Erwartungsaufhellung in der deutschen Logistikwirtschaft

BVL/DIW Logistik-Indikator im dritten Quartal 2009

Das Klima in der deutschen Logistikwirtschaft hat sich zu Beginn des zweiten Halbjahres verbessert. Gegenüber dem Vorquartal konnte der BVL/DIW Logistik-Indikator um gut 20 Punkte zulegen – dies ist der bislang kräftigste Zuwachs in einem Quartal. Gleichwohl liegt der absolute Indexstand mit einem Wert von 82,6 Punkten immer noch deutlich unter der 100-Punkte-Marke und damit weiter-hin im kontraktiven Bereich. Getragen wird diese Entwicklung maßgeblich von deutlich aufgehellten Erwartungen für die Entwicklung in den nächsten 12 Monaten. Während sich die Lageeinschätzung nur um 6 Punkte verbesserte, legten die Erwartungen um fast 23 Punkte zu.

Lagebeurteilung (Index-stand: 56 Punkte) und Zukunftserwartungen (109 Punkte) zeichnen somit ein sehr gespaltenes Bild. Noch nie war die Spanne zwischen den beiden Indikatorkomponenten größer als im laufenden Quartal. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich das leicht expansive Signal des Erwartungsindikators auf die derzeit sehr schwache Vergleichssituation bezieht. Daher wäre es verfrüht, aus den aufgehellten Erwartungen bereits auf eine kräftige Erholung zu schließen. Die größte Klimaverbesse-rung hat sich auf der Anbieterseite (Logistikdienstleister) ergeben: der entsprechende Teilindikator stieg um gut 20 Punkte, während auf der Anwenderseite (Industrie und Handel) nur ein Zuwachs von 8 Punkten zu verzeichnen war. Damit hat sich der Vorsprung des Anwenderklimas weiter verringert (Halbierung gegenüber dem Vorquartalswert).

Auf der Anbieterseite entwickeln sich Lage- und Erwartungseinschätzung nahezu gleichförmig nach oben. Der große Vorsprung der Erwartungen (Indexstand: 105,9 Punkte) gegenüber der Lage (46,6 Punkte) bleibt damit erhalten. Zur besseren Lageeinschätzung hat vor allem die Stabilisierung der Auftragseingänge beigetragen, die sich in der Frühjahrsumfrage noch im freien Fall befanden. An der ganz überwiegend als schlecht eingeschätzten Kapazitätsauslastung hat sich damit freilich noch nichts Wesentliches ändern können. Dementsprechend weisen die Planungen für die nächsten 12 Monate weiterhin in Richtung Kapazitätsrückbau, sowohl bei den Sachkapazitäten als auch beim Personalbestand. Offenbar reicht die überwiegend erwartete bessere Geschäfts- und Auftragslage in der nahen Zukunft nicht aus, um die bestehenden Kapazitäten auszulasten.

Bei den Befragten der Anwenderseite hat sich die Schere zwischen Erwartungen und Lage weiter geöffnet. Während die Lage mit einem Indexstand von 65,5 Punkten nochmals schlechter eingeschätzt wurde als im Vorquartal (Rückgang um 8 Punkte), haben sich die Erwartungen kräftig erholt und liegen nun mit 112,5 Punkten deutlicher im positiven Bereich (Anstieg um gut 24 Punkte). Erstmals seit Beginn der Befragungen wird die Auslastung der eigenen Logistikkapazitäten per Saldo als niedrig eingeschätzt. Die im Markt verfügbaren Kapazitäten gelten weiterhin als hoch und bestätigen das Bild der derzeit schlechten Lagebeurteilung seitens der Logistikdienstleister.

Der derzeit eher niedrigen Nachfrage nach Logistikleistungen stehen überwiegend positive Erwartungen für die Logistikbedarfe in den nächsten 12 Monaten gegenüber, sowohl bei binnenwirtschaftlichen als auch bei grenzüberschreitenden Aktivitäten. Dies korrespondiert mit einer deutlichen Verbesserung der erwarteten Geschäftsentwicklung. Einen Abbau der Sachkapazitäten ist zwar – anders als noch im Vorquartal – nicht mehr geplant, jedoch weisen die Erwartungen hinsichtlich des Personaleinsatzes weiterhin deutlich nach unten.

Im Hinblick auf die gegenwärtige Konjunkturkrise tritt die Logistikwirtschaft in Deutschland tendenziell die Flucht nach vorne an. Hierauf deutet hin, dass die Unternehmen per Saldo mit verstärktem Mitteleinsatz für Innovationen reagieren. Dies gilt insbesondere für die Befragten aus Industrie und Handel, von denen gut 37 Prozent angaben, ihre Investitionen in Innovationen auszuweiten. Knapp die Hälfte hat die innovationsbezogenen Investitionspläne nicht geändert und nur gut jeder sechste schränkte die Innovationstätigkeit ein. Bei den Logistikdienstleistern ist der Anteil der neutralen Antworten zwar mit fast zwei Dritteln deutlich höher, auch hier hat die Krise per Saldo jedoch tendenziell zusätzliche Innovationsaktivitäten angeschoben.

Der BVL/DIW Logistik-Indikator wird seit Herbst 2006 vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) für die Bundesvereinigung Logistik e.V. (BVL) berechnet. Konstruktionsgemäß kann der Indikator Werte zwischen 0 und 200 annehmen, wobei ein Wert von 100 eine konjunkturelle Normalsituation kennzeichnet (befriedigende und stabile Geschäfts- und Auftragslage mit normaler Kapazitätsauslastung).

Diese Kommentierung fußt auf der bislang absehbaren Entwicklung der erhobenen Befragungskomponenten. Die Verdichtung zu den vorgestellten Gesamt- und Teilindikatoren ist auf der bisherigen Datengrundlage nur als erste Rechnung möglich. Das dem Indikatorkonzept zugrunde liegende Fragedesign zielt bei quartalsbezogenen Angaben auf eine Einschätzung der jahreszeitlich üblichen (um saisonale Effekte bereinigten) Werte ab. Gleichwohl ist nicht auszuschließen, dass sich im Antwortverhalten noch Saisoneffekte niederschlagen. Diese können zukünftig (nach längerer Laufzeit des Indikators) statistisch herausgerechnet werden. Darüber hinaus sind zukünftig auch Untersuchungen zu den zeitlichen Vorlaufeigenschaften sowohl zur sektoralen als auch zur gesamtwirtschaftlichen Konjunkturentwicklung möglich. Diese werden vom DIW Berlin durchgeführt, sobald die dazu notwendige Datengrundlage erreicht ist.

Quelle: Bundesvereinigung Logistik (BVL) e. V.

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