Fiat: Chancen und Potentiale eines möglichen Joint Venture?

Gemeinsam mit Chrysler, endete für die Fiat Group das dritte Quartal 2012 mit mehr als einer Million zugelassener Fahrzeuge im Quartal und einem Anstieg von 11 Prozent pro Jahr. Verglichen zum dritten Quartal 2011 lagen die globalen Umsätze 16 Prozent höher, was mit einem starken Wachstum in Lateinamerika, dem Asien-Pazifik-Raum sowie dem nordamerikanischen Freihandelsabkommen zu tun hat. Europa, welches im Vergleich nur schwache Ergebnisse erzielte, wurde von den anderen Marktregionen abgehängt. Hier verbuchte Fiat einen Betriebsverlust von 219 Millionen Euro im dritten Quartal, was ca. 61 Prozent weniger im Vergleich zu 2011 bedeutet. 
 
Am 31. Oktober 2012 enthüllte Fiat einen korrigierten Plan bis 2016 mit Fokus auf den Exportmärkten, um die Krise in Europa, speziell in Italien (wo Fiat noch immer ein starker Marktführer ist), zu kompensieren. Fiat will demnach 15 Prozent seiner europäischen Kapazitäten für den Export reservieren. CEO Sergio Marchionne kündigte einen amibitiösen neuen 4-Jahres-Plan an, um die Produktion von Alfa Romeo und Maserati in Italien aufzustocken, mit dem Ziel, das Potential der unterrepräsentierten Luxusmarken zu nutzen. 
 
Überkapazität ist derzeit die Hauptsorge, mit der sich alle lokalen Auto-Hersteller in Europa auseinadersetzen müssen, besonders diejenigen im Volumengeschäft. Mit einer durchschnittlichen Kapazitätsauslastung der europäischen Anlagen unter 70 Prozent, stellen Fiat, PSA und Opel die am stärksten vom derzeitigen europäischen Marktabschwung betroffenen OEMs dar. Hersteller im Volumengeschäft sind am stärksten bei einem Verkaufseinbruch betroffen, da sie sich in erster Linie auf heimische Märkte konzentrieren und traditionell eher beim Preis anstatt beim Markenimage konkurrieren. 
 
Mit seinem neuen und verbesserten Industrieplan versucht Fiat nun einen aggressiven Plan zum Launch neuer Modelle. Der vorherige Industrieplan aus dem Jahr 2010 wurde Anfang des Jahres gestoppt, nachdem es als zu riskant befunden wurde, brandneue Modelle mehrheitlich für den EMEA-Markt zu produzieren, während eine Double-Dip Rezession die Eurozone in seinen Fängen hält. Die Vorhersagen für einen Aufschwung in Europa gehen davon aus, dass der Markt die Verkaufszahlen von 2007 erst wieder in 2014 erreichen wird, Hersteller können sich in einer schlechten Marktlage jedoch nur erfolgreiche Markteinführungen neuer Modelle aufgrund der damit verbundenen hohen Investitionskosten leisten. 
 
Dies hat zu einem Aufschub wichtiger Entwicklungen geführt, die im vorherigen 2010-Industrieplan aufgenommen waren, wie das neue B-Segment Punto, das neue C-Segment Bravo sowie alle C- und D-Segmente Alfa Romeo. Alle Modelle basieren auf der neuen Kompakt-Plattform, die in Kooperation mit Chrysler wurde und als globale Plattform gedacht war. 
 
Nachdem der sich erholende nordamerikanische Markt mit den Chrysler-Marken maximiert wurde, liegt der Fokus nun darauf, die positiven Impulse aus anderen wachsenden Marktregionen, insbesondere der Asien-Pazifik-Region zu nutzen, wo die Präsenz von Fiat noch recht eingeschränkt ist. 
 
So hat Fiat vor kurzem die Produktion zweier neuer Modelle, dem Dodge Dart und Fiat Viaggio, in China aufgebaut. Beide Modelle basieren auf der neuen Kompakt-Plattform, und Fiat ist nunmehr gut positioniert, um die Palette auszuweiten und das Angebot schnell für die Region auszubauen. Exporte aus Europa sind der einfachste und schnellste Weg, um Fiats Expansionspläne in Asien weiter auszubauen, doch die Profitabilität einer solchen Strategie muss noch verifiziert werden im Hinblick auf Logistik-Kosten und Steuern den Nettogewinn pro Fahrzeug betreffend. 
 
