Forschungsprojekt EcoTram startet in die Praxisphase

Das Projekt EcoTram untersucht, wie sich die Energieeffizienz von Straßenbahnen steigern lässt, ohne dabei den Fahrgastkomfort einzuschränken. Im Fokus steht die Optimierung der Heizungs- und Klimageräte sowie der Belüftung. Das Forschungskonsortium setzt sich zusammen aus den Wiener Linien (WL), der Fahrzeugversuchsanlage Rail Tec Arsenal GmbH (RTA), der Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft m.b.H. (SCHIG), der Technischen Universität Wien (TU), dem Klimaanlagenhersteller Vossloh Kiepe Ges.m.b.H (Vossloh) und dem Fahrzeughersteller Siemens AG Österreich (SAGÖ). Es hatte in einem Vorprojekt (EcoTram I) Messungen zum Energieverbrauch durchgeführt und schlug Umrüstungen vor.

Das Folgeprojekt (EcoTram II) evaluiert diese Maßnahmen in einem Fahrzeug-Prototyp. Dazu wird eine Straßenbahn vom Typ ULF (Ultra Low Floor) mit energieeffizienten thermischen Komponenten umgebaut. Durch erneute Tests im Klima-Wind-Kanal der RTA und im regulären Passagierbetrieb können so die tatsächlich realisierbaren Einsparungen erfasst werden.  Das Projekt läuft seit Oktober 2011, es wird aus Mitteln des Klima- und Energiefonds gefördert und im Rahmen des Programms „NEUE ENERGIEN 2020“ durchgeführt. Es soll im November 2013 abgeschlossen werden und hat ein Volumen von rund 1,35 Millionen Euro.  
 
Die zunehmende Urbanisierung stellt Mobilitätsanbieter vor neue Aufgaben. Das Bedürfnis der Bevölkerung nach selbstbestimmter Mobilität steigt und damit das Verkehrsaufkommen – besonders in Metropolen und Ballungsgebieten. In den Städten wird sich deshalb entscheiden, ob trotz Klimawandel und knapper werdender Ressourcen mit energieeffizienten Technologien eine hohe Lebensqualität zu halten ist. Um dieses Ziel zu erreichen, ist die Schiene als besonders umweltfreundlicher Verkehrsträger unverzichtbar. 
 
In Wien erfreut sich der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) schon heute großer Beliebtheit. Damit Menschen noch häufiger öffentliche Verkehrsmittel wählen, müssen diese nicht nur kostengünstig und zuverlässig sein, sondern auch attraktiv und komfortabel. Für die Betreiber zählen zudem Wirtschaftlichkeit, niedrige Life-Cycle-Costs und Energieeffizienz.  
 
Obwohl der ÖPNV – besonders Straßenbahnen – zu den sparsamsten Transportmitteln gehören, wird im Projekt EcoTram versucht, den Energieverbrauch weiter zu senken. Größtes Potenzial für Strom- und CO2- Einsparungen bei Nahverkehrsbahnen bieten die Heizungs- und Klimageräte sowie die Lüftung (HKL-Geräte). In der ersten Phase von EcoTram wurde daher erstmals ein Schienenfahrzeug umfassend auf Energieeffizienz der HKL-Geräte unter Berücksichtigung „spezifizierte Anforderungen und tatsächlicher Energieverbrauch bei maximal erzielbaren Passagierkomfort“ im Detail durchleuchtet. Messungen und Simulationsmodelle mündeten in technischen Vorgaben für eine energieeffiziente Umrüstung einer Straßenbahn des Typs ULF (A1) der Wiener Linien. Die theoretischen Lösungen lassen sich nun an einem Prototyp experimentell erproben. Das Forschungsteam EcoTram II will so validieren, ob sich durch optimierte Betriebsstrategien und Umbauten relevante Einsparungen erreichen lassen, ohne Verlust an Behaglichkeit. 
 
Ein breites Maßnahmenspektrum für größtmögliche Einsparungen
Eine besondere Herausforderung des Projektes liegt im Umfang der betrachteten Parameter: Anstatt nur Einzelkomponenten zu prüfen, bezog man auch betriebliche Einflussgrößen und die Umgebungsbedingungen ein. Die errechnete Optimierung stellt daher nicht allein auf einen durchschnittlichen Energieverbrauch der HKL-Systeme ab, sondern muss eine Verbesserung unter veränderlichen Bedingungen erreichen. Dazu gehören beispielsweise die wechselnde Anzahl der Fahrgäste, die Sonneneinstrahlung und die Umgebungstemperatur. Eingesetzt wird eine neue Generation von HKL-Geräten. Sie verfügt über zahlreiche technologische Innovationen, wie eine Wärmepumpe oder eine frequenzvariable Ansteuerung. Die TU entwickelte dafür ein Simulationsmodell für einen prädiktiven Regler, der selbständig den Heiz- oder Kühlbedarf ermittelt. Weitere Maßnahmen sollen die HKL-Komponenten unterstützen und werden bei Schienenfahrzeugen ganz neu angewandt, wie beispielsweise die Beklebung mit Thermoschutzfolie. 
 
Die Einsparungen bei Energie und Umweltschadstoffen (CO2-Äquivalente) sollen anhand von Messungen im Klima-Wind-Kanal und im Fahrgastbetrieb dargestellt werden. Sie liefern wichtige Erkenntnisse zu Energie- und Kosten-Effizienz und bieten den Konsortialpartnern die Möglichkeit neue Technologien zu erlernen.
 
Das Konsortium sieht zudem eine große Multiplizierbarkeit der Ergebnisse; in Wien sind derzeit etwa 300 ULF Garnituren im Einsatz. Bei einfachen Umrüstungen wären Einsparungen von ca. 30.000 t CO2 pro Jahr möglich, bei weitergreifenden sogar das Doppelte. Durch die Reduktion der benötigten Energie verringern sich Lebenszykluskosten des Fahrzeugs. Auch der Umbau einer Straßenbahnflotte kann, bei einer Lebensdauer von etwa 30 Jahren, für den Betreiber eine lohnende Kalkulation sein. Bestätigt sich die wirtschaftliche und technische Machbarkeit, ließen sich solche Maßnahmen übertragen. So könnten die entwickelten Technologien auf andere Fahrzeugarten umgelegt werden oder sogar in Gebäuden von Nutzen sein. Weiter wird den Herstellern ermöglicht, bereits in der Entwicklung, den gestiegenen Anforderungen der Passagiere an Komfort und thermische Behaglichkeit, nachzukommen.  
 
EcoTram – ein Mehrwert, weit über technische Innovationen hinaus
Die Wiener Linien erwarten durch EcoTram II neue Erkenntnisse zu möglichen Einsparungen. Dies soll ein durch die TU Wien entwickeltes, analytisches Modell der Messungen bereitstellen. So läge eine reproduzierbare, schnelle und einfache Methode zur Energieverbrauchsanalyse für Straßenbahnfahrzeuge vor, die neben der Jahresenergieverbrauchsberechnung auch eine Einsparungspotentialanalyse erlaubt. Das RTA will in der Folge ein adäquates Energieeffizienz-Messprogramm für den Nahverkehr entwickeln. In Kombination mit Klimaversuchen zum thermischen Komfort lässt sich die Zusammenarbeit mit Fahrzeugherstellern und -bestellern deutlich intensivieren.
SAGÖ setzt seit 2009 an den Standorten Wien und Graz F&E-Projekte zu den Themen umweltgerechte Metro und virtuelle Metro-Simulation um. Durch die detaillierten Erkenntnisse aus dem Fahrzeugumbau kann das Unternehmen künftig für Kunden und Betreiber sehr realistische Vorhersagen zu Energieeinsparungen oder zur wirtschaftlichen und zeitlichen Planung treffen. Für Vossloh wird das Wissen aus dem Projekt bei der Konstruktion neuer HKL-Systeme in späteren Demonstrations- oder Vorserienprojekten Entwicklungsrisiken minimieren. 
 
Nachhaltigkeit, Effektivität und die Akzeptanz umweltfreundlicher Verkehrsmittel kann nur durch Innovation erreicht werden: in Verfahren, Implementierung und Technik. Das Projekt EcoTram entfaltet hier einen wichtigen Dialog – zwischen Forschung und Entwicklung einerseits und mit der Bevölkerung. Denn der Einsatz der EcoTram fördert das Bewusstsein für das Thema Klimaschutz und stärkt unmittelbar den ÖPNV und den Verkehrsträger Schiene. SCHIG, RTA und TU haben sich diesen Zielen durch die Kooperation mit Betreibern und Industrie langfristig verpflichtet. Darüber hinaus arbeiten und produzieren alle Konsortialpartner in Österreich. Das bietet einen fruchtbaren Kompetenztransfer und trägt dazu bei, den Technologiestandort Österreich und damit verbundene Arbeitsplätze zu sichern. 
 
Der Siemens-Sektor Infrastructure & Cities (München) mit rund 87.000 Mitarbeitern bietet nachhaltige Technologien für urbane Ballungsräume und deren Infrastrukturen. Dazu gehören integrierte Mobilitätslösungen, Gebäude- und Sicherheitstechnik, Stromverteilung, Smart-Grid-Applikationen sowie Nieder- und Mittelspannungsprodukte. Der Sektor setzt sich aus den Divisionen Rail Systems, Mobility and Logistics, Low and Medium Voltage, Smart Grid, Building Technologies sowie der Osram AG zusammen.

Weitere Informationen finden Sie im Internet unter: www.siemens.com/infrastructure-cities 
 

Quelle: Siemens AG Österreich

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar