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Durstige Landwirtschaft

Die weltweit alarmierende Grundwassererschöpfung ist in erster Linie auf Wasserentnahmen für die Bewässerung zurückzuführen, belegt eine wissenschaftliche Studie(1). Das Landwirtschaftsministerium sagt nein, der Klimawandel ist schuld. Aber deutlich abnehmend ist der Grundwasserkörper jedenfalls. Gleichzeitig soll laut UN der städtische Wasserbedarf bis 2050 um 80 % steigen.

Einer, der versucht, sich einen Überblick der Wassersituation in seinem Land zu verschaffen, ist Landeshauptmann Hans Peter Doskozil vom Burgenland. Zunehmend konfrontiert mit der Problematik versiegender Seen und schwindender Grundwasserreserven macht sich Doskozil aber nicht nur darüber Gedanken, wie man dem Trend entgegen kann, sondern auch, was die Ursachen davon sind. Genau das sollte grundsätzlich die Zugangsweise jeder Problemlösung sein. Von der Warum-Phase, die schon Kleinkinder instinktiv zum Verstehen leitet, über die 5-Why-Methode in der Managementbildung, führt der wirksamste Weg zur Problemlösung. Warum bewässern wir unsere Futtermittel ausgerechnet in der Mittagshitze, wo die Verdunstung hoch ist? Warum verschwenden wir das kostbare Grundwasser für die Bewässerung von Futtermittel für den Export? Warum hat sich die Landwirtschaft in den letzten paar Jahrzehnten so gravierend geändert, dass sie zum Beispiel mit dem Düngemittel mehr Probleme schafft als löst? Doskozil hat mit seiner Fragerei realisiert, er wird sich mit den international tätigen Agrar-Multis anlegen müssen, die in seinem Land ihr Unwesen treiben und seine burgenländischen Bauern in Geiselhaft halten. Thematisiert wird öffentlich der „Patient Zero“, der Neusiedler See. Er droht auszutrocknen, wenn die Klimaprognosen eintreten und der Wasserverbrauch weiter steigt. Aber es geht um viel Geld und Macht. Es geht um ein grünes Aushängeschild für Konzerne, dass sich international gut verkaufen lässt. Schwindet die Produktionssicherheit durch Wassermangel, oder leidet die Produktqualität durch verunreinigtes Wasser, ist es mit dem „Gemüsegarten“ vorbei.

Die Wasserknappheit, findet aber bereits statt. Forscher der TU-Graz sagen, Europa hat ein Wasserproblem. Mittlerweile ist die Situation sogar schon prekär, meint Prof. Torsten Mayer-Gürr, der mit Satellitengeodäsie am EU-Projekt Global Gravity-based Groundwater Product (G3P) mitgearbeitet hat. Damit das Business trotzdem noch lange funktioniert, schreckt man auch nicht davor zurück, aberwitzige Projekte umzusetzen. Zum Beispiel Donauwasser von Ungarn bis ins Burgenland zu leiten. Ähnlich wie beim Marchfeldkanal, soll wieder das Donauwasser die letzte Rettung sein. Der ehemalige Präsident der Landwirtschaftskammer, Hermann Schultes, hat vor dem Hintergrund alarmierender Prognosen bereits 2017 Donauwasser als Bewässerungsalternative für die Landwirtschaft benannt. Derselbe Schultes der auch versprochen hat, wenn Konsumenten billige Schnitzel wollen, wird seine Landwirtschaft das auch machen. Schultes gilt als Wegbereiter einer Präzissionslandwirtschaft und als Verfechter von „Essen auf Rädern“ (Agrosprit, Rapsdiesel).  Fünfzig Kilometer lange Wasser-Ableitungen von der Donau werden derzeit als umsetzbar betrachtet und sogar Hydrologe Habersack von der BOKU in Wien nennt das realistisch – ungeachtet wissenschaftlicher Erkenntnisse, dass die Landwirtschaft neben Abwässer und Urbanisierung der größte Stressfaktor für die ökologische Funktion von Fließgewässern ist.

