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Die Politik muss sich beim Handel entschuldigen!

Die heimischen Lebensmittelhändler sind keine Verursacher, sondern selbst Betroffene der Teuerungskrise – das zeigt die Bundeswettbewerbsbehörde in ihrem Endbericht zur Branchenuntersuchung der Lebensmittelwertschöpfungskette deutlich auf. Kritisiert wird hingegen die internationale Lebensmittelindustrie für ihren „Österreich Preisaufschlag“. Die BWB-Analyse widerlegt damit schwarz auf weiß die unsachlichen Anschuldigungen der Politik.

Beitrag: Gerald Kühberger

So gründlich wie nie zuvor hatten die Experten der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) in den vergangenen Monaten die gesamte österreichische Lebensmittelwertschöpfungskette durchleuchtet. Das Ergebnis fiel eindeutig aus: Der heimische Lebensmitteleinzelhandel (LEH) wurde von der Bundesregierung und mancher Oppositionspartei völlig zu unrecht als Sündenbock für den Preisanstieg bei Nahrungsmitteln abgestempelt. Die umfangreichen Analysen der BWB bestätigen, dass der intensive Wettbewerb im LEH trotz hoher Marktkonzentration funktioniert und der Lebensmittelhandel nicht Verursacher, sondern selbst Betroffener der Teuerungskrise ist.

„Der Bericht liefert einen wettbewerblichen 360 Grad Überblick des Lebensmittelmarktes in Österreich und gibt transparent die aktuelle Marktsituation wieder. Er beinhaltet eine beachtliche Menge an Daten und Fakten, die für Maßnahmen im Sinne des Wettbewerbs genützt werden können“, so die Leiterin der Bundeswettbewerbsbehörde, Natalie Harsdorf-Borsch, bei der Präsentation des Reports in Wien. Für den entlastenden Bericht hatten die österreichischen Lebensmittelhändler schon seit Ende des vergangenen Jahres unzählige Geschäftsdaten an die BWB geliefert. Neben 700 Handelsunternehmen waren auch 1.500 Lieferanten eingehend befragt worden. Dadurch konnte sich die weisungsfreie und unabhängige Behörde einen Überblick über die gesamte Wertschöpfungskette verschaffen. Und fand nicht den geringsten Ansatz dafür, dass sich die Marktkonzentration kausal auf Preisanstiege ausgewirkt hat.

„Der BWB-Endbericht widerlegt schwarz auf weiß die unsachlichen Anschuldigungen von Teilen der Bundesregierung und der Opposition, die den österreichischen Lebensmittelhandel immer wieder in populistischer Weise zum Schuldigen für die Inflation bei Lebensmitteln gestempelt hatten. Der Bericht beweist nun das Gegenteil, daher erwarten wir uns von der Politik eine Entschuldigung“, kommentiert Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will die Ergebnisse. Aus Sicht des Handels besteht seitens der Politik daher auch keine sachliche Notwendigkeit für teure, regulative Eingriffe oder neue Preistransparenz-Datenbanken, welche die Endkundenpreise nicht senken, aber den bürokratischen Aufwand deutlich erhöhen würden. Ohnehin ist die Preistransparenz im Handel heute bereits weit höher als in praktisch allen anderen Branchen. Bei den im Bericht ebenfalls genannten fragwürdigen „Shrinkflation“- und „Skimpflation“-Aktionen sieht der Handelsverband die Lebensmittelindustrie gefordert, auf derartige Praktiken künftig zu verzichten.

Was der BWB-Endbericht ebenfalls belegt: Die Handelsspannen für die Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels stiegen vom zweiten Halbjahr 2022 bis zum zweiten Halbjahr 2023 nicht systematisch an. International tätige Hersteller konnten ihre Gewinnmargen hingegen in einzelnen Produktgruppen deutlich steigern, heißt es im Endbericht wörtlich. Auch auf dieses Faktum hatte der HV monatelang immer wieder hingewiesen – ohne bei der Politik Gehör zu finden.

BWB rügt Lebensmittelindustrie für „Österreich-Preisaufschlag“

Die BWB rügt die internationale Lebensmittelindustrie aber auch dafür, dass sie den rotweißroten Händlern systematisch höhere Preise verrechnet als etwa jenen in Deutschland. Dies erklärt auch die Preisunterschiede bei Markenartikeln zwischen Österreich und Deutschland. Das vom Handelsverband seit Jahren geforderte Verbot Territorialer Lieferbeschränkungen würde die Konsumenten in der Europäischen Union um jährlich 14 Milliarden Euro entlasten. Auch die BWB hat nun angekündigt, diesen Sachverhalt an die Europäische Kommission zu übermitteln.

„Die Politik ist nun gefordert, in der Diskussion um Lebensmittelpreise künftig unsachliche Anschuldigungen gegen heimische Händler zu unterlassen, endlich die Rolle der globalen
Hersteller gründlicher zu beleuchten und Territoriale Lieferbeschränkungen in der EU zu verbieten“, ist Handelssprecher Rainer Will überzeugt.

Analog zu Österreich hatte heuer auch eine Untersuchung der britischen Wettbewerbsbehörde ergeben, dass die britischen Händler die hohen Preise bei Lebensmitteln nicht verursacht haben. Die aktuellen Zahlen der europäischen Statistikbehörde Eurostat belegen ebenfalls, dass das Nahrungsmittel-Preisniveau in Österreich fast identisch ist mit jenem in Deutschland oder Frankreich. Im Übrigen gibt es allein in Europa zehn Länder, in denen das Preisniveau teils deutlich über jenem in Österreich liegt. (RED)

Quelle: LOGISTIK express Ausgabe 5/2023

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