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„Das Vermittlergeschäft verliert in der Logistik an Relevanz“

Wirklich schwierig wird die Zukunft für die klassischen Vermittler in der Speditions- und Logistikbranche. Davon sind Ralf Baron, Michael Zintel und Dennis Mikulla von der Managementberatung Arthur D. Little überzeugt. Zusammen haben sie ein neues Thesenpapier über die Entwicklung der Logistikindustrie bis zum Jahr 2030 verfasst und im Dezember vorgestellt. Es trägt den Titel „Lost in Transformation“ und verdient die aufmerksame Lektüre durch die Vertreter der Branche. Denn wer die Dinge schleifen lässt, dessen beste Zeiten als Transport- und Logistikdienstleister könnten bald vorbei sein.

Die drei Herren von Arthur D. Little sind viel unterwegs. Es ist schwierig, sie zeitgleich an einem Tisch zu versammeln. Aber es gibt ja die segensreiche Einrichtung der Telefonkonferenzen. So erläutet das Trio von Frankfurt, München und Dubai aus die Ergebnisse der Arbeit, die man mehr oder weniger kompliziert schriftlich darlegen kann. Die Redaktion der Österreichischen Verkehrszeitung hat sich für die einfache Variante entschieden. Die Leser aus der Transport- und Logistikindustrie sollen verstehen was es geschlagen hat. Sie müssen Klarheit darüber gewinnen, dass die traditionelle Ausrichtung der Branche keinen langfristigen Bestand mehr hat. So wie es aussieht, neigt sich die Zeit der dezentralen und von starken Landesfürsten geprägten Organisationsstrukturen dem Ende zu. Wer da nicht höllisch aufpasst und gegensteuert, gerät früher oder später unter die Räder.

Dabei geht die größte Gefahr von den digitalen Plattformen aus. Sie bringen eine Transparenz über Preise, Transportangebote sowie Rücklademöglichkeiten in den Markt wie es vor ein paar Jahren niemand für möglich gehalten hätte. Zudem positionieren sie sich immer stärker als Komplett-anbieter und Mehrwerttreiber. Noch ist das Spektrum der Protagonisten sehr fragmentiert. Es gibt zahlreiche Akteure, einige davon besitzen noch den Status als Start-up. Doch die Branche wird sich konsolidieren. Am Ende dieser Entwicklung könnten dominierende Marken wie zum Beispiel Amazon oder Zalando im Online-Handel stehen. Nur wenige der arrivierten Logistikunternehmen besitzen die wirtschaftliche Kraft für den Aufbau von eigenen digitalen Plattformen in einem globalen Wirkungsfeld. „Die kleinen und mittelgroßen Speditionen müssen sich diesbezüglich unbedingt effizient in die digitalen Netzwerke der Plattformökonomie integrieren oder in Kooperationen mit Partnern ein eigenes Angebot entwickeln“, lautet die dringende Empfehlung der Experten von Arthur D. Little.

Michael Zintel beschreibt den auf die Logistikbranche zukommenden Transformationsprozess mit den seit einigen Jahren zu beobachtenden Entwicklungsszenarien in der Tourismusindustrie. Er fragt den Berichterstatter, wann dessen Verlag das letzte Mal ein Flugticket oder ein Hotelzimmer über ein Reisebüro gebucht hat. Die Antwort fällt nach einer kurzen Rücksprache bei der zuständigen Kollegin ernüchternd aus. Das ist schon eine Zeit her, und diesen Trend beobachtet man in vielen Firmen – auch bei Arthur D. Little. Digitale Plattformen übernehmen klassische Vermittlerfunktionen. Sie können das in vielen Branchen tun, auch im Segment der Transport- und Logistikdienstleister.

In Anbetracht dieser Tatsache müssen laut Einschätzung der Experten von Arthur D. Little vor allem die klassischen Vermittler unter den Speditionen auf der Hut sein. Ihre viele Jahre gepflegten persönlichen Kontakte zu Verladern auf der einen und den Carriern (Lkw-Frächtern, Fluggesellschaften und Linienreedereien) auf der anderen Seite verlieren in jenem Maß an Relevanz, in dem sich die Bekanntschaften altersbedingt aus dem Berufsleben zurückziehen beziehungsweise durch jüngere Kollegen ersetzt werden. Außerdem bauen die digitalen Plattformen ihre Netzwerke kontinuierlich aus und ergänzen sie um Zusatzfunktionen, die den Nutzern die Ausübung des Tagesgeschäfts erleichtern.

Daraus ziehen Ralf Baron, Michael Zintel sowie Dennis Mikulla den Schluss, wonach das Management von Transporten, selbst wenn die Aufgabenstellungen der Kunden mehrere Verkehrsträger einbeziehen, in Zukunft kein Alleinstellungsmerkmal mehr darstellt. Was zählt sind Mehrwertdienste, die den Verladern einen Zusatznutzen bringen oder eine klar definierte Marktnische abdecken. Das begleitet von der Bereitstellung von starken digitalen Infrastrukturen und Netzwerken für die physische Abwicklung von Stückgutsendungen, Teil- und Komplettladungen, egal ob im Landverkehr oder in der Luft- und Seefrachtspedition. Kompetenz in der Zolllogistik kann ebenso ein Alleinstellungsmerkmal sein wie Servicekonzepte im Bereich von steuerlichen Rückerstattungen oder Transportlösungen zur Belieferung von Privathaushalten mit sperrigen Gütern.

Bei Arthur D. Little sieht man es als erwiesen an, dass sich die digitalen Plattformbetreiber an den Schnittstellen zwischen der verladenden Wirtschaft und den Frachtführern ansiedeln, so wie das die Anbieter von Buchungsplattformen für Hotelzimmer und Flügen in der Touristikbranche tun. Die dadurch ausgelöste Disruption ist unvermeidlich. Die großen Logistikkonzerne können diese Herausforderung mit ihren auf die eigenen Assets gestützten globalen Netzwerke zum Teil abfedern. Dem haben die digitalen Plattformen auf absehbare Zeit wenig zu entgegnen. Daher kann der Ausbau dieser Strukturen durchaus ein Mittel zur Absicherung der Marktposition sein.

Eine weitere Option zur Geschäftsmodellinnovation besteht für Vermittler in Zukunft auch in der Möglichkeit, sich als „Supply Chain Innovator“ zu betätigen. Darunter versteht man bei Arthur D. Little Problemlöser in Angelegenheiten, die weit über das physische Transportmanagement hinausgehen. Die Integration in starke digitale Netzwerke entscheidet bei allen Unternehmen der Logistikbranche über das weitere erfolgreiche Fortbestehen oder über den langsamen aber stetigen Bedeutungsverlust. Ansonsten wandern ihre Kunden ab, indem sie über Schnittstellen den direkten Kontakt zu den Lkw-Transporteuren, Fluggesellschaften und Linienreedereien suchen. „Zusätzlich besteht Nachholbedarf bei Basisthemen, und das macht die Sache so brisant“, warnen Ralf Baron, Michael Zintel und Dennis Mikulla eindringlich.

JOACHIM HORVATH

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