Positiv stellen sich Gespräche über ein Freihandelsabkommen zwischen Europa und China dar: OEMs setzen sich bei der Europäischen Kommission dafür ein, weitere Schritte in Richtung einer Verringerung der Handelsbarrieren für europäische Exporte nach China zu unternehmen. Das sich derzeit noch in der Entwicklung befindliche Freihandelsabkommen zwischen Europa und Indien deutet in dieselbe Richtung und wird voraussichtlich Anfang 2013 verhandelt sein. 
 
Lateinamerika stellt für Fiat eine unabhängige Region dar, in der Modelle aufgrund einer starken lokalen Forschung und Entwicklung (F&E) und Produktionsbasis entwickelt werden. Nordamerika wird von Chrysler dominiert. Für die Asien-Pazifik-Region muss ein anderer Ansatz gefunden werden, da die dortigen F&E- und Produktionsaktivitäten gerade erst am Anfang stehen und noch nicht ausreichen, um der wachsenden Nachfrage gerecht zu werden. 
 
In Europa steht Fiat an einem Scheideweg:
1) Entweder fokussiert bleiben auf den Massenmarkt und Produktionskapazitäten durch die Schliessung von Werken reduzieren, oder
2) das historische Erbe seiner Premiummarken (Alfa Romeo & Maserati) nutzen, das Produktportfolio neu anpassen und das Geschäft für die Zukunft neu positionieren.
 
Die neue strategische Ausrichtung deutet in die zweite Richtung, die auf den folgenden vier Säulen basiert:
– Auf Fiat 500 und Panda als Hauptfahrzeuge fokussieren und zukünftige Produkte hiervon ableiten
– Auf Alfa Romeo und Maserati fokussieren, um das obere Ende des bi-polaren Marktes zu erreichen
– Eine komplette Integration des Jeep durch die Entwicklung entsprechender Produkte für den europäischen als auch die internationalen Märkte
– Die Führungsposition im Bereich leichte Nutzfahrzeuge (LCVs) beibehalten
 
Im neuen Fiat Produktionsplan finden sich einige Ähnlichkeiten in Bezug auf die Strategie, die zur Umgestaltung von Chrysler angewendet wurden. Als der amerikanische Auto-Markt in 2009 wieder ansprang, konnte Chrysler diesen positiven Impuls durch eine schnelle Auffrischung der kompletten Palette maximieren, was dazu verhalf, dass der Autohersteller innerhalb eines Jahres wieder schwarze Zahlen schrieb. Der nächste Schritt ist nun die Entwicklung einer gemeinsamen Plattform, was jedoch viel mehr Zeit und Investitionen in Anspruch nimmt und sich erst mittelfristig auszahlen wird. Der Unterschied besteht im Referenzmarkt. Chrysler konnte sich zunächst auf den heimischen Markt konzentrieren, während Fiat sich dagegen derzeit nicht auf den europäischen Markt verlassen kann und das Wachstum daher in Übersee, und in erster Linie in der Asien-Pazifik-Region suchen muss. Mit einem bestätigten Handelsverlust von 700 Millionen Euro in Europa, dem Nahen Osten und Afrika für das Jahr 2012 und der Aussicht, dass der europäische Markt in 2013 am Boden sein wird, muss Fiat sich schnell entscheiden, die europäischen Überkapazitäten anderswohin zu verlegen.
 
Obwohl auf höchstem Niveau durchdacht, lässt der neue strategische Plan manche Fragen offen. Viele davon könnten in weiteren Gesprächen zwischen Fiat und GM im Kontext einer GM/PSA-Allianz addressiert werden:
 
1) Wie wird Fiat das Dilemma der Überkapazität lösen bei einer technischen Werksauslastung von unter 50 Prozent in Europa?
2) Werden die Resourcen ausreichen, um eine neue Welle an Investitionen zu stimulieren, die benötigt werden um eine lahmende Marke wie Alfa Romeo umzugestalten und die Marktführerschaft in A- und B-Segmenten beizubehalten?
3) Wie wird Fiat seinen Marktanteil in Europa gegen die starke Konkurrenz von VW und anderer koreanischer Hersteller kurzfristig halten, wenn eine Produkteinführung neu entwickelter Modeller mindestens zwei Jahre in Anspruch nimmt?
 
