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Die Zeit ist reif – für Lageroptimierung!

Die Wirtschaft zieht wieder an, Auftragsbücher füllen sich und Lagerkapazitäten werden wieder ausgeschöpft. Höchste Zeit also, neuen Raum zu schaffen. Glücklich, wer sich ein „grüne-Wiese-Projekt“ leisten kann. Doch dann beginnt der schwierige Teil: Was für ein Lager errichte ich? Wie ist der Stand der Technik? Und was ist alles möglich?

Gleich vorweg: mein Traum, durch Gespräche mit Experten die Non-Plus-Ultra-Lösung zu finden, ist kläglich gescheitert. Zu mannigfaltig sind die Möglichkeiten, zu unterschiedlich die Nutzungen und Ansprüche. Die ideale Anlagentechnik hängt unter anderem von der Auftrags- und Artikelstruktur sowie den Mengenströmen ab. Fakt ist jedoch, es gibt einige Trends und Neuentwicklungen, und diese sind mindestens genauso interessant.

Internet der Dinge
Auf einen brandheißen Trend verweist Christian Erlach, Geschäftsführer der Jungheinrich Austria Vertriebsges.m.b.H: „Der Gedanke, jedes einzelne Fahrzeug mit einer eigenen „Intelligenz“ auszustatten, um die Effizienz zu steigern, ist sehr verlockend. Jede aktive Einheit entscheidet innerhalb gewisser Richtlinien selbst, wie sie am besten weiterarbeitet. Die Voraussetzung dafür ist natürlich eine ausgeklügelte Software.“ Unter dem „Internet der Dinge“ versteht man die elektronische Vernetzung von Gegenständen zwecks selbständigen Informationsaustauschs. Solch ein hochflexibles, autoadaptives und reaktives Netzwerk autonom agierender Einheiten könnte Materialflusssysteme und Warenströme einfach erstellen, verändern und erweitern. „Eine Möglichkeit, die Fahrzeuge und Geräte kommunizieren zu lassen, ist die RFID-Technologie“, weiß Erlach und ergänzt: „Das Internet der Dinge steht dabei im klaren Gegensatz zum bisherigen Versuch, den Materialfluss anhand von Standards zentral zu steuern. Es bedeutet damit einen Paradigmenwechsel im Lager.“

Fahrerloses Transportsystem
Fahrerlose Transportsysteme (FTS) sind nicht wirklich neu, konnten sich aber bislang auch nicht richtig durchsetzen. Das könnte sich – zumindest für einen gewissen Teil des Marktes – ändern, meint Erlach: „Die modernen FTS sind viel leistungsfähiger und preiswerter geworden, wodurch sie gerade eine gewisse Renaissance erleben.“ Besonders im Produktionsbereich sei eine Zunahme an diesen flurgebundenen Fördersystemen mit automatisch gesteuerten Fahrzeugen zu verzeichnen.

Clusterbildung
Einen anderen Trend ortet Christoph Hahn-Woernle, Geschäftsführender Gesellschafter, viastore systems GmbH: „Um Leistungsfähigkeit und Flexibilität zu verbinden, kombiniert man in vielen Bereichen automatische Teilsysteme zu komplexen Einheiten, so genannten Clustern.“ Das Ziel ist ein durchgängiger automatischer Prozess. Zur Clusterbildung würden sich beispielsweise Identifikation, Transport, Einlagerung und Auslagerung anbieten. Neu entwickelte Spezialzellen ergänzen und erweitern die Cluster laufend. So werden Aufgaben wie palettieren, depalettieren und kommissionieren Teil eines gesamten, automatisierten Prozesses. „Das ist oftmals schneller und auch günstiger als eine manuelle Lösung“, begründet Hahn-Woernle diese Entwicklung. Dank zunehmender Fortschritte bei der Entwicklung von Robotik und Sensorik würden auch automatische Ein- und Auslagerungsprozesse immer schneller und störungsfreier ablaufen. Leider würde in vielen Lägern die Artikel-Klassifizierung nicht sauber durchgeführt, wodurch vermeintliche A-Teile günstig gelegene Regalplätze versperrten. „Eine wesentliche Voraussetzung für die weitere Automatisierung ist allerdings die Standardisierung von Ladeeinheiten und Verpackungen, ohne die geht es kaum“, fügt er hinzu.

Green Intralogistics
Maßnahmen zur Hebung der Energieeffizienz sind schon länger „in“, die Rücksichtnahme auf Ressourcen ist nicht zuletzt wegen damit einhergehender Beschaffungs- und Betriebskostenreduktion en vogue. Das Handeln nach ökologischen, ökonomischen und sozialen Gesichtspunkten lässt sich marketingwirksam in das Unternehmensimage integrieren. Längst ist die Energienutzung mittels Zwischenkreiskopplung Standard, auch die Energierückspeisung bei moderner Antriebstechnik setzt sich allmählich durch. „Um wirklich Energie zu sparen, ist ein intelligentes Warehouse Management System fast unumgänglich“, stellt Hahn-Woernle fest. Besonders die überdimensionierten Versandverpackungen samt später aufwändig zu entsorgendem Polstermaterial sind ihm ein Dorn im Auge. „Verfügt ein Unternehmen über eine intelligente Lagersoftware und gepflegte Stammdaten, kann das System die Größe des nötigen Umkartons genau berechnen und so viel Material einsparen“, ist er überzeugt. Noch besser sei es hingegen, wenn die Originalverpackung gleich auch als Versandverpackung genutzt würde. Doch leistungsfähige Software vermag noch mehr zu leisten: durch vorausschauende Planung und wegeoptimierte Ein- und Auslagerungsprozesse (Doppelspiele, Anm.) können Leerfahrten vermieden werden, wenn das Terminal für den Rückweg ein bald gebrauchtes Produkt anzeigt. Eine Voraussetzung dafür ist, dass das System neben den Artikelnummern auch das Lagerlayout kennt. Ein weiterer Einsparungspunkt ergibt sich durch individuelle Anlagensteuerung und eine gute Energiemanagementsoftware, denn nicht immer muss eine Förderanlage auf Höchstleistung laufen, und wenn es nichts zu transportieren gibt, kann auch das Transportband ruhig eine Pause einlegen. Nimmt man die Ein- und Auslageraufträge als Basis, lässt sich die Auslastungsklasse ermitteln. Davon ausgehend, kann die SPS (Speicherprogrammierbare Steuerung, Anm.) die Regalbediengeräte je nach Auslastungsklasse mit niedriger, mittlerer oder voller Geschwindigkeit fahren lassen. Besonders die Beschleunigungswerte beeinflussen den Energieverbrauch maßgeblich.

Die Anpassung des Energiezuflusses an den Durchsatz erscheint in den meisten Anlagen sinnvoll. Oft ist es reine Bequemlichkeit, Anlagen auf konstanter Leistung durchlaufen zu lassen, ungeachtet der tatsächlichen Nutzung, dabei liegt hier sehr viel Einsparungspotenzial verborgen.

Pick-by-Voice
Seit der deutsche Verband für Arbeitsgestaltung, Betriebsorganisation und Unternehmensentwicklung e.V. REFA (ursprünglich Reichsausschuss für Arbeitszeitermittlung, Anm.) Ende 2009 in einer Studie am IAW (Institut für Angewandte Warehouse-Logistik, Anm.) feststellte, dass die Kommissioniermethode Pick-by-Voice erheblich schneller und effizienter ist als Pick-by-Scan, erlebt die Nachfrage nach diesem System einen ungeahnten Schub. Der größte Unterschied ergab sich bei der Multi-Order-Kommissionierung, wo die geübten Mitarbeiter durch die Verwendung der Sprachtechnologie durchschnittlich um 36 Prozent schneller waren als ihre Kollegen mit MDE-Gerät und Scanner. „Im manuellen Lager erfreut sich die Pick-by-Voice Technologie zunehmender Beliebtheit“, bestätigt Erlach. Das Ziel sei ein möglichst einfacher Ablauf für Mitarbeiter, und das sei gewährleistet, denn durch die Steuerung via Mikrofon und Kopfhörer habe der Kommissionierer beide Hände frei. Auch dieser Trend hängt jedoch sehr stark von der Software ab, denn ohne entsprechendes Warenmanagementsystem ist auch die beste Sprachsteuerung nutzlos.

Hochleistungskommissionierung
Bereits das Motto der neuzeitlichen Olympischen Spiele lautete „citius, altius, fortius“, auf Deutsch als „schneller, höher, weiter“ interpretiert. Dieser Leitspruch lässt sich auch auf die Ansprüche moderner Kommissionierung umlegen. „Hochleistungskommissionierplätze mit kurzer Einschulungsdauer und eindeutigen Arbeitsbefehlen liegen voll im Trend, da sie eine besonders effektive Ausnutzung der Arbeitskraft zulassen“, berichtet Hahn-Woernle. „Ware-zum-Mann-Systeme helfen durch den Wegfall der Wegstrecken, die Pickleistung zu erhöhen“, ergänzt Erlach. Für die optimale Auswertung der Aufträge empfiehlt Hahn-Woernle ein zweistufiges Kommissioniersystem.

SCM-Systeme
Hinsichtlich der Lagerverwaltungssysteme lässt sich ein Trend hin zu gesamtheitlichen Supply-Chain-Management-Systemen (SCM) feststellen, die eine Weiterentwicklung der Standard-Softwarelösung darstellen. Diese Systeme regeln auch die Versorgung der Produktionslinien auf sehr effiziente Weise, wodurch Anwender ihre Bestände meist erheblich senken und dadurch Kosten einsparen können.

Generalunternehmerschaft auf dem Vormarsch
„Im für uns relativ neuen Bereich der Generalunternehmerschaft konnten wir eine deutliche Nachfragesteigerung feststellen“, freut sich Erlach. Der Trend gehe eindeutig in Richtung schlüsselfertiger Anlagen. Viele Warehousebetreiber möchten bei ihren neuen Projekten mit möglichst wenigen verschiedenen Ansprechpartnern zu tun haben, damit oft lästige Abstimmungen wegfallen und Missverständnisse durch Fehlkommunikation von vornherein ausgeschlossen sind. Darauf reagierend gehen bereits einige LVS-Anbieter dazu über, Picksubsysteme oder Lagertechnik in ihr Portfolio aufzunehmen beziehungsweise durch Kooperationen mit Subunternehmen ihr Leistungsspektrum dem Kundenwunsch folgend zu erweitern.

Wofür man sich bei der Planung eines neuen Lagers schlussendlich entscheidet, glücklicherweise geht die Entwicklung ständig weiter, und softwareseitige Ergänzungen sind echt keine Hexerei mehr. (AT)

Redaktion: Angelika Thaler

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