Aber das Burgenland ist nur ein Kandidat, der Begehrlichkeiten am Donauwasser angemeldet hat. In Niederösterreich werden bereits 100.000 ha Agrarfläche bewässert. Bald sollen es 250.000 ha werden. Wasser aus der Donau soll auch das Weinbaugebiet im Traisental bewässern. Oberösterreich hat ebenfalls einen hohen Bewässerungsbedarf bei dramatisch sinkenden Grundwasserpegeln und das sind wiederum nur die österreichischen Begehrlichkeiten. Global gesehen haben Forschungen ergeben, dass die Bewässerung der wichtigste Eingriff des Menschen in den Wasserkreislauf ist und 70 % der Wasserentnahmen ausmacht. Gleichzeitig fehlen aber genaue Kenntnisse über die Bewässerungsmengen, die an bestimmten Orten vorkommen. „Entscheidungen im Wasserbereich sind ohne Daten und Informationen aber kaum denkbar“, warnt die UN. Potenziell gibt es zwar wasserrelevante Daten in enormer Vielfalt und Detailreichtum, die Datenlücken von der lokalen bis zur internationalen Ebene sind jedoch ebenso groß (UN-Bericht 2023).

Die Agrarindustrie hat zuerst die Bienen vergiftet und die Biodiversität zum Krüppel gespritzt. Damit wurde in der Folge der schwindende Rest des Grundwassers beeinträchtigt und jetzt fällt die Agrarlobby über das Oberflächenwasser her. Trotz alarmierender Ereignisse geht es den Schultes-Schülern weiterhin nur um die Förderquote, industrielle Tier- und Pflanzenproduktion, Export vor Nahversorgung und Marktbeherrschung statt Ernährungssicherheit. Paarige Agrarlogistik heißt, Lebensmittel und Gülle exportieren und Düngemittel importieren.

Was das alles für die Wasserstraße Donau und für andere Wasserstraßen bedeutet, liegt auf der Hand: Der Kampf um die Wassermenge und die Wasserqualität ist voll entbrannt – wenn nicht bereits verloren. Wasserstraßen sind im Gegensatz zu anderen Verkehrswegen wie Autobahn oder Bahntrasse, Rohrleitungen, Luftkorridor und Seilbahn, multifunktionale Infrastrukturangebote. Auf Wasserstraßen findet Koexistenz seit jeher zwischen Gewerbe, Sport, Hobby, Freizeit – ja und auch mit der Landwirtschaft, mehr oder weniger friedlich statt. Auf Wasserstraßen frönen Surfer und Ruderer ihrem Hobby neben 3000-Tonnen-Chemiefrachter und Kreuzfahrtschiff. Gleichzeitig spielen Kinder am Ufer im Sand und Fischer warten auf ihren großen Fang. Undenkbar, dass ein Fahrradfahrer auch nur in die Nähe einer Autobahn kommt. Undenkbar, dass Kinder am Bahndamm spielen und selbst kurzzeitiges Verweilen auf einer Gasrohrleitung würde Terroralarm auslösen. Eigentlich könnte es so bleiben, das wechselseitige Miteinander und das Respektieren von logischen Grenzen auf den Wasserstraßen. Aber die Zunahme einzelner Begehrlichkeiten, die egoistische Vorteilnahme, ja das Recht des Stärkeren, benachteiligt die Binnenschifffahrt über Gebühr und führt dazu, dass sie regelrecht auf Grund läuft.

Wenn es wissenschaftlich hinterlegt ist, dass wir ein mehrfaches Wasserproblem haben, wenn die Wasserqualität und die Wassermenge selbst verursacht sprichwörtlich „den Bach runter geht“, dann ist es an der Zeit, das Ruder herumzureißen und einen neuen, besseren Kurs zu wählen. Das vor 50 Jahren gegründete Bundesinstitut für Gesundheitswesen (ÖBIG), heute integriert in die Gesundheit Österreich GmbH., hat 1989 (!) kritisiert, dass die quantitative und qualitative Lage im Wasserkreislauf immer stärker beeinträchtigt wird. Es ist das zeitliche Beharrungsvermögen falscher Politik, die entgegen besseren Wissens, weiter mit dem Kopf durch die Wand möchte.

Die UN stellt fest: Die Grundwasserbewirtschaftung soll die Kontrolle von Ort, Menge und Qualität der Grundwasserentnahme aus Grundwasserleitern sowie deren Auswirkungen auf Ökosysteme, Oberflächengewässer und Bodensenkungen sicherstellen. Nitrate und Pestizide sind in der EU die Schadstoffe, die am häufigsten einen schlechten chemischen Zustand der Gewässer verursachen. Die Schadstoffe stammen vor allem aus der Landwirtschaft.

„Wasser ist das wertvollste globale Gemeingut der Menschheit und verbindet uns alle. Deshalb muss das Wasser im Mittelpunkt der globalen politischen Agenda stehen“, sagt Präsident António Guterres.

  • Dalin, C., Wada, Y., Kastner, T. et al. Groundwater depletion embedded in international food trade. Nature 543, 700–704 (2017). https://doi.org/10.1038/nature21403

Quelle: LOGISTIK express Journal 3/2023

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