Wie passt eine solche Strategie in ein mögliches Joint Venture mit PSA und GM/Opel?
 
Fiat hat bereits eine Historie, was sowohl eine Kooperation mit GM als auch PSA angeht. Gemeinsame Anschaffungs- und Enwicklungsaktivitäten mit GM konnten einigen Erfolg verbuchen und Opel-Modelle, die in GM-Werken gebaut werden, werden bereits mit Fiat-Dieselmotoren ausgestattet. Der derzeitige Fiat Punto wurde erfolgreich auf derselben Platform wie der Opel Corsa entwickelt, obwohl ähnliche gemeinsame Entwicklungen im Premium-Segment fehlgeschlagen sind. Mit PSA besteht eine gut etablierte Partnerschaft bei der Entwicklung und Produktion leichter Nutzfahrzeuge. 
 
Auf der Produktseite ist die Überschneidung der drei Hersteller im Hinblick auf das Segmente kleinerer Fahrzeuge offensichtlich. Kombinierte Fiat/PSA/Opel-Verkäufe könnten die Gruppe auf 25 Prozent Marktanteil in Europa gegenüber dem Rivalen VW bringen, mit demselben Produktangebot, dem hauptsächlichen Fokus auf A- und B-Segmenten. Doch das Risiko einer Ausschlachtung wäre hoch. Opel könnte Fiat eine Option im C-Segment mit dem Astra bieten, einer neuen Plattform und einer neuen Chance, in das Segment mit wenigen Kosten noch einmal neu einzudringen. 
 
Aus der Sicht der technologischen Entwicklung führt Fiat noch immer, was kleine Motoren und umweltfreundliche Technologien angeht, ist es doch die Marke mit den niedrigsten CO2-Werten in Europa. Opel würde, wie auch schon vorher Chrysler, von hochwertigen Technologien bei Dieselmotoren und Erdgasfahrzeugen profitieren, die noch immer eine starke Nachfrage in Italien und Deutschland erfahren. PSA dagegen hätte bei einem Joint Venture keinen klaren Vorteil auf der technologischen Seite.
 
Aus einer Fertigungsperspektive sind Fiat, PSA und Opel die am stärksten betroffenen Autohersteller im derzeitigen europäischen Marktabschwung mit einer durchschnittlichen Kapazitätsauslastung ihrer europäischen Werke unter 70 Prozent. PSA kündigte vor kurzem den Abbau von 8000 Stellen und die Schliessung des Werkes in Aulnay in 2014 an. Opel kündigte die Werksschliessung in Bochum nach 2016 an. Noch weigert sich Fiat Werksschliessungen in Italien aus Sorge vor harscher politischer und gewerkschaftlicher Opposition als potentielle Option zu betrachten, doch ein Zusammenschluss zwischen Fiat und Opel würde das Problem der Überkapazität beim derzeitigen Produktionsniveau nicht lösen. 
 
Global ist Fiat gut positioniert mit Chrysler in Nordamerika und durch seine eigenen gut etablierten Aktivitäten in Lateinamerika. Fiat braucht jedoch einen Partner zur Umstrukturierung in Europa und um in Asien zu wachsen. Opel ist jedoch nur in Europa aktiv, und GM wird sich voraussichtlich nicht in ein Geschäft einbringen, das Fiat dabei behilflich wäre, um in Asien-Pazifik zu expandieren. 
 
Ein Joint-Venture zwischen Opel und Fiat würde dementsprechend nur dem OEM etwas bringen, der die Führung in diesem Deal übernimmt, mit einem erhöhten Marktanteil und der Fähigkeit, die Wirtschaftlichkeit einer Massenproduktion zu nutzen, welches ein Szenario für eine grossangelegte Umstrukturierung der Fertigungsprozesse in Europa schafft. Der OEM, der auf Platz zwei eines solchen Joint Ventures landet, könnte im Verlauf einen Kollateralschaden erleiden. 

Quelle: Frost & Sullivan
 

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