL unter Berücksichtigung weiterer Stornierungen und Verschrottungen im Jahr 2010 ein Kapazitätswachstum von gut 9 Prozent.

Die einzelnen Größenbereiche der Vollcontainerflotte verfügen über eine individuelle Kombination aus inaktiven Einheiten, typischen Einsatzgebieten, Verschrottungspotenzialen, Auftragsbestand und Flottengröße. Das Zusammenspiel dieser Faktoren in Verbindung der derzeitigen Flottengröße determiniert die Erholungsperspektiven der betrachteten Segmente. In den "kleinen" Segmenten bis 3.000 TEU ist effektiv mit einer rückläufigen Kapazität zu rechnen. Unerwartet hoch fielen hier unter anderem die bestätigten Stornierungen von Neubauaufträgen aus. Ein Abbau des Angebotsüberhangs wird hier bis zum Ende des Jahres 2012 erwartet, dabei für die kleineren Einheiten tendenziell früher.

Die Kapazität der Einheiten von 3.000-5.000 TEU dürfte kurzfristig im gleichen Umfang wachsen wie die Nachfrage. Angesichts der nach wie vor aufliegenden Einheiten dürfte es damit aber tendenziell länger dauern, bis ein vollständiger Marktausgleich erreicht ist, zumal hier ein tendenzieller Druck aus den oberen Größenbereichen zu erwarten ist. Der Größenbereich oberhalb von 5.000 TEU hat angesichts der zuletzt gemeldeten hohen Auslastungsgrade in der Fernostfahrt sowie der anhaltend hohen Bunkerpreise kurzfristig das Potenzial, neue Kapazitäten aufzunehmen, die über das Wachstum der Marktnachfrage hinaus gehen. Dennoch liegt insbesondere bei den sehr großen Einheiten ein Auftragsbestand vor, der auch optimistische Nachfrageprognosen kurzmittelfristig übersteigt. Trotz der derzeit erwarteten zusätzlichen Verzögerungen und Stornierungen wird sich hier ein Angebotsüberhang aufbauen, der nur zu einem geringen Umfang von der Aufhellung der Marktperspektiven in den unteren Größenbereichen profitieren dürfte.

Bezüglich der Charterraten darf angenommen werden, dass eine leichte Erholung bereits erfolgt, sobald sich die Nachfragelücke zu schließen beginnt. Somit dürften in den betrachteten Segmenten bereits im Vorfeld des berechneten Marktgleichgewichts wieder steigende Charterraten zu beobachten sein. Dafür spricht, dass in den vergangenen Wochen erstmalig wieder längere Charterkontrakte geschlossen wurden. Zwar weiterhin auf sehr niedrigen, aber leicht steigenden Niveaus, jedoch auch einzelne überdurchschnittlich lange Kontrakte mit leicht höheren Raten, die aus Sicht der Liniendienstanbieter als Hedging-Strategie gegenüber einer erwarteten Belebung der Chartermärkte interpretiert werden können.

Die vollständige Studie kann seit Mitte März 2010 über das ISL bezogen werden

Quelle: MyLogistics       
Portal:  www.logistik-express.